Praxisbeispiel: So bringt Jobrad den Report ins Rollen
Bislang sind etwa 500 Unternehmen in Deutschland verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Mit der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden ab 2024 und in den Folgejahren allein in Deutschland etwa 15.000 Unternehmen über ihre Nachhaltigkeit berichten müssen. Viele Unternehmen entschließen sich bereits jetzt, freiwillig einen Nachhaltigkeitsreport zu erstellen. So wie die Jobrad-Gruppe in Freiburg. Andrea Schwendemann durfte im New-Work-Headquarter des Unternehmens Nachhaltigkeitsluft schnuppern. Ein Werkstattbericht mit Lerneffekt.
In fünf Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht
Einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, ist für viele Unternehmen eine große Herausforderung – auch für Jobrad. Wenn man diese große Aufgabe in kleine Steps gliedert, wird sie gleich überschaubarer. Der Mobilitätsdienstleister hat sich beim Erstellen des Reports über die Schulter schauen lassen – und teilt Erfahrungen und Learnings.
Vorüberlegungen
To Dos in dieser Projektphase:
- Kann der Nachhaltigkeitsbericht intern erstellt werden oder ist die Unterstützung durch eine externe Agentur sinnvoll?
- Welche Kolleginnen und Kollegen sollten in den Prozess involviert sein?
- Wann soll der Bericht veröffentlicht werden?
- Welche Zielgruppen soll der Bericht ansprechen?
- Welches Format soll der Nachhaltigkeitsbericht haben?
Und die vielleicht wichtigste Frage:
Möchten wir als Unternehmen auf einen Berichtsstandard zurückgreifen? Wenn ja, auf welchen?
Ein kurzer Überblick über drei gängige Berichtsstandards:
Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
- deutschsprachiger Raum
- niedrigschwelliger Einstieg in Berichterstattung
- geeignet für KMU
Global Reporting Initiative (GRI)
- umfangreiche Berichterstattung
- Berichterstattung in Orientierung oder Übereinstimmung mit den GRI Standards
European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
- neues EU-Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichte
- entwickelt von der EFRAG im Rahmen der CSRD
- mit der schrittweisen Einführung der CSRD werden die ESRS in Zukunft Anwendung finden
Das Vorgehen bei Jobrad
Bei Jobrad wurde für die Konzeption und Erstellung des Berichts ein Projekt ins Leben gerufen, das von der Nachhaltigkeitsreferentin geleitet wurde. Unterstützt wurde sie dabei von einem Werkstudenten. Das Kick-off-Meeting fand ein Jahr vor der Veröffentlichung statt. Danach begann ein interdisziplinäres Nachhaltigkeitsteam und Kolleginnen aus den Bereichen Produktmanagement, Personal, Vertrieb, Marketing, Gebäude- und Mobilitätsmanagement, Controlling, Leasing und Geschäftsführung mit der Arbeit. Jobrad hat sich von einer externen Agentur, die auf Nachhaltigkeitsberichterstattung spezialisiert ist, beraten und unterstützen lassen.
Jobrad hat sich entschieden, nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) zu veröffentlichen. Der Nachhaltigkeitsbericht soll als PDF erscheinen.
Zielgruppe(n) des Jobrad-Nachhaltigkeitsberichts sind sowohl interne als auch externe Anspruchsgruppen.
Lessons Learned bei Jobrad:
Beginnen Sie frühzeitig mit den ersten Überlegungen. Es gilt, viele Entscheidungen zu treffen, konzeptionelle Arbeit zu leisten und viele Kolleginnen und Kollegen einzubinden. Das braucht Zeit.
Wesentlichkeitsanalyse durchführen
To Dos in dieser Projektphase:
- Ermittlung und Bewertung interner und externer Nachhaltigkeitsthemen
- Erstellung einer Bewertungslogik
- Feststellung der Nachhaltigkeitsthemen, die in die Wesentlichkeitsanalyse einfließen sollen
- Austausch dieser Themen mit den involvierten Fachkolleginnen und -kollegen und gegebenenfalls externen Zielgruppen und/oder Expertinnen und Experten
Das Vorgehen bei Jobrad:
Im Berichtsjahr hat Jobrad eine Wesentlichkeitsanalyse mit dem Ziel durchgeführt, relevante Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und deren Management strategisch auszurichten. Dazu wurden interne Anspruchsgruppen – Jobrad-Beschäftigte und Mitglieder der Geschäftsführung – über Gespräche und Umfragen einbezogen. Darüber hinaus hat Jobrad die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft von externen Experten bewerten lassen. Im Anschluss hat das Unternehmen die Geschäftsrelevanz der identifizierten Nachhaltigkeitsthemen mit dem Projektteam und einem Mitglied der Geschäftsführung diskutiert und validiert. Als besonders wesentlich wurden jene Themen bestimmt, die nun dem Nachhaltigkeitsbericht zugrunde liegen (siehe Jobrad-Wesentlichkeitsmatrix). Davon sind sieben besonders relevant für eine Berichterstattung im Sinne der Global Reporting Initiative sowie in Vorbereitung auf die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Lessons Learned bei Jobrad:
Die Wesentlichkeitsanalyse – auch Materialitätsanalyse genannt – ist die Basis unserer Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie dient dazu, relevante Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren und unser Handeln danach auszurichten. Deshalb war es für uns effizient und hilfreich, diesen Prozess in einem Workshop mit allen Beteiligten (Projektteam, Geschäftsführung, und Experten), den die externe Agentur angeleitet hat, durchzuführen.
