"Die gesamte Systemlandschaft bei uns ist nie endgültig – es ist immer ein Work in progress."


Datengetriebenes Controlling: Analytics bei flaschenpost

flaschenpost ist ein junges Lieferunternehmen, das von Anfang an Daten für die operative Entscheidungsfindung nutzt. In Teil 2 dieser Interviewserie erläutert Dr. Jan Diebecker, Director Controlling & Finance, die eingesetzten Tools und Technologien. Dabei geht er auch auf die Gewinnung und Fortbildung von kompetenten Mitarbeitenden ein.

Kurzbeschreibung des Unternehmens

Die flaschenpost SE mit Hauptsitz in Münster ist einer der führenden Getränke- und Lebensmittelsofortlieferdienste in Deutschland, der seit der Gründung im Jahr 2016 die Letzte-Meile-Logistik perfektioniert. Das Unternehmen ist seit Ende 2020 Teil der Oetker-Gruppe. In nahezu allen Metropolregionen Deutschlands vertreten, bietet die flaschenpost SE mit der Lieferung von Getränken und Lebensmitteln innerhalb von 120 Minuten oder auf Vorbestellung ein komfortables und effizientes Einkaufserlebnis. Das Angebot wird kontinuierlich weiterentwickelt und ergänzt. So wurde der Rollout des Lebensmittelsortiments, das auch Obst und Gemüse sowie Tiefkühlprodukte umfasst, zum Jahreswechsel abgeschlossen.

Das Interview führten Nils Gimpl und Dr. Laura Schlecht, Center for Performance Management und Controlling an der Frankfurt School of Finance and Management.

Das Interview ist ein Vorabdruck aus Gleich (Hrsg.), "Data Driven Controlling - Data Analytics und KI kennen und nutzen", das Ende November 2023 erscheint. 

Teil C: Tools und Technologien

Welche Tools und Technologien setzen Sie zur Verwaltung und Analyse von Daten ein?

Diebecker: Die flaschenpost verfügt wie gesagt über ein eigenes ERP-System (u.a. zur Absatz- und Distributionssteuerung), das es ermöglicht, den gesamten Lebenszyklus der Daten zu begleiten und auch aus dem Controlling-Team zu begleiten. Beginnend mit der Datenentstehung, löst das System unterschiedliche Prozesse aus, wenn ein Kunde z.B. eine Bestellung aufgibt. Die Daten können direkt mit SQL abgefragt, erfasst und z.B. mit Python oder Power BI aufbereitet werden, um dann in standardisierten Reports analysiert zu werden. Ein Beispiel wäre die Darstellung des Live-Umsatzes eines Tages pro Hub in den unterschiedlichen Kategorien, da jede Bestellung direkt verfolgt wird. Bei der Aufbereitung von Finanzbuchhaltungsdaten kann entweder direkt und individuell auf die Einzelrechnungen zugegriffen oder Abfragen genutzt werden, um gewisse Daten zu erfassen. Anhand von Auswertungen mit Power BI oder Excel kann analysiert werden, wie sich ein spezifisches Accounting-Konto in der Vergangenheit entwickelt hat und wie es auf die Kostenstellen verteilt ist. Letztendlich können Management-Entscheidungsvorlagen klassisch mit PowerPoint erstellt werden.

Ist das ERP-System bereits voll integriert bei Ihnen, sprich sind alle Prozesse auf dieses ERP-System abgestimmt oder nutzen Sie eine fragmentierte IT-Landschaft?

Diebecker: Die gesamte ERP-Systemlandschaft bei uns ist nie endgültig und vollständig vollendet, es ist immer ein Work in progress. Wir arbeiten fortlaufend an der Verbesserung der Tourenplanung und des Forecast- Systems in unserem selbstgeschriebenen ERP-System. Die Tool-Landschaft muss sich immer wieder anpassen. Dabei ist es wichtig, dass es einen hohen Informationsfluss gibt, damit wir auf Änderungen reagieren und sicherstellen können, dass Dashboards und Aufbereitungen nicht veralten.

Wie stellen Sie sicher, dass das Controlling auf dem neuesten Stand der Datenanalyse und -technologie ist?

