Der Kläger betreibt ein Pflegezentrum mit 111 Plätzen für Kurzzeit- und Dauerpflege. Schwerpunktmäßig werden Menschen mit Demenzerkrankungen versorgt; im ausgelagerten Wohnbereich werden 19 Personen mit schweren Schädel-/Hirnverletzungen betreut.
Hygieneplan für die Reinigung der Arbeitskleidung
Nach dem Hygieneplan des Klägers besteht die Arbeitskleidung der Pflegekräfte aus Hose, T-Shirt oder Polo-Shirt sowie Kasack. Sie muss waschbar bei 60°C sein und die darunter getragene Privatkleidung der Pflegekräfte vor Kontamination schützen. Die Arbeitskleidung ist bei mindestens 60°C von den Mitarbeitern selbst zu reinigen.
Bei Kontakt mit infektiösen Bewohnern bzw. einem Verdacht darauf und bei ersichtlicher Verschmutzung wird die Arbeitskleidung in einem geschlossenen Behältnis aufbewahrt und von einer Wäscherei in einem desinfizierenden Waschverfahren gereinigt. Bei der Pflege eines infektiösen bzw. infektionsverdächtigen Bewohners wird eine besondere Schutzkleidung getragen, die aus Einwegschutzschürze und Einmalhandschuhen besteht.
Zwischen den Beteiligten ist seit Jahren streitig, ob die Arbeitskleidung der Pflegekräfte vom Kläger oder von den Pflegekräften zu reinigen ist. Nachdem darüber keine Einigung erzielt werden konnte, erließ das Planungs- und Baurechtsamt der Beklagten die hier umstrittene hygienerechtliche Anordnung und verfügte, dass die Arbeitskleidung von den Mitarbeitern des Klägers nicht mit nach Hause genommen und dort gereinigt werden darf.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, der zurückgewiesen worden ist. Auch seine Klage vor dem VG Stuttgart bleib erfolglos (Urteil vom 09.11.2017, Az. 4 K 4634/15).
VGH: Hygieneplan verstößt gegen rechtliche Vorschriften
Wie das VG ist auch der VGH (Az. VGH 6 S 1589/18) der Auffassung, dass die im Hygieneplan des Klägers getroffene Regelung, wonach die Beschäftigten die Arbeitskleidung selbst zu waschen haben, gegen § 9 Abs. 3 Nr. 5 BioStoffV verstößt. Danach hat der Arbeitgeber Schutzausrüstung und Schutzkleidung zu reinigen und zu warten. Hier liegt nicht nur bloße Arbeitskleidung, sondern Schutzkleidung vor.
Das VG hat rechtmäßig auf den Hygieneplan des Klägers abgestellt, der bei allen am Bewohner durchgeführten pflegerischen Tätigkeiten Schutzkleidung (Einwegschürzen) vorschreibt. Diese überdeckt jedoch die Arbeitskleidung nicht lückenlos, sondern lässt Ärmel vollständig und die Hosen im unteren Bereich frei. Damit liegt auf der Hand, dass jederzeit - auch bei Tragen der Einwegschürze - eine Kontamination der Kleidung des Beschäftigten möglich ist.
Zudem verstößt der Kläger gegen § 9 Abs. 3 Nr. 6 BioStoffV, weil er nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die persönliche Schutzausrüstung einschließlich Schutzkleidung beim Verlassen des Arbeitsplatzes sicher abgelegt und getrennt von anderen Kleidungsstücken aufbewahrt werden kann. Im Hygieneplan findet sich hierzu lediglich der Hinweis, dass die Kleidung in der Regel jeden zweiten Tag gewechselt wird und bei 60 Grad waschbar sein bzw. bei „mind. 60 Grad“ aufbereitet werden muss.
