New Work in Controlling und Finance: Die Praxis bei Giesecke+Devrient
Wie New Work bei Giesecke+Devrient (G+D) gelebt wird
Im Jahr 2020 wurde die Initiative Growing.Together durch den Group-CFO von Giesecke+Devrient gegründet, um die strategischen Ziele zu erreichen. Giesecke+Devrient bietet eine breite Mischung aus Produkten, Lösungen und Dienstleistungen in den vier großen Themengebieten Bezahlen, Konnektivität, Identität und Digitale Infrastruktur an.
Im Rahmen von Growing.Together haben vier agile Teams mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen ein Whitepaper erarbeitet, das den Rahmen festlegt, wo die Arbeitnehmerinnen und Arbeitenehmer arbeiten und wie sie zusammenarbeiten. Nachgelagert wird dieses lokal an die standort- und länderspezifischen Aspekte sowie kulturellen Besonderheiten in den 20 inländischen und 53 ausländischen Gesellschaften angepasst.
4 Workstreams: New Work – Flexible Office – Mobile Work – Tools und Plattformen
Am Standort München wurden für die Umsetzung des Whitepapers vier Workstreams gebildet:
- Der erste Workstream New Work beschäftigt sich mit den Themen Leadership, Mitarbeiterbindung und unternehmensweite Zusammenarbeit;
- im zweiten Workstream Flexible Office wird die zukünftige Arbeitsplatzgestaltung definiert und umgesetzt;
- der dritte Workstream Mobile Work gestaltet die Betriebsvereinbarung für das mobile Arbeiten neu und
- im vierten Workstream Tools und Plattformen wird die digitale Basis der anderen drei Workstreams durch die Einführung neuer Tools gebaut.
Im zweiten Workstream Flexible Office wurde eine umfassende Pilotphase im ersten Quartal 2021 für das Shared-Desk-Konzept am Standort München gestartet. Parallel hierzu werden Konzepte für die neuen Arbeitswelten erarbeitet, die zum Shared-Desk-Konzept etwa Begegnungsflächen und Rückzugsräume beinhalten.
Im vierten Workstream Tools und Plattformen wurden mittels der Initiative Digital Sixpack sechs Bereiche (mobile platform, collaboration, virtual desktop, digital signature, elearning platform, streaming) adressiert, die als technische Voraussetzung für die Umsetzung des Whitepapers gelten. Diese sollen unternehmensweit implementiert werden, Pilotprojekte starten jedoch verstärkt am Hauptsitz in München.
Langfristig soll ein kultureller Wandel stattfinden, der Leadership als vertrauensbasierte Führung fördert, die Loyalität und das Engagement der Belegschaft erhält und ausbaut sowie die Kultur der konzernweiten Zusammenarbeit verstärkt. Dies wird im ersten Workstream New Work adressiert. Im Bereich Leadership werden Schulungen mit dem Fokus auf Remote Leadership und virtuelle Kollaboration angeboten, sodass sich die Führungskräfte ihrer Vorbildunktion bewusst sind und als Coaches handeln. Unter Loyalität und Engagement wird zusammengefasst, dass das G+D Narrativ in der Belegschaft bekannt ist und gelebt wird. Durch das Re-Branding im Januar 2021 wird G+D als eine einheitliche Marke am Markt positioniert. Die Organisationsstruktur, welche auch das Mindset und die interne Zusammenarbeit beeinflusst, wird entsprechend angepasst. G+D tritt mit mehreren Portfolio-Clusters anstatt vier Business Sektoren auf. Zudem agiert der Konzern mit einem einheitlichen Farbkonzept und einem koordinierten und durchdachten Marketing- und Kommunikationskonzept. Dies bildet den Grundstein für ein neues Identitäts- und Gemeinschaftsgefühl im Konzern und somit auch für eine unternehmensweite Zusammenarbeit. Eine einheitliche Kollaborations- und Schulungsplattform bildet hierfür die Basis. Insbesondere in konzernweiten Projekten ist ein diverses Projektteam unabdingbar, da viele unterschiedliche Arbeitsprozesse stattfinden. Für die globale Talentsuche führt die Personalabteilung bei G+D ein People Profile ein, das die Kompetenzen der Belegschaft in den Fokus stellt und somit die Zusammensetzung oder Erweiterung des Projektteams zukünftig erleichtert.
