Können Controller wirklich steuern? Jürgen Weber im CM

Controller definieren sich häufig über ihre Funktion in der Unternehmenssteuerung. Für Prof. Jürgen Weber lassen sich jedoch Controllers Finanzzahlen nicht eindeutig in das konkrete Business „zurückübersetzen“. Er hält eine andere relevante Aufgabenbeschreibung für zutreffender, hat jedoch Bedenken wegen deren Zukunftsfähigkeit.

Controller als Steuermann, Lotse, Navigator 

Die Profession der Controller baut auf bestimmten Grundpositionen auf. Hierzu zählt die Überzeugung, wirtschaftliche Aktivitäten in Zahlen fassen zu können („Was kostet das?“), ebenso wie das Streben nach Objektivität und Transparenz, zunehmend auch das Narrativ des unverzichtbaren Business Partners. 
Controller wollen aber nicht nur rechnen und zahlenbezogen informieren, sondern auch steuern. Das Bild des Steuermanns ist überaus verbreitet, begründet auch mit der Aussage, „to control“ hieße übersetzt doch genau das. Stimmt diese wie selbstverständlich angenommene Grundposition aber wirklich? Steuern Controller? Trifft das Bild zu, dass der Manager als Kapitän die Ziele setzt und der Controller das Schiff dann auf Kurs hält? Sind es nicht vielmehr die Manager, die von morgens bis abends steuern?

Steuerung des Geschäfts ist mit Finanzdaten kaum möglich

Die reale Komplexität des Geschäfts wird in den Controller-Zahlen zudem gar nicht abgebildet…

Und wenn doch, wie steuern dann die Controller? Indem sie Wertgrößen miteinander vergleichen und dem Manager melden, dass es zu Abweichungen gekommen ist? Und wenn: wieviel des Steuerungsproblems ist damit wirklich abgedeckt? Wäre es nicht ehrlicher zu sagen, dass Controller nur einen Beitrag zur Steuerung leisten, der zwar wichtig ist, aber auch nicht überschätzt werden sollte? Etwa nach dem Motto: Anregungen ja, Lösungen eher nein? Eine direkte Geschäftssteuerung ist mit Finanzdaten ohnehin kaum möglich, da es zwar einen konkreten Weg gab, die Finanzdaten aus Geschäftsprozessen abzuleiten, ihre Rückübersetzung ins konkrete Geschäft aber viel zu viele Freiheitsgrade besitzt, die nur durch intime Geschäftskenntnis festgelegt werden können. Die reale Komplexität des Geschäfts wird in den Controller-Zahlen zudem gar nicht abgebildet; letztere reichen nur zur Beurteilung, ob die finanziellen Planwerte erreicht wurden oder nicht.

Für die Steuerung benötigt man Details, nicht Durchschnitte 

Bei den Finanzzahlen dominiert die Durchschnittsbildung, sei es, weil eine größere Auflösung viel zu teuer wäre, sei es, weil die Controller in Sinne eines Normalisierungsstrebens Ausreißer in den Zahlen beseitigen wollen. Das Detail wird von ihnen also zum einen notgedrungen (weil zu aufwendig), zum Teil bewusst übersehen. Details sind aber heute zur Steuerung essentiell. Viele nicht-Linearitäten (z.B. bei den Preisfunktionen) und eine hohe Varianz der einzelnen Vorgänge (z.B. bei kundenbezogenen Kosten) dominieren das Geschäft. Die Instrumente der Controller sind darauf nicht ausgerichtet. Wer sich seine Variantenkalkulation näher anschaut, weiß, wovon ich rede! Durch die Durchschnittsbildung macht es auch keinen Sinn, die Finanzdaten immer aktueller zu machen. Real-Time ist auf Basis der Einzelprozesse äußerst hilfreich, ja essentiell, auf Basis von Durchschnitten aber eher blanker Unsinn.

„Finanzielle Koordination“ trifft es besser

Sollten Controller also nicht viel bescheidener nur von einer „Unterstützung der finanziellen Steuerung“ reden? Schon auf der Ebene des einzelnen Managers ist eine solche wichtig und hilfreich, mehr noch für das Zusammenspiel der Manager über die unterschiedlichen Geschäfte und Unternehmensebenen hinweg. Allerdings wäre dann der Begriff der finanziellen Koordination präziser. Hier sind Controller tatsächlich segensreich unterwegs:

  • einzelne Bereichsinteressen in gemeinsame Pläne zu integrieren,
  • Planungsebenen miteinander zu verbinden,
  • aufzupassen, dass Erfolg und Cash harmonieren,

all das sind wesentliche Aufgaben und ein zentraler Grund für die hohe Bedeutung der Controller. Hier sind sie wirklich Partner des Business und unverzichtbarer Bestandteil der Planungsmaschinerie, die große Unternehmen erst möglich gemacht hat.

Was ist der USP der Controller in der Zukunft?

Wird das so bleiben? Aus Controllerperspektive betrachtet: leider eher nein. In Zukunft wird die klassische Koordination durch Pläne mehr und mehr von Selbstabstimmung abgelöst werden. Hier übernehmen die Manager (bzw. viele Gruppen von diesen) die Koordination, sowohl inhaltlich wie prozessual. Schnell stellt sich die Frage: Was bleibt dann für die Controller, wo liegt deren USP? Darin, betriebswirtschaftlich rechnen zu können? In der Vermeidung von Opportunismus der Manager? Im Management der wertmäßigen Steuerungssysteme? Es ist an der Zeit, sich damit genauer zu beschäftigen – es könnte ja sein, dass bei der Zusammensetzung eines Problemlösungsteams jemand fragt, warum denn da ein Controller dabei sein sollte. Und es wäre ziemlich peinlich, wenn der selbsternannte Business Partner dann seinen part of the business nicht überzeugend klarmachen könnte!


Der Artikel erschien erstmals im Controller Magazin 6/2020.


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