Coronakrise: Die Stunde der Controller!
In der Krise sind die zentralen Kompetenzen der Controller gefragt.
Jede Krise birgt Chancen und Risiken und jede Krise produziert Gewinner und Verlierer. Gerade Controller haben das Potenzial, durch die Krise ihre Bedeutung im Unternehmen weiter zu steigern und so zu den Gewinnern zu zählen. Das war schon in der Finanz- und Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren so, das gilt auch heute. Pointiert formuliert: Wem es in einer solchen Situation nicht gelingt, als Business Partner auf Augenhöhe des Managements wahrgenommen zu werden, der schafft es nie!
Warum ist das so? Nun, in der Krise sind die zentralen Kompetenzen der Controller gefragt:
- Im Reporting die Auswirkungen der Krise auf Ergebnis und Cash zeitnah zu berichten und Implikationen – (besonders) kritische Entwicklungen – aufzuzeigen.
- Durch gutes Cash Management eine ausreichende Liquidität sicherzustellen.
- Auf der Basis einer intimen Kenntnis der Kostenstrukturen Einsparpotenziale zu erkennen und die Investitionen zu identifizieren, die am ehesten auf die lange Bank geschoben werden können.
- Nicht zuletzt: Den Fokus auf das Wesentliche sicherzustellen!
Und auch wenn bei dem aktuellen Handlungsdruck noch kaum jemand daran denkt, bietet sich in der Krise doch die Gelegenheit, bestehende Instrumente zu stärken – z.B. nicht mehr zuzulassen, dass sie nur als Alibi zur Bestätigung vorgefasster Meinungen verwendet werden – und neue Methoden einzuführen; ein systematisches Cash-Management mag genauso dazu zählen wie Simulationen. Mit all dem kann der Controller in der Krise ein wertvoller Ratgeber des Managements und nicht zuletzt zentraler Bestandteil eines Krisenreaktionsteams sein.
Abweichungsanalyse ade: Controller müssen die Prioritäten ändern
Aber Vorsicht, Controller können auch viel falsch machen: Wer in der aktuellen Situation weiter viel Zeit und Energie darauf verwendet, Ist-Zahlen mit dem längst obsoleten Forecast zu vergleichen, wird sich kaum als Business Partner in der Krise positionieren können. Im Krisengewitter gilt es im ersten Schritt, alte Planwerte und Forecasts schnell ad acta zu legen und mit möglichst aktuellen Istwerten auf Sicht zu steuern. Daneben wird es in der Regel Sinn machen, die Granularität von Bericht und Forecast in Frage zu stellen und ggf. radikal zu reduzieren.
Und ein weiterer Punkt ist uns sehr wichtig: Controller sollten aktuell nicht nur auf die negativen Entwicklungen und Probleme schauen, sondern auch die Chancen in der Krise identifizieren und dafür Sorge tragen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um diese auch zu nutzen. Die gute Nachricht: Das scheint durchaus zu passieren. So zeigt die aktuelle Blitzumfrage des WHU Controller Panels zum Thema Krise, dass ungefähr die Hälfte der befragten Controller und Finanzvorstände in der Krise auch eine Chance für ihr Unternehmen sieht.
Effektives Krisenmanagement erleichtert die Orientierung auf Chancen
Mit all dem können die Controller ihr Standing weiter verbessern. Damit muss es aber nicht getan sein. Auch in der Zeit nach Corona winkt eine große Chance für den Berufsstand. So wird die aktuelle Krise vermutlich die Bereitschaft erhöhen, in die bessere Vorbereitung zukünftiger Krisen zu investieren. Genau hier sind wieder Controller gefragt! Und wenn nicht, müssen sie dafür kämpfen, dass der Vorbereitung auf zukünftige Krisen auch der gebührende Raum eingeräumt wird. Ein Befund aus der aktuellen Blitzumfrage des WHU Controller Panels bringt das Argument auf den Punkt: Unternehmen mit einem effektiven Krisenmanagement sind gleichzeitig durch eine höhere Chancenorientierung in der Krise, aber eben auch durch eine bessere Vorbereitung auf die Krise charakterisiert. Eine Einsicht, die in den vielen fetten Jahren nicht gänzlich verloren gegangen ist, aber doch im Alltag regelmäßig zu kurz kam. Dabei können Controller gerade hier viel zur Party beitragen, etwa, wenn es darum geht, die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) des Unternehmens zu erhöhen und die Balance aus kurzfristiger Effizienz, Flexibilität und digitaler Transformation neu auszutarieren.
