Mittagsschlaf im Büro

In der japanischen Arbeitskultur wird das kurze Büroschläfchen „Inemuri“ genannt und ist gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar positiv angesehen. Könnte dieses „Power-Napping“ auch für westliche Unternehmen wegweisend sein? Ein schwedischer Einrichtungskonzern hat das japanische Mittagsschläfchen bereits in sein betriebliches Gesundheitsmanagement integriert.

Voller Arbeitseinsatz ist in der japanischen Arbeitswelt eine tägliche Selbstverständlichkeit. Viele Arbeitnehmer bleiben oft länger im Büro als ihr Chef, selbst wenn das bedeutet, bis 23 Uhr zu arbeiten. Verpassen sie anschließend den letzten Zug nach Hause, übernachten sie einfach im Büro. Wie halten Japans Beschäftigte das auf Dauer gesundheitlich aus?

Mittagsschlaf im Büro

Eine Erklärung hierfür könnte der „Inemuri“ sein. Damit wird ein Nickerchen während des Tages bezeichnet, in Neudeutsch also ein „Power-Napping“. Übersetzt bedeutet es so viel wie „anwesend sein und schlafen“. Das Wort bezieht sich dabei gleich auf zwei Eigenschaften des Inemuri: Die Beschäftigten halten ihr Inemuri auf dem Weg von und zur Arbeit oder mitten während der Arbeitszeit, manchmal sogar in Meetings und Besprechungen. Das funktioniert nur, weil das Schläfchen nicht nur toleriert, sondern sogar sehr positiv angesehen wird. Wer am Bürotisch kurz einschläft, zeigt nach japanischem Verständnis, dass er zuvor besonders intensiv und effektiv gearbeitet hat. Das Schläfchen kann aber auch andere Bedeutungen haben. Ein Vorgesetzter signalisiert damit zum Beispiel in einem Meeting, dass er sich zu wichtig für das Treffen fühlt oder die Diskussion als sinnlos oder unergiebig erachtet.

Japaner dennoch übermüdet

Leider aber kompensiert der Inemuri nur ein erhebliches Schlafproblem in der japanischen Arbeitswelt. Japanische Arbeitnehmer bekommen nachts deutlich weniger Schlaf als Beschäftigte in Europa. Einer von der japanischen Regierung 2023 veröffentlichte Studie zufolge schlafen 45,5 % der Berufstätigen in Japan weniger als sechs Stunden pro Nacht. Dies hat auch Folgen für Japans Unternehmen: 2022 gab es einen Rekord von 710 Entschädigungsfällen im Zusammenhang mit überarbeitungsbedingten psychischen Störungen aufgrund von Schlafmangel, die im Extremfall zu Suizid führten. 

Aufrechte Schlafkabinen

Trotz der gesellschaftlichen Akzeptanz des Nickerchens ist es aber verpönt, im Liegen zu schlafen. Nur stehend oder aufrecht am Tisch sitzend darf das Power-Napping vollzogen werden. Um hierfür mehr Bequemlichkeit zu schaffen, haben zwei japanische Möbeldesignunternehmen aufrechte Schlafkabinen entwickelt, in der Angestellte im Stehen, aber diskret und relativ bequem ein Schläfchen einlegen können. Im Innern verfügt der abgerundete Schrank über Stützen für Knie, Kopf und Hüften, sodass für die Beschäftigten trotz der aufrechten Haltung eine erholsame und gesundheitsfördernde Schlafstellung möglich ist. Das Produkt ist noch sehr neu und inwieweit es hierfür bereits viele Abnehmer unter Japans Unternehmen gibt, ist bislang unbekannt.

Pionier in Europa

In Europa ist das schwedische Einrichtungskonzern Ikea das erste Unternehmen, welches das japanische Konzept der Arbeitserholung zumindest teilweise übernommen hat. Dabei will es aber das Nickerchen am Arbeitsplatz auf eine gesündere und ergonomischere Basis als im Ursprungsland stellen. Die Beschäftigten erhalten vom Konzern eigens entwickelte Schulungsmaßnahmen für einen gesunden Schlaf. 2019 wurden am Standort im niederrheinischen Kaarst die ersten Schlafkojen eingerichtet, in welche die Beschäftigten sich in ihren Mittagspausen legen können. Dieses Konzept wurde mittlerweile an vielen Ikea-Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz umgesetzt.
 


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