Es wird deutlich, dass New Work in allen Bereichen einen Transformationsprozess auslöst, da sich die Unternehmenskultur wandelt. Der Finanzbereich ist an dieser Stelle ein Zahnrad unter vielen, das sich neu positionieren und weiterdrehen muss.
Die sich ändernde Rolle von Controlling und Finance
Der Finanzbereich positioniert sich durch New Work als Business Partner. Controllerinnen und Controller konzentrieren sich nicht mehr alleinig auf die Analyse und Kommentierung von Finanzzahlen mit Fokus auf Abweichungsanalysen zwischen Ist und Plan. Der Fokus verlagert sich von vergangenheitsorientierten Analysen hin zu zukunftsorientierten Vorhersagen, die auch Nicht-Finanzkennzahlen berücksichtigt. Dies impliziert, dass Controllerinnen und Controller fest im Unternehmen vernetzt sind und abteilungsübergreifend arbeiten. Spezifische Fragestellungen der Unternehmenssteuerung können so aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und idealerweise mit Daten untermauert werden. Controller nehmen so eine beratende Funktion im Entscheidungsfindungsprozess ein und kreieren eine neue Art der Wertschöpfung.
Die Ausübung dieser Rolle erfordert einerseits digitalisierte und automatisierte Instrumente und Methoden, sodass sich die Toolbox erneuert, andererseits neue Kompetenzen, um diese einzusetzen.
Ein mögliches Instrument der Unternehmenssteuerung ist der rollierende Forecast. Hier gilt es einen adäquaten Detaillierungsgrad zu definieren und eine realistische Aktualisierungsfrequenz, da es je nach Kennzahl sinnvoll ist, diese monatlich, quartalsweise oder jährlich zu aktualisieren. Für gewisse Kennzahlen ist auch eine automatische Fortschreibung basierend auf definierten Logiken möglich. Um wesentliche Kennzahlen zu identifizieren und regelmäßig zu überprüfen, ist die Methode der treiberbasierten Simulation empfehlenswert. Die Identifikation und Entwicklung von Treibermodellen und deren Auswirkung auf KPIs kann in Simulationen und Szenarien dargestellt und entsprechend in den Forecast integriert werden. Hier ist zudem die Simulation über verschiedene Zeitspannen denkbar.
Methoden wie Predictive Analytics können zudem die Vorhersage unterstützen und das Potenzial der Integration verschiedenster Datenquellen nutzen. Natürlich sind die Parameter und Datenquellen für Predictive Analytics sorgfältig auszuwählen und auch diese Algorithmen lernen über die Zeit und verbessern ihre Prognosequalität.
Prinzipiell ist es empfehlenswert Controlling-Prozesse bestmöglich zu automatisieren. Dies setzt Kapazitäten frei, sodass Controllerinnen und Controller ihrer Rolle als Business Partner gerecht werden. Des Weiteren ermöglichen automatische Schnittstellen die Integration großer Datenmengen und verschiedener Datenquellen in einer Datenbasis, als „single source of truth“.
Meiner Meinung nach müssen die gewählten Instrumente und Methoden der Toolbox dem dynamischen Umfeld sowie unternehmensspezifischen Anforderungen gerecht werden, sodass eine „one-fits-all“-Lösung nicht skizzierbar ist. Jedoch ist erkennbar, dass sich die Tätigkeitsschwerpunkte der Controller durch diesen Transformationsprozess ändern und somit auch das Anforderungsprofil an ihre Fähigkeiten.
Zur Autorin:
Pia Burkarth bereitet in ihrer aktuellen Rolle die Finanzabteilung von thinkproject im Rahmen von Finance Excellence auf die Zukunft vor. Die Finanztransformation beinhaltet die Bereiche Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung. Nebenberuflich ist sie als Dozentin an der Hochschule Fulda tätig. Zuvor war sie 2 Jahre als Financial Controller Corporate Controlling & Corporate Risk Manager bei G+D tätig.
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