Diebecker: Ich hatte soeben bereits die Weiterentwicklung des ERP-Systems angesprochen: Wir arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen, sowohl intern als auch durch die Überwachung externer Entwicklungen. Ein Beispiel dafür ist die Migration von unserem Power BI Report Server zur Power BI Service App, die eine deutliche Verbesserung der Performance zur Folge haben wird. Wir sind auch immer auf der Suche nach State-of-the-Art-Tools, um unseren Ansprüchen gerecht zu werden (s. Abb. 1).

Finance Daten flaschenpost SE

Abb. 1: Überblick der flaschenpost Finance Daten- und Systeminfrastruktur

Wie schaffen Sie es bei der Veränderung der Datenanalyse und -technologie Ihre Mitarbeitenden optimal vorzubereiten bzw. die richtigen Mitarbeitenden zu recruiten?

Diebecker: Wenn es um die Auswahl neuer Mitarbeitender geht, insbesondere im Controlling-Bereich, achten wir sehr darauf, dass Bewerberinnen und Bewerber intrinsisch motiviert sind, etwas zu lernen und eine Datenaffinität haben. Wir suchen nicht unbedingt perfekte Datenexperten, sondern Menschen, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln. In der flaschenpost haben wir Expertinnen und Experten, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Bedarf sehr gezielt helfen und ihnen das nötige Know-how vermitteln können. Wenn eine Person z.B. noch keine Erfahrung mit Power BI hat, können wir Sub-Projekte definieren, in denen das Tool kennengelernt wird.

Zielen Sie auf eigene Schulung Ihrer young Talents oder setzen Sie auf externe Fortbildungen?

Diebecker: In der Arbeitswelt ist es oft sinnvoll, externe Fortbildungen in Anspruch zu nehmen, um das Wissen und Können zu erweitern. Hierzu würde ich gerne kurz zwei Teilbereiche beleuchten: Zum einen die flaschenpost Academy, bei der erfahrene Kollegen ihr Wissen an junge Kollegen weitergeben und zum anderen externe Weiterbildungen in speziellen Bereichen wie Expert Power BI, Python oder SQL für sehr erfahrene Mitarbeiter. Die flaschenpost Academy ist bereits institutionalisiert und hat sich als erfolgreiche Methode etabliert. Aber auch erfahrene Mitarbeiter und Experten möchten sich weiterentwickeln, weshalb externe Fortbildungen oft eine sinnvolle Option darstellen. Die externe Fortbildung stellt hier entsprechend eine Möglichkeit dar. Welche Maßnahme letztendlich am besten geeignet ist, hängt von den individuellen Bedürfnissen und Zielen ab.

Wie stellen Sie sicher, dass Datenschutz- und Sicherheitsbelange innerhalb des Controllings effektiv gehandhabt werden, und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu mindern?

Diebecker: Wir analysieren Kundendaten auf sehr aggregierter Ebene, um den Datenschutz zu wahren. Wir haben keinen Zugriff auf direkte Kundeninformationen wie Bestellhistorie oder Lieferadresse. Der Datenschutzbeauftragte stellt sicher, dass die Datenschutzrechte unserer Kunden eingehalten werden. Aber wir bleiben immer wachsam und überprüfen zusammen mit dem Datenschutzbeauftragten und der internen Revision regelmäßig die Prozesse, um Lücken zu identifizieren und zu schließen. Das Bewusstsein zum Schutz von sensiblen Daten ist im Controlling sehr hoch, und das Wissen wird sehr sensibel behandelt. Die Controlling-Abteilung gilt als Wissensträger und achtet sehr darauf, dass dieses Wissen nicht an Unbefugte weitergegeben wird.

In Kürze folgt Teil 3: "Durch die Verwendung von Testumgebungen können wir strategische Entscheidungen basierend auf der Datenauswertung treffen."

Buch-Tipp:

Data Driven Controlling: Data Analytics und KI kennen und nutzen

In einer dynamischen und komplexen Welt muss oft unter hoher Unsicherheit und dazu sehr schnell entschieden werden. Dieses Buch zeigt, wie man

  • aus den richtigen Daten die richtigen Informationen für seine Entscheidungsfindung ableitet,
  • sichere Entscheidungen trifft und
  • bereits getroffene Entscheidungen untermauern kann.

Zahlreiche Lösungsvorschläge und Best-Practice-Beispiele runden das Buch ab. 

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