Controller contra Coronavirus: Instrumente und Empfehlungen für effektive Gegensteuerung
In der Coronavirus-Krise zeigt sich, ob das Controlling ein verlässlicher Business Partner ist
Das Coronavirus stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Teilweise sind ganze Industrien betroffen, Lieferketten werden durcheinandergewirbelt und Absatzmärkte brechen weg. In dieser Situation ist es naheliegend, dass die betroffenen Unternehmen funktionsübergreifende Task-Forces einrichten, um adäquat reagieren zu können. Das Controlling als aktives Mitglied einer solchen Krisen-Task-Force ist hier als Business Partner gefragt, also als Berater des Managements und als Schnittstelle zwischen Funktionen, Geschäftsfeldern und dem Finanzbereich.
Konkret werden vom Controlling zwei Beiträge erwartet: 1) Entscheidungsunterstützung für das Management und 2) Koordination von Gegensteuerungsmaßnahmen.
Bei der Entscheidungsunterstützung für das Management können Controller folgende Beiträge leisten:
- Fortlaufende Aktualisierung eines Unternehmens-Forecasts unter Berücksichtigung verschiedener möglicher Entwicklungen
- Aufzeigen relevanter Handlungsoptionen inklusive der damit verbundenen finanziellen Konsequenzen und einer Bewertung
- Kombination möglicher externer Entwicklungen und interner Reaktionen zu Szenarien als Basis für die Entscheidung über Gegensteuerungsmaßnahmen
- Durchführung eines finanziellen Stress-Tests, um aufzuzeigen, bei welchen Entwicklungen existenzgefährdende Bedrohungen entstehen
- Basis dieser Szenarien-Betrachtungen bildet eine Zusammenführung funktionaler Einflussgrößen unter Berücksichtigung der gesamten Supply-Chain und finanzieller Auswirkungen
Auch die Koordination von Gegensteuerungsmaßnahmen umfasst mehrere Anforderungen an das Controlling:
- Mitwirkung bei der Identifikation von kurzfristigen Sparmaßnahmen
- Aufsetzen einer Maßnahmensteuerung mit Integration in die Szenarien-Betrachtungen
- Mitwirkung bei der Initiierung und Verfolgung von Maßnahmen
Dabei wird vom Controlling nicht nur Qualität erwartet, sondern vor allem schnelle Handlungs- und Reaktionsfähigkeit. In ruhigem Wasser kann jeder navigieren, in stürmischen Gewässern zeigt sich, wer auf Augenhöhe mit dem Management agiert und wer zuerst seine Hausaufgaben erledigen muss.
Simulationsmodelle als „Enabler“ eines effektiven Anti-Krisen-Controllings
Das zentrale Instrument, um effektiv als Business Partner in einer solchen Krisensituation agieren zu können, ist ein umfassende und leistungsstarkes Simulationsmodell. Dieses ist vor allem durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
- Möglichkeit zur Entwicklung von Szenarien über relevante Treiber bzw. Parameter aus einem „Base Case“ sowie das Hinzufügen von Maßnahmen: Moderne simulationsfähige Treibermodelle ermöglichen es, Treiber auf die relevanten Dimensionen eines Datenmodells anzuwenden (z. B. Rückgang des Verkaufsvolumen in China um 80 %) und direkt die finanziellen Konsequenzen bei GuV, Bilanz und Cashflow-Rechnung zu sehen.
- Abdeckung aller relevanten Unternehmensfunktionen – insbesondere Integration mit den Sales & Operations-Prozessen: Eine rein finanzielle Modellierung, wie sie häufig zu beobachten ist, greift zu kurz. Die Restriktionen der Supply-Chain müssen mit betrachtet werden und modellierbar sein. Auch die Integration von Personalwesen und Kapazitätssteuerung kann für bestimmte Geschäftsmodelle erfolgskritisch sein.
- Professionelle IT-Unterstützung: Komplexe Simulationsmodelle erfordern die Unterstützung durch professionelle IT-Systeme. Im Idealfall können Management und Controlling gemeinsam am System verschiedene Szenarien „durchspielen“ und direkt die finanzielle Bewertung sehen. Am Markt stehen dafür sowohl spezialisierte Standalone-Tools wie Valsight als auch benutzerfreundliche Steuerungsplattformen (z. B. SAP Analytics Cloud, Anaplan oder Jedox) zur Verfügung.
In Krisensituationen spielt der Zeitfaktor eine kritische Rolle. Existiert ein solches Simulationsmodell, können schnell qualitativ gute Szenarien modelliert und Handlungsoptionen identifiziert werden. Gelingt es, schnelle und dennoch fundierte Entscheidungen zu treffen, bedeutet das einen klaren Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen.
In außergewöhnlichen Krisensituationen sollte der Pilot (bzw. der Controller) wieder selbst das Steuer übernehmen.
