Prof. Dr. Alexander Bassen, Dr. Kati Beiersdorf
Rz. 49
Der ED ESRS LSME stellt einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um angemessene Anforderungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMU dar. Trotz des überschaubaren Anwendungsbereichs des ED ESRS LSME dürfte er insbes. aufgrund seiner Value Chain Cap-Funktion erhebliche Auswirkungen auf die Berichterstattungspraxis sowohl großer Unternehmen als auch von KMU haben.
Rz. 50
Als kritisch ist jedoch die im Vergleich zu ESRS Set 1 weiterhin sehr hohe Komplexität des ED ESRS LSME zu betrachten. Auch der immer noch vergleichsweise große Umfang an Angabepflichten wirft die Frage auf, ob mit dem ED ESRS LSME das Ziel der CSRD – nämlich eine mit Blick auf Ressourcen und Kapazitäten von KMU verhältnismäßige und dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit angemessene Berichterstattung – tatsächlich erreicht werden kann.
Rz. 51
Umfang und Komplexität der Anforderungen stehen im Gegensatz zu den deutlich reduzierten Erläuterungen zu den Grundlagen der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts. So führt bspw. in Bezug auf die Wesentlichkeitsanalyse die Reduzierung der im ED ESRS LSME enthaltenen Erläuterungen dazu, dass gerade dieser wichtige Grundstein der Nachhaltigkeitsberichterstattung nur schwer, ggf. sogar nur mit Rückgriff auf die Erläuterungen im ESRS Set 1, anwendbar ist.
Rz. 52
Aber auch die Berichtspflicht lediglich auf Einzelunternehmensebene beeinträchtigt die Aussagekraft eines LSME-Nachhaltigkeitsberichts, da kapitalmarktorientierte KMUs oftmals in Konzernstrukturen organisiert sind und der Informationsnutzen für die Stakeholder der Nachhaltigkeitsberichte faktisch aus der Einbettung des KMU in die Unternehmensgruppe und somit aus einem einzelgesellschaftsübergreifenden Einblick in die nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen und Risiken der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gruppe erwachsen dürfte.
Rz. 53
Darüber hinaus finden nach der hier vertretenen Auffassung die Besonderheiten der voraussichtlichen Hauptanwender des künftigen ESRS LSME – nämlich die der SNCI – noch nicht in ausreichendem Maß Berücksichtigung. Dies zeigt sich zum einen darin, dass der ED ESRS LSME nur am Rand auf die Besonderheiten in den Geschäftsmodellen von Finanzinstituten eingeht. Darüber hinaus sind SNCI oftmals so strukturiert, dass sie nur eine äußerst geringe Anzahl an Tochterunternehmen besitzen, die aus Wesentlichkeitsgründen regelmäßig auch nicht konsolidiert werden. Auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten dürften diese Tochterunternehmen im Gros der Fälle nicht als wesentlich anzusehen sein. Entsprechend würden SNCI – wie im ED ESRS LSME vorgesehen – ihren KMU-Nachhaltigkeitsbericht auf Einzelunternehmensebene aufstellen. Allerdings bleibt vor dem Hintergrund der nicht vollumfänglich klaren Formulierungen zum Anwendungsbereich des ED ESRS LSME unklar, ob SNCI mit mind. einem Tochterunternehmen (unabhängig davon, ob diese Tochterunternehmen finanziell gesehen oder unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten unwesentlich sind) als große Gruppe betrachtet werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass ein Großteil der SNCI Nachhaltigkeitsberichte gem. ESRS Set 1 erstellen müssten – und zwar auf Einzelunternehmensebene, da die infrage stehenden Tochtergesellschaften wesentlichkeitsbedingt weder einen verpflichtenden Konzernabschluss noch einen verpflichtenden Konzernnachhaltigkeitsbericht auslösen dürften. Diese Auslegung würde die Zielsetzung des ED ESRS LSME ad absurdum führen.
Rz. 54
In der Gesamtschau fokussiert der ED ESRS LSME zu stark auf die Konsistenz und Vollständigkeit gegenüber den ESRS Set 1 und anderer EU-Regulierung für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Der in der CSRD verankerte Gedanke der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen findet nicht ausreichend Berücksichtigung, so dass der Standardentwurf ein zu hohes Maß an Komplexität aufweist und auch die Value Chain Cap-Funktion den Umfang der wertschöpfungskettenbezogenen Angabepflichten (noch) nicht ausreichend begrenzt. Entsprechend könnte überlegt werden, den künftigen ESRS LSME weniger stark an den ESRS Set 1 auszurichten, sondern diesen verstärkt am künftigen ESRS VSME auszurichten.
Rz. 55
Dementsprechend wurde in den Stellungnahmen an EFRAG (u. a. seitens des DRSC und anderer nationaler Standardsetzer) gefordert, den ESRS LSME deutlich zu reduzieren. Nach diesen Vorschlägen sollte ein sog. "VSME+"-Modell in Erwägung gezogen werden, wonach der ESRS LSME begrenzt wird auf alle Module des ESRS VSME zzgl. der aus anderen EU-Rechtsvorschriften resultierenden Datenpunkte.