Trotz Vielzahl der Definitionen ist heute mit Digitalisierung der Megatrend gemeint, der sich weit über die Ebenen der tatsächlichen Anwendung erstreckt:

 
Wichtig

Digitalisierung als einschneidender Megatrend

Eine globale, gesamtgesellschaftliche, soziotechnische Transformation durch eine exponentiell wachsende Leistungsfähigkeit von Mikroelektronik[1] – einschneidend und vergleichbar mit der Elektrifizierung.

Da die Digitalisierung Einfluss auf so viele Ebenen hat, bringt sie große Komplexität mit sich. Dieser Prozess ermöglicht viel, stellt uns aber gleichzeitig vor viele Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen. Man kann sagen, dass hier 2 Gegensätze aufeinander prallen, die uns dazu zwingen, uns zurück zu besinnen. Denn viele Entscheidungen bedürfen des Rückgriffs auf Ethik, Empathie und andere "weiche" Faktoren, die in der Welt der Maschinen keine Rolle spielen. Und das zeigt sich ganz besonders beim Thema der Nachhaltigkeit.

Faktoren der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz

Im öffentlichen, wirtschaftlichen und politischen Diskurs wird die Digitalisierung gerne stets mit Nachhaltigkeit assoziiert. Und der Gedanke liegt nahe: Digitalisierung hat zumindest das Potenzial, Prozesse effizienter zu machen. Und Effizienz ist ein Faktor von Nachhaltigkeit – aber eben nur ein Faktor. Effizienz umfasst allgemein den sparsamen Einsatz eines Mittels (Geld, Zeit, Energie, Rohstoff) zur Herstellung/Erreichung eines Ziels. Es gibt aber noch 2 andere Faktoren: Konsistenz und Suffizienz.

  • Konsistenz bedeutet, dass Produkte bei Herstellung, Betrieb und Entsorgung nach Ressourcen- und Umweltverträglichkeitsgesichtspunkten zu optimieren sind. Recyling und kreislaufwirtschaftliche Prozesse zählen meist in diesen Bereich.
  • Suffizienz beinhaltet die Forderung, den Energie- und Rohstoffverbrauch auf ein Mindestmaß einzuschränken – sprich: Geräte bspw. gar nicht erst herzustellen, selbst wenn sie hinterher recycled werden können. Auf höherer Ebene ist die Forderung von Suffizienz, gesellschaftliches Wohlergehen nicht mit Konsumchancen gleichzusetzen.[2]

Nachhaltigkeit kann erst entstehen, wenn die 2 Faktoren Effizienz und Konsistenz zusammen mit Suffizienz eingesetzt werden. Nur eine erhöhte Effizienz und/oder Konsistenz in Kombination mit gleichzeitigem, suffizientem Verhalten kann Nachhaltigkeit hinreichend bewirken. Konsistenz und Effizienz reichen alleine nicht aus und sind lediglich notwendige Faktoren.

 
Achtung

"Rebound-Effekte" durch Mehrverbrauch möglich

Durch Effizienz erzeugte Einsparpotenziale verusachen in vielen Fällen einen Mehrverbrauch, der die Einsparungen zumindest teilweise tilgt – wenn bspw. die "smarten" Heizungsthermostate in der Bilanz zwar Heizkosten sparen, aber einen Mehrverbrauch an Energie erzeugen. Es handelt sich um "Rebound-Effekte".

Nachhaltigkeitspotenziale der Digitalisierung

Das bedeutet, dass die Effizienzeffekte der Digitalisierung ein Potenzial für Nachhaltigkeit besitzen – aber Nachhaltigkeit beim Einsatz digitaler Lösungen noch lange nicht "automatisch" erreicht ist. Denn durch die enorme Steigerung des Bedarfs an Energie, Rohstoffen, Logistik und Transport besitzt die Digitalisierung große Potenziale, Nachhaltigkeitsbemühungen zu vernichten. Zwar lassen sich manche Nachhaltigkeitsprobleme durchaus effektiv durch den Einsatz moderner Technologie bekämpfen, jedoch wird eine Digitalisierung ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeitsgesichtspunkte bestehende Probleme nur verschärfen. Dazu zählt die Klimakrise, der Umweltverbrauch oder der Neokolonialismus im globalen Süden.

Leistungsfähigkeit heutiger Hardware torpedierte frühere Nachhaltigkeitsansprüche

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die ursprüngliche Idee einer Rechenmaschine so nachhaltig wie nur möglich hätte sein können. Zum Zeitpunkt der frühen Umsetzungen von Rechenmaschinen durch Alan Turing und seinen Zeitgenossen hätten Prinzipien wie Modularität, Rekonfiguration, Langlebigkeit und geringer Materialverbrauch Grundlage für eine echte nachhaltige Wirtschaft sein können. Zudem galt es damals als höchste Kunst, so minderkomplex wie möglich zu programmieren, was der Not mangelhafter Rechenkapazität geschuldet war.[3]

Aber durch exponentiell wachsende Leistungsfähigkeit der Hardware wurden diese Bemühungen obsolet und 2 heute übliche Kennzeichen moderner Software zogen ein:

  • Ständige, häufig unnötige Funktionsergänzungen ohne Rücksichtnahme auf das Gesamtkonzept der Software und
  • "Software Bloat" – ineffizientes Programmieren hinsichtlich Speicher und Prozessornutzung.

Das Ergebnis? Software, die grundsätzlich für immer Bestand haben könnte, ist jetzt eine wilde Verfolgungsjagd zwischen Aktualisierungen und "always beta".

[1] Sühlmann-Faul, 2020
[2] Zwick 2002: 96; Huber 2000; Behrendt/Göll/Korte 2016: 3
[3] Hilty, 2008

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