Resilienz erfordert auch ein gutes Risikomanagement
Resilienz erfordert einen fitten Körper. Das darf aber nicht mit einer Maximierung der Effizienz oder – um im Bild zu bleiben – einer Minimierung des Körpergewichts verwechselt werden. Nein, es gilt das rechte Maß zu finden und sicherzustellen, dass genügend Puffer („slack“) vorhanden sind, um auch mal eine Durststrecke ohne fremde Hilfe zu überstehen. Lieferketten und Produktionsstrukturen müssen durch den Aufbau paralleler Strukturen den Ausfall einzelner Elemente verkraften können, auch wenn dies zu Lasten von kurzfristiger Effizienz geht. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen auf Gedeih und Verderb auf einzelne Lieferanten oder Produktionsstätten angewiesen ist. Was aber kostet das? Wieviel Parallelstruktur, wieviel Sicherheitslager kann ich mir leisten? Genau hier ist wieder der Controller mit seinen Analysen gefragt!
Gerade das Management von strategischen Risiken wird vielfach vernachlässigt.
Resilienz erfordert neben einem angemessenen Puffer und struktureller Flexibilität in Produktion und Lieferkette aber auch ein gutes Risikomanagement. Viel zu häufig ist dieses auf das Reporting von Risiken und die Compliance, also die Einhaltung von Regeln reduziert. Viel zu häufig wird es eher als Pflichtübung und Papiertiger verstanden, das gerne auch an Risikomanager delegiert wird und nur eingeschränkt die Aufmerksamkeit des obersten Managements genießt. Gerade das Management von strategischen Risiken, also Risiken, die sich unmittelbar aus der Umsetzung des Geschäftsmodells ergeben, wird vielfach vernachlässigt. Die Vorbereitung auf externe Schocks wie Corona und die damit verbundenen systemischen Risiken allemal. Auch hier könnten Controller mit ihrer Expertise viel beitragen, etwa indem sie sicherstellen, dass Szenario-Analysen und Stresstests, die diesen Namen auch verdienen, ausreichender Raum gegeben wird.
Notfallpläne für unwahrscheinliche Konstellationen und Systembrüche trainieren
Dazu wird es im ersten Schritt häufig erforderlich sein, mit einem falschen Verständnis solcher Analysen aufzuräumen. Es geht nämlich nicht darum zu prognostizieren, was genau in Zukunft passieren und deshalb zu tun sein wird. Es geht auch nicht darum, eine anstehende unternehmerische Entscheidung durch die ergänzende Betrachtung von Best und Worst Cases abzusichern. Vielmehr muss es das Ziel der Übung sein, den Umgang mit unwahrscheinlichen Konstellationen bzw. Systembrüchen und das erforderliche Aufstellen von Notfallplänen zu trainieren. Das Management soll lernen, scheinbar selbstverständliche Zusammenhänge bewusst in Frage zu stellen und die Illusion der Sicherheit zu überwinden, die von Plan- und Prognosewerten regelmäßig vermittelt wird. Keine ganz einfache Aufgabe und auch für viele Controller mag der Umgang mit solchen strategischen Themen eher Neuland sein. Eine Chance für den Controller als Business Partner liegt hier aber allemal.
Transparenz, Zielorientierung und individuelle Verantwortung sind unverzichtbare Kulturbestandteile
Und vielleicht noch ein letzter Aspekt: Resilienz erfordert Puffer, Flexibilität in Produktion und Lieferkette, Früherkennung und Risikomanagement. Dabei gilt es aber nicht aus dem Auge zu verlieren, dass auch die Flexibilität im Management und im Zusammenspiel von Management und Controlling essenziell ist. Ohne eine Kultur, die Transparenz und offenen Informationsaustausch, Zielorientierung und individuelle Verantwortung sowie nicht zuletzt die Kraft des besseren Arguments in den Mittelpunkt stellt, wird es nicht gehen. Ohne die richtige Kultur wird jeder Versuch, die Flexibilität einer Organisation auf Dauer zu erhöhen, am Ende scheitern. Und genau hier sind Controller in der Krisenprävention gefordert, eine solche Kultur, die ihnen geradezu auf den Leib geschneidert ist – oder sein sollte – vorzuleben. Mit freundlicher Penetranz. Jeden Tag.
Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus dem Controller Magazin 3/2020, das Anfang Mai erscheint.
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