Aktuell gibt es weltweit über 9.000 zertifizierte B Corps. Die Dunkelziffer, also die Anzahl Unternehmen, die das kostenlose B Impact Assessment – kurz BIA – verwendet und auf die Zertifizierung verzichtet, könnte um ein Vielfaches höher sein. Doch auch diese Unternehmen messen sich mithilfe des Frameworks und wollen sich verbessern. Das BIA ist der Bewertungsrahmen für die Impactmessung entwickelt durch das B Lab, dem organisatorischen und inhaltlichen Non-Profit-Dach der B Corps.
Während die Bewegung in Deutschland trotz deutlich ansteigender Zahlen immer noch in den Kinderschuhen steckt, ist das Vereinigte Königreich deutlich weiter. 2022 hatte ich die Möglichkeit Andy Hawkins, freiberuflicher „B Leader“, bei einem Assessment mit mehreren Unternehmen virtuell über die Schulter zu blicken. Andy sitzt in Bristol, einer Stadt mit etwa 450.000 Einwohnern im Südwesten Englands. Von dort unterstützt er vorwiegend kleine und mittlere Betriebe beim B Impact Assessment. Das waren 2021 hundert, 2022 bereits zweihundert Organisationen. 2023 werden es wieder zweihundert sein. Er allein hat also seit 2021 ungefähr 500 Firmen dabei begleitet, ihr Geschäft anhand der B Corp-Nachhaltigkeitskriterien zu durchleuchten. In Relation zu den in Deutschland insgesamt 575 zertifizierten Organisationen ist das eindrucksvoll. UK ist der derzeit am stärksten wachsende B Corp-Markt. Seit November 2022 haben sich 1.000 weitere Unternehmen zertifizieren lassen. Das lässt sich auch auf lokaler Ebene beobachten. Andy sitzt der lokalen Bristol B Corp Community als Chairman vor. Er berichtet, dass beim letzten „PurposeFest“, dem jährlichen B Corp Event dieser Community mehr als 200 Firmenvertreter:innen anwesend waren. Und das, obwohl Bristol nur die vierte Kraft in UK hinter London, Manchester und Cornwall ist.
Dieser rasante Aufstieg der Bewegung hat einen Nebeneffekt: Wie Andy berichtet, entsteht innerhalb der Community eine Art Sub-Ökonomie. Braucht ein Mitglied eine Dienstleistung oder ein Produkt, so wird zuerst in der Community gesucht. Erst wenn diese Suche keine Ergebnisse liefert, wir das B Corp-Universum notgedrungen verlassen.
B Leader & Co. – die Rollen
Die Rolle der B Leader ist schon zweimal im Text gefallen. Die Auflösung hole ich jetzt nach. Im Grunde kann jeder zum B Leader werden. Egal, ob es sich um einen Berater handelt, einen Angestellten oder eine Gründerin von einem Unternehmen. Um diese Bezeichnung führen zu dürfen, ist das Absolvieren des B Leader Trainings Voraussetzung. Im Umgang mit der Rolle ist das B Lab sensibel. Der Dachgesellschaft B Lab ist es wichtig, dass es sich dabei um keine Zertifizierung im eigentlichen Sinn handelt und die B Leader das B Corp-Logo nicht in ihrer Kommunikation verwenden.
Um die Rolle des B Leaders abzurunden, fassen wir die vier wichtigsten Aufgaben beziehungsweise Möglichkeiten dahinter zusammen:
- Organisieren von Events und das Halten von Vorträgen
- Ihr eigenes Unternehmen bei der B Corp Zertifizierung unterstützen
- Andere Unternehmen beratend bei der B Corp Zertifizierung unterstützen
- Mitwirken in Kommunikationskampagnen
B Labs – das globale Netzwerk
Widmen wir uns den weiteren Akteuren des B Corp Movement, beginnend mit den B Labs. Wie die Mehrzahl bereits andeutet, gibt es mehrere von Ihnen. Ausgehend vom B Lab Global gibt es 10 weitere übergeordnete Organisationseinheiten. Darunter zum Beispiel B Lab Europe, B Lab Africa und mehrere Länder-Organisationen wie das B Lab Germany.
Erwähnenswert ist noch Sistema B, welches die Bezeichnung für das B Lab in Südamerika ist. Der andersartige Begriff lässt sich darauf zurückführen, dass die B Corp Präsenz in dieser Region aus einer ursprünglichen Kooperation entspringt und dieser beibehalten wurde.
Die Aufgaben der B Labs lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Koordination aller B Corp Akteure global und regional
- Entwicklung und Anpassung des BIA als eigenes Regulativ für Impactmessung
- Kontrolle und Bewertung der Unternehmens-Angaben im BIA und laufende Überwachung der Einhaltung der Standards endend in der Zertifizierung
- Lobbying im Sinne des B Corp Standards auf politischer Ebene
- Globale Markenführung
- Globale Steuerung der Marktkommunikation
Eine gewichtige Rolle innerhalb der B Labs spielen die Analysten. Sie sind es, mit denen sich Unternehmen im Rahmen der Zertifizierung auseinandersetzen müssen. Sie überprüfen die Angaben, stellen Rückfragen und bestätigen schließlich die eingereichte Bewertung oder passen diese an.
Der Kern der Bewegung – B Corps
Die Hauptakteure sind die zertifizierten B Corp-Unternehmen. Unter bcorper.mrcagney.works sind B Corps weltweit in einer Datenbank eingepflegt. Es lohnt sich, auf die eine oder andere Unternehmens-Website abzuspringen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was diese Organisationen bewegt. Daraus lässt sich eine gute erste Einschätzung treffen, ob das B Impact Assessment für das eigene Unternehmen einen Mehrwert liefern kann.
Das große Zugpferd ist zweifellos Patagonia. Das Unternehmen steht für Nachhaltigkeit wie kein anderes und hat, wie bereits im ersten Artikel der Serie erwähnt, zuletzt die Unternehmensanteile symbolisch dem Planeten überschrieben. Patagonia setzt damit um, was zum Beispiel das Deutsche Grundgesetz wie folgt beschreibt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Neben vielen anderen Unternehmen wie Tony Chocolonely, The Body Shop, Allbirds, Weleda (CH) oder Wildling (DE) steht Patagonia für verantwortungsvolles Unternehmertum. Was diese Unternehmen eint sind ihre Ambitionen für eine Wirtschaft, in der Profite und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sein müssen.
Hervorzuheben ist, dass viele dieser Beispiele ihr Engagement trotzt ihrer bereits existierenden Vorbild-Rolle noch steigern. So haben sich 2019 anlässlich der UN-Klimakonferenz über 500 B Corps freiwillig dazu verpflichtet, bereits bis 2030 CO2-neutral zu wirtschaften. Und damit 20 Jahre früher, als es das Pariser Abkommen vorsieht.
Zentraler Aspekt in der Kommunikation und Markenführung sind die zertifizierten B Corps. Die Praktiker werden hier in den Vordergrund gestellt. Neuankömmlinge im Movement werden begrüßt und die Geschichten der alten Hasen wiederholt erzählt. Abgerundet wird das Ganze durch Community Treffen, zu denen B Corps ihre Tore öffnen. Und wir erinnern uns an den Beginn dieses Artikels und an die Einblicke aus UK, wo die Community so stark gewachsen ist, dass sich eine kleine Subökonomie entwickelt hat.