"Wir konzentrieren uns auf die Controllingunterstützung wertschöpfender Funktionsbereiche."
Interviewpartner:
Thilo Rieser, Leiter Controlling & Finance International, Henkell-Freixenet
Das Unternehmen:
Henkell-Freixenet ist Weltmarktführer in der Schaumweinproduktion sowie erfolgreicher Anbieter von Weinen und Markenspirituosen. Mit seinem breiten Portfolio setzt der Sekthersteller hohe