Der Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit 3.7.2000 als Arbeiter beschäftigt. Bis Oktober 2015 wurde er auf dem Bauhof eingesetzt. Zuletzt war er auf dem von der Beklagten unterhaltenen Eigenbetrieb Campingplatz und K… Seenbäder tätig. Bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 ist der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Der Fall: Der Arbeitnehmer will seinen Arbeitgeber zur Durchführung eines BEM verpflichten
Im Jahr 2018 war der Kläger an insgesamt 122 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in der Zeit vom 1.1.2019 bis 25.8.2019 an 86 Tagen. Mit Schreiben seines Anwalts ließ er die Durchführung eines BEM beantragen. Dieser Antrag wurde seitens des Bürgermeisters der Beklagten abgelehnt.
Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht. Er vertritt die Auffassung, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Durchführung des BEM gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben. Selbst wenn man davon ausgehen solle, dass es sich bei den dort geregelten Verpflichtungen des Arbeitgebers um öffentlich-rechtliche Pflichten handele, stellten diese gleichwohl echte Rechtspflichten dar, die jedenfalls im Rahmen vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitgeber und vorliegend durch die Beklagte zu berücksichtigen seien.
LAG: Es gibt keinen einklagbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf die Durchführung eines BEM
Nachdem bereits das ArbG die Klage abgewiesen hat, wies auch das LAG die Klage ab (Az. 5 Sa 117/20).
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich danach nicht direkt aus § 167 Abs. 2 SGB IX. Ein solcher Anspruch ist für den Arbeitnehmer dort nicht formuliert. Vielmehr richtet sich das Gesetz an dieser Stelle an den Arbeitgeber und verpflichtet diesen, mit den zuständigen Interessenvertretungen und der betroffenen Person ein BEM durchzuführen.
Dem § 167 SGB IX ist zwar zu entnehmen, dass eine Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers vorhanden ist, allerdings sind in der Norm selbst keine Rechtsfolgen vorgesehen, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Bei der Regelung des § 167 SGB IX handelt es sich zwar nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift mit bloßen Appellcharakter, dessen Missachtung in jedem Fall folgenlos bliebt, sondern es handelt sich um eine Verfahrensverpflichtung des Arbeitgebers, die Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist.
Insoweit bestehe - so das LAG - auch überwiegend Einigkeit, dass eine Missachtung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall folgenlos bleibt. Die Beschäftigten können eine Pflichtverletzung oder ein Unterlassen des Arbeitgebers im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren oder beim Streit über den Inhalt des Weisungsrechts des Arbeitgebers erfolgreich thematisieren (so z.B. auch das BAG, Urteil vom 10.12.2009, Az. 2 AZR 400/08).
Einen ausdrücklichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung eines BEM hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Anders verhält es sich jedoch für die Mitarbeitervertretungen. Diesen ist in § 167 Abs. 2 S. 6 SGB IX ein durchsetzbares Initiativrecht ausdrücklich zugebilligt worden.
Folgen für die Betriebspraxis: Der Mitarbeiter kann ein BEM nicht erzwingen, der Betriebsrat schon!
Das LAG klärt damit eine bislang manchmal umstrittene Rechtsfrage. Hat der Arbeitgeber - aus welchen Gründen auch immer - kein Interesse daran, ein BEM durchzuführen, so muss er dieses auch dann nicht machen, wenn es der Arbeitnehmer ausdrücklich wünscht. Dem Arbeitgeber muss aber dann auch bewusst sein, dass eine möglicherweise ins Auge gefasste Kündigung wegen der vielfältigen Erkrankungen des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung kaum noch durchsetzbar ist.
Wendet sich der Arbeitnehmer dagegen an den Betriebs- oder Personalrat und bittet diesen um Unterstützung, können diese Gremien ihr Initiativrecht ausüben und ein BEM-Verfahren erzwingen.
Warum ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagement notwendig?