Naturgemäß sind internationale Chartas fokussiert auf eine globale Sicht der Dinge. Wenn wir uns nun in Erinnerung rufen, dass inzwischen über die Hälfte der Menschen in Städten bzw. urbanen Regionen lebt, 80 % des weltweiten Bruttosozialprodukts in Städten und urbanen Regionen erwirtschaftet wird und gleichzeitig dort auch über 70 % der CO2-Emmissionen entstehen, so kommt den Städten bei der Erreichung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele eine zentrale Rolle zu.
2.1 Internationale Ziele auf regionale Ebene transferieren
Nun ist es so, dass internationale Chartas meist sehr abstrakt formuliert sind. Die Transferierung auf die regionale bzw. urbane Ebene bedarf einer gewissen Übersetzungsleistung. Was bedeutet dieses Ziel für unsere Stadt konkret? Des weiteren werden die Erfüllungen von internationalen Chartas oftmals als Zusatzleistungen von kommunalen Verwaltungen gesehen, so dass sie im Konflikt mit dem sogenannten "Daily Business" stehen.
Wir machen unser "normales" Geschäft (Bau von Straßen, Betreuungsangebote, Gesundheitsberatung, etc.) und jetzt sollen wir "zusätzlich" noch den Charta bzw. Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigen. Erschwert wird dies meist noch dadurch, dass die Umsetzung von Chartas in städtischen Verwaltungen oftmals aus einer Fachdienststelle heraus oder mittels einer extra eingerichteten Stabsstelle betrieben wird. Wenn man sich der Thematik der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele genauer nähert, stellt man allerdings schnell fest, dass die Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele nicht nur für alle Länder gültig ist, sondern für alle Länder und Städte in ihrem ureigensten Interesse ist und wir dies auch schon immer im "Daily Business" tun.
Bekämpfung der Armut
Die Bekämpfung der Armut sieht natürlich in einer Stadt wie Boho-Didasso (Burkina Faso), Chennai (Indien), Addis Abbeba (Äthiopien), Tokyo (Japan), New York (USA) oder Mannheim (Deutschland) jeweils anders aus. Dennoch wird sie in allen Städten bereits betrieben. In Mannheim wird die Armut bekämpft beispielsweise durch die zur Verfügungstellung von günstigem Wohnraum, entsprechende Betreuungs- und Hilfsangebote für Alleinerziehende oder die Unterstützung zur beruflichen Qualifizierung. Wenn man dies durchdekliniert merkt man schnell, dass viele der Ziele und Unterziele im "Daily Business" bereits verfolgt werden. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Paradigmenwechsel bei der Akzeptanz der UN-Ziele und gleichzeitig beim Arbeiten an deren Umsetzung. Dieser Perspektivwechsel findet leider – weltweit – noch viel zu selten statt.
Nun haben die UN-Nachhaltigkeitsziele insgesamt 3 Dimensionen:
- Wie setze ich die jeweiligen Ziele vor Ort um?
- Was tue ich vor Ort (lokal), was globale Auswirkungen hat?
- Kann ich anderen helfen, Ihre UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Jede Kommune hat zumindest in den ersten beiden Dimensionen eine aktive Rolle. Bei der ersten Dimension ist dies sofort klar, da es um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele vor Ort geht. Keine Armut, hochwertige Bildung, Gewässerschutz. Dies ist klassisches Pflichtgeschäft einer jeden deutschen Kommune.
Bei der zweiten Dimension geht es darum, dass wir uns darüber bewusst werden, welche Auswirkungen unser lokales Handeln auf der globalen Ebene hat. Dies betrifft klassischerweise Schadstoffemissionen, die wir lokal in die Atmosphäre pusten und die die Luft anderswo belasten und zusätzlich global das Wetter beeinflussen. Es betrifft aber auch unsere Beschaffungspolitik. Geben wir bei einer klassischen Vergabe ausschließlich dem ökonomischen Primat den Vorrang, dann tragen wir aktiv dazu bei, dass anderswo im produzierenden Land, Armut entsteht. Insofern ist Fair Trade nicht nur eine Sache des privaten Verbrauchers, sondern auch der öffentlichen Hand. Die Stadt Mannheim beispielsweise kauft seit Jahren nur noch Baumaterialien aus dem Ausland, wenn diese nachweislich unter Bedingungen der International Labour Organisation (ILO) produziert wurden. Das heißt, keine Kinderarbeit und dem Tarifstandard des Landes angemessene Löhne.
2.2 Konkrete Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele in Mannheim
2.2.1 Vorprozess: Strategisches Steuerungssystem als Grundlage
Mannheim arbeitet seit knapp 8 Jahren mit einem strategischen Steuerungssystem. Das heißt, strategische Ziele auf der Topebene mit entsprechenden Topindikatoren zur Erfolgsmessung und davon abgeleitet Managementziele der Dienststelle auf der Dienststellenebene auch mit entsprechenden Indikatoren. Diese Ziele sind im Haushaltsplan mit den jeweiligen Produkten verknüpft. Insofern ist eine Änderung/Aktualisierung der Gesamtstrategie sofort über das strategische Steuerungssystem im Arbeitsalltag umzusetzen. Bürgerbeteiligungsprozess
Das Steuerungssystem ist somit strukturell dem Zielsystem der UN-Nachhaltigkeitszielen (Ziele –> Indikatoren) sehr nahe. Die Gesamtstrategie auf der Topebene bedarf naturgemäß einer regelmäßigen Reflexion.
Neue Gesamtstrategie: Bürger werden beteiligt
Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz hat auf der Habitat III Konferenz 2016 entsprechend angekündigt, dass Mannheim die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele nutzen wird, um in einem breiten Bürgerbeteiligungsprozess die neue Gesamtstrategie für die...