Eine Reihe von Unternehmen hat sich bereits in diese Richtung bewegt, wie z. B. die letzte Horváth & Partners Planungsfachkonferenz unter dem Motto „Business Driven Planning“ gezeigt hat. Der Trend zu funktionsübergreifenden Planungs- und Simulationsmodellen ist der entscheidende Hebel zu einem als Business Partner akzeptierten Controlling.
Die in letzter Zeit vielfach als „Wunderwaffe“ gepriesenen Advanced Analytics spielen hier keine Rolle: in Routinesituationen kann der (mit Analytics gesteuerte) Autopilot übernehmen, in außergewöhnlichen Krisensituationen sollte der Pilot (bzw. der Controller) selbst wieder das Steuer übernehmen.
Ad-hoc Excel-Modellierung und top-down Forecasts als Notlösungen
Wenn ein Unternehmen nicht über ein entsprechendes Simulationsmodell verfügt, muss das Controlling ersatzweise mit „Bordmitteln“, im Zweifel mit MS Excel, versuchen, den Anforderungen gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang kann auf folgende Hilfsmittel zurückgegriffen werden, auch wenn sie teilweise mit Nachteilen verbunden sind:
- Anpassung bestehender Excel-Planungs- und Forecast-Modelle für Simulationen: Idealerweise liegen bereits entsprechende „Grundmodelle“ vor, die kurzfristig angepasst werden können. Häufig sind diese Modelle jedoch auf einzelne Funktionen begrenzt und damit nur begrenzt für die Szenarien-Modellierung einsetzbar. Bei einem solchen Vorgehen sind Anpassungen an verschiedenen Stellen zudem fehleranfällig,
- Alternativ: Entwicklung grober, aber dafür schneller „top-down Forecasts“ zur Generierung von aktuellen Zukunftsinformationen als Entscheidungsunterstützung: Die Herausforderung bleibt hier die Belastbarkeit der generierten Daten – sind die notwendigen Simplifizierungen zu groß, besteht die Gefahr fragwürdiger Empfehlungen. Gerade bei Auswirkungen an verschiedenen Stellen (z. B. bei verschiedenen Lieferanten und Absatzmärkten) läuft man Gefahr, kritische Faktoren nicht oder nicht ausreichend zu betrachten. Risiken lassen sich regelmäßig nicht einfach addieren, sondern müssen adäquat modelliert werden.
- Einholung von Einschätzungen und Expertenmeinungen anderer Funktionsbereiche: Um den Schwächen und der Eindimensionalität der „top-down Forecasts“ zu begegnen, kann eine starke Interaktion mit den relevanten Funktionsbereichen übergangsweise die Qualität sichern. Auf diese Weise können zugleich kompetente Maßnahmenvorschläge eingeholt werden. Gelingt es, die Zusammenarbeit mit den Funktionsverantwortlichen über die Krise hinaus zu verstärken, steigt zudem die Geschäftskompetenz des Controllings.
Auch mit diesen Ansätzen wird das Controlling zu Ergebnissen kommen. Bei Schnelligkeit und Qualität sind jedoch gegenüber professionellen Lösungen klare Abstriche zu erwarten.
Steigerung von Flexibilität und Resilienz als längerfristige Aufgabe des Controllings
In Situationen wie der aktuellen Corona-Krise agieren Unternehmen mit flexiblen Geschäftsmodellen souveräner als Unternehmen mit starren Strukturen. Man spricht diesbezüglich wissenschaftlich auch von „organisatorischer Resilienz“ eines Unternehmens. Klingen die Begriffe Flexibilität und Resilienz erst einmal abstrakt, so macht die aktuelle Krise den Wert flexibler Strukturen greifbar.
Die Flexibilität eines Geschäftsmodells ist nicht gottgegeben, sondern wird durch die Entscheidungen des Managements wesentlich beeinflusst. Im Normalfall achtet das Controlling auf Profitabilität und Wertsteigerung bei Entscheidungen. Ein fortschrittliches Controlling berücksichtigt daneben auch jeweils das Risikoprofil von Entscheidungen und die Auswirkungen auf die Flexibilität des Unternehmens. In der Folge kann es sein, dass das Controlling auch weniger profitable Investitionsalternativen empfiehlt, die aber risikoärmer sind. Beispiele für Flexibilitätssteigernde Entscheidungen sind:
- Verringerung des Fixkostenanteils – das kann z. B. Verzicht auf Automatisierungsinvestitionen bedeuten, wenn die Leistung auch über eine flexible verlängerte Werkbank zu etwas höheren Kosten erbracht werden kann
- Schaffung von Redundanzen – z. B. die bewusste Entscheidung für mehrere Lieferanten anstatt für einen „strategischen“ Lieferanten, auch wenn dies die Materialkosten erhöht.
- Diversifizierung von Wertschöpfungsketten und Absatzkanälen – z. B. durch Bevorzugung von Produkten, die in unterschiedlichen Werken bzw. auf unterschiedliche Weise gefertigt werden können.
Diese Maßnahmen sind als eine längerfristige Positionierung des Controllings zu verstehen; kurzfristig kann damit die Corona-Krise sicherlich nicht bewältigt werden.
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