Ganzheitliche Business Process Excellence schlägt reine Produktionsoptimierung


Business Process Excellence statt reiner Produktionsoptimierung

Ganzheitliche Prozessverbesserung ist effektiver als Bereichsoptimierung. Deshalb hat die SGL Carbon ihre Excellence-Initiative von der Produktion auf das ganze Unternehmen ausgeweitet. Dabei müssen Führungskräfte den Erfolg durch Coaching, Transparenz und Kommunikation aktiv unterstützen – und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Dabei ist Pragmatismus wichtiger als Perfektion.

Operational Excellence & Six Sigma als Ausgangspunkt

In der Absicht, exzellente Prozessstrukturen zu erhalten, starten zahlreiche Unternehmen oft bei ihren operativen Vorgängen in der Produktion, da hier augenscheinlich der größte Wert im Unternehmen direkt generiert wird. Einen ähnlichen Ansatz wählte seit dem Jahr 2002 die SGL Carbon, ein Produzent von kohlenstoffbasierten Produkterzeugnissen. Im ersten Schritt ihres Exzellenzprogramms baute die SGL Carbon vor allem auf das Six Sigma-Konzept, um die generelle Qualität als auch die Kosten im Bereich der direkten Herstellung zu optimieren. Zu diesem Zeitpunkt war es zunächst wichtig Mitarbeiterakzeptanz zu generieren und Kosten zu senken. Der zweite Schritt des Unterfangens zielte darauf ab, neue Prozesse auf Basis der Lean und Six Sigma Methodik zu entwickeln. Wie Frau Dr. Karin Born, verantwortliche Leiterin der konzernweiten Initiative „Business Process Excellence“ der SGL Carbon in ihrem Vortrag „Von Six Sigma in der Produktion zu ganzheitlicher Business Process Excellence – ein steiniger Weg“ jedoch erläuterte, war die jahrelange Konzentration allein auf den Teilbereich der Produktion im Rückblick nicht nur positiv. Eine zu starke Fokussierung auf eine einzelne Abteilung konnte zur Vernachlässigung zahlreicher Potenziale in anderen Funktionsbereichen des Unternehmens führen. Dadurch wurden auch Chancen zur bereichsübergreifenden Effizienzsteigerung nicht wahrgenommen.

Entwicklung hin zur Business Process Excellence

Wie Frau Dr. Born erklärte, wurde dieser Umstand letztendlich mit Beginn des konzernweiten Programmes „Business Process Excellence (BPX)“ im Jahr 2014 angegangen. Ziel war es Prozesse bereichsübergreifend zu harmonisieren und zu optimieren, um so eine optimale ganzheitliche Wertschöpfung zu erreichen. Dies geschah nun jedoch nicht mehr mit einem konzentrierten Augenmerk auf Nutzung von Lean und Six Sigma. In einem ersten Aufschlag wurden Einkauf, Supply Chain Management und Vertrieb in den Fokus genommen. Zu Beginn wurden bestehende als auch fehlende Herangehensweisen kritisch evaluiert. Dies führte im Bereich des Vertriebs unter anderem zu Zeitaufwendungsanalysen der durchschnittlichen Vertriebsprozesse oder der Entwicklung eines Sales Funnels, um das Targeting von Endkunden optimal zu gestalten. Die seit 2014 umgesetzte Einführung der BPX Initiative verlief und verläuft auch weiterhin jedoch nicht nur reibungslos, wie Frau Dr. Born kritisch darlegte. Vielmehr stand das Projekt vor zahlreichen Hindernissen, wie fehlenden Prozessgrundlagen, falschen Daten, falsch oder schlecht genutzten Systemen oder unklaren Verantwortlichkeiten, wie sie bei einem Organizational Change häufig zu Tage kommen. Wichtig zur Bewältigung dieser Herausforderungen waren unter anderem drei Faktoren, welche im Nachgang vorgestellt werden.

Coaching als Grundlage für Erfolg

Zur Umstellung von wichtigen Elementen und Prozessen des operativen Geschäfts nützen generelle Standardisierungen und Optimierungen nichts, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte nicht durch ein ordentlichen On-Boarding und weiterführendes Coaching abgeholt werden. Bei der SGL Carbon bedeutet dies zum Beispiel, dass für neu eingeführte, SAP gestützte Einkaufsprozesse detaillierte, aber gleichzeitig pragmatische Schulungsunterlagen beziehungsweise Arbeitsanweisungen formuliert und zentral zugänglich gemacht wurden. Die zugrundeliegende Logik für diesen Schritt lag darin, dass man, wie Frau Dr. Born ausführte, „auch keinen Produktionsmitarbeiter ohne Erklärung an einer Maschine arbeiten lassen würde“.

Transparenz als Schlüssel zur Steuerung

Ebenso wichtig war für die SGL Carbon die Schaffung von Transparenz durch einheitliche Datenquellen mit eindeutig definierten Kennzahlen. Zahlreiche lokale Excel-Systeme wurden durch SAP als zentrales System abgelöst. Bezüglich der Kennzahlen ist zu beachten, dass diese wie viele Lösungen auf die Bedürfnisse und Ziele des eigenen Unternehmens konzipiert sein sollten und nicht in purer standardisierter Form blind angewendet werden dürfen. Durch die Anwendung von Messgrößen war es für die SGL Carbon möglich, bis dato unbekannte Problemfeldern aber auch Potenziale aufzudecken und greifbar zu machen. In Kombination mit zunächst einfach angepassten Reports konnte so ein Überblick über die aktuelle Performance sowie die Entwicklung der Prozessoptimierungen geschaffen werden. In dieser Hinsicht waren Transparenz und Prozesssteuerung mit Hilfe von zentral definiertem Datenmanagement und Kennzahlen ein wichtiger Faktor, um Fehlerquellen zu ermitteln und gleichzeitig Abweichungen während des Fortgangs des BPX-Programmes zu verfolgen.

Die Rolle von Kommunikation & Leadership

Als letzten, jedoch nicht minder wichtigen, Faktor benannte Frau Dr. Born, dass Führungskräfte die Veränderungen und das Change Management aktiv angehen und selbst leben, anstatt „von oben herab“ Aufgaben an Mitarbeiter lediglich zu delegieren. Der Effekt, wenn Mitarbeiter erkennen, dass auch Programmleiter sich nicht zu schade für einfachste Tätigkeiten im Rahmen einer Veränderung sind, wie zum Beispiel neue Prozesse selber in SAP testen oder Originaldaten selber auswerten, sollte hierbei keinesfalls unterschätzt werden. Zeitgleich sollten Verantwortliche von Change Management-Projekten eine offene und aktive Kommunikation pflegen und so durch Methoden wie Blogs über aktuelle Entwicklungen informieren.

Pragmatismus vor Perfektion

Letztendlich ist zu sagen, dass in der Veränderung von Prozessen und einem aktiven Change Management öfter das Prinzip „Pragmatismus über Komplexität“ zu gelten hat. So ist es besser einen nicht vollkommen ausgereiften Kommunikationsmechanismus zu etablieren und zu nutzen anstatt gar keinen anzuwenden und längerfristig zu warten, bis die bestmögliche Lösung gefunden ist.

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