Christel Nelius, Nachhaltigkeitsreferentin bei Jobrad
Daten und Fakten recherchieren
To Dos in dieser Projektphase:
- Für den Nachhaltigkeitsbericht relevante Daten und Fakten ermitteln
- Templates bzw. Fragebögen für die Datenerfassung erstellen und an die zuständigen Fachkolleginnen und -kollegen weitergeben
- Deadline für Rückgabe der Templates bzw. Fragebögen festlegen
- Auswertung, Aufbereitung und Interpretation der Daten
Das Vorgehen bei Jobrad:
Zuverlässige Informationen, Daten und Kennzahlen sind die Basis eines Nachhaltigkeitsberichts. Die externe Agentur hat Jobrad Templates für die Datenerfassung zur Verfügung gestellt. Den Themen wurden „Paten“, also Fachkolleginnen und -kollegen, zugeordnet, die diese ausfüllen sollten.
In dieser Phase der Berichterstattung war die große Herausforderung für alle wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen Daten zu recherchieren. Dies war teils aufwendig und an einigen Stellen fehlten relevante Daten.
Lessons Learned bei Jobrad:
Sich nachhaltig zu orientieren, ist ein kontinuierlicher Prozess und kein Selbstläufer. Beim Thema nachhaltige Lieferketten, die wir im Nachhaltigkeitsbericht auch beleuchten, stehen wir beispielsweise noch am Anfang. Wir wissen zwar, wie viel CO2 wir direkt und indirekt emittieren – und erfreulicherweise sind unsere sogenannten Scope-1- und Scope-2-Emissionen vergleichsweise gering. Den CO2-Ausstoß entlang unserer Wertschöpfungskette (Scope 3) können wir derzeit aber noch nicht ermitteln. Der Nachhaltigkeitsbericht hilft, sich dieser Mammutaufgabe gemeinsam mit unseren Partnern der Fahrradindustrie zu stellen.
Texte und Layout erstellen
To Dos in dieser Projektphase:
- Text- und Layout-Erstellung in der Tonalität des Unternehmens
- Feedback- und Korrekturschleifen mit den beteiligten Personen und Fachpersonen einplanen
Das Vorgehen bei Jobrad:
Die externe Agentur hat auf der Basis der Datentemplates Texte erstellt und kapitelweise zur Abstimmung an Jobrad gegeben. Fachkollegen und Fachkolleginnen sowie das Kommunikationsteam haben die Texte inhaltlich überprüft und überarbeitet. Im Anschluss an die Redaktionsarbeit folgte die Layout-Erstellung, mit der auch die externe Agentur beauftragt war.
Lessons Learned bei Jobrad:
Wir haben unternehmensweit erstmals alle Nachhaltigkeitsaktivitäten gebündelt und zusammengeschrieben sowie Daten gesammelt und an einem Ort erfasst. Das ist aufwendig, denn nach der Datenerhebung müssen die Zahlen und Fakten in Texte überführt bzw. eingearbeitet und im Layout umgesetzt werden. Da sehr viele Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Teams mitgearbeitet haben, gab es mehr Abstimmungsrunden und Freigabeschleifen, als erwartet.
Christel Nelius, Nachhaltigkeitsreferentin bei der JobRad GmbH
Der Bericht liegt vor: und jetzt?
To Dos in dieser Projektphase:
- Nachhaltigkeitsbericht durch Pressearbeit und weitere Kommunikationsmaßnahmen an interne und externe Anspruchsgruppen herantragen
- Berichtserstellungsprozesse evaluieren
- Planung für die kommende Nachhaltigkeitsberichterstattung
Das Vorgehen bei Jobrad:
Nach der Fertigstellung des Nachhaltigkeitsberichts hat Jobrad die internen und externen Prozesse evaluiert. Mit dem Kommunikationsteam sind die Inhalte auf unterschiedlichen Kanälen publiziert worden.
Lessons Learned bei Jobrad:
Der erste Nachhaltigkeitsbericht ist für alle Organisationen eine Herausforderung. Die Erstellung kostet Zeit und Geld und bindet Kapazitäten. Doch der Aufwand lohnt sich, denn wir haben jetzt eine Standortbestimmung: An welchen Stellen sind wir bereits gut? Wo können wir noch besser werden? Wir können nun unsere Nachhaltigkeitsziele konkret für unsere Organisation aufstellen und strukturiert umsetzen. Zum Beispiel, bis zum Jahr 2025 ein Leuchtturm für nachhaltige Dienstleistungen zu sein. Ich kann nur allen Organisationen, die sich dieser Aufgabe freiwillig stellen wollen, nur zuraten: einfach machen.
Andrea Kurz, Geschäftsführerin Jobrad
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