TRBA 250 wirkt wie ein Sachverständigengutachten
Das ergibt sich auch unter Heranziehung der Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege (TRBA 250, GMBl. 2014, Nr. 10/11 vom 27.03.2014, zuletzt geändert am 02.05.2018, GMBl. Nr. 15). Als technisches Regelwerk kommt der TRBA 250 die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens zu und darf als Orientierungshilfe herangezogen werden.
Nach Ziff. 1.1 findet die TRBA 250 Anwendung auf Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Bereichen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege, in denen Menschen medizinisch untersucht, behandelt oder gepflegt werden und Beschäftigte durch diese (nicht gezielten) Tätigkeiten in Kontakt kommen können. Exemplarisch werden unter Ziff. 1.3 Arbeitsbereiche der stationären Alten- und Krankenpflege genannt.
Die Pflege umfasst nach Ziff. 2.3 alle Hilfeleistungen am Patienten bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, bei denen Kontakte zu Krankheitserregern bestehen können. Potenziell infektiöses Material ist Material, das Krankheitserreger enthalten und bei entsprechender Exposition zu einer Infektion führen kann. Dabei handelt es sich erfahrungsgemäß um Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen und -gewebe (Ziff. 2.6 TRBA 250). Hierunter fällt die vom Kläger betriebene Pflegeeinrichtung, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Potenzielle Kontamination entscheidend
Der VGH teilt die Auffassung des VG, dass es auf die Potenzialität der Kontamination der Berufskleidung mit Krankheitserregern ankommt. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 8 Abs. 2 RL 2000/54/EG. Dort heißt es, dass Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung, einschließlich Schutzkleidung, die möglicherweise durch biologische Arbeitsstoffe kontaminiert wurde, bei Verlassen des Arbeitsbereichs abzulegen und vor Durchführung der zu ergreifenden Maßnahmen getrennt von anderen Kleidungsstücken aufzubewahren sind.
Mit dieser Vorschrift korrespondiert Ziff. 3.2.1 TRBA 250, wonach bei Tätigkeiten, bei denen u.a. Kontakte zu Körperflüssigkeiten stattfinden, mit der Möglichkeit des Vorhandenseins relevanter Krankheitserreger gerechnet werden muss, soweit keine anderen Erkenntnisse vorliegen. Im Rahmen der Schutzstufenzuordnung wird sogar auf eine doppelte Potenzialität hingewiesen, wonach der mögliche Kontakt zu potenziell infektiösem Material ausschlaggebend für die Zuordnung zu einer bestimmten Schutzstufe ist.
Praxistipp: Hygienerechtliche Anordnung als Folge mangelnder Sicherstellung der Anforderungen des Hygieneplans
Abschließend weist der VGH noch darauf hin, dass unabhängig vom Vorliegen einer potenziellen Gefährdung der pflegebedürftigen Menschen die hygienerechtliche Anordnung der Beklagten bereits deshalb gerechtfertigt war, weil der Kläger gar nicht in der Lage sei, sicherzustellen, dass die einschlägigen Hygieneanforderungen eingehalten werden. Es sei ihm schlichtweg nicht möglich, zu gewährleisten, dass die Beschäftigten die Arbeitskleidung bei 60 Grad in der häuslichen Waschmaschine waschen. Bei dieser Sichtweise könne der Kläger seine Aufsichtspflicht in diesem sensiblen Hygienebereich nicht hinreichend wahrnehmen. Er vertraut lediglich auf die ordnungsgemäße Reinigung durch seine Beschäftigten. Das aber reiche nicht aus.
Pflegeheime stehen nicht erst seit der COVID-Pandemie unter der besonderen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Der hier betroffene Betreiber wendete ein, die Auflägen würden zu einem „aufwändigen, kostentreibenden Verfahren“ führen. Sparsamkeit auf Basis spitzfindiger Differenzierungen bei der Frage, wann Arbeits- oder Schutzkleidung vorliege und des „Outsourcings“ der Reinigung von Berufskleidung in die heimische Waschmaschine des Arbeitnehmers hat aber in Pflegeheimen nichts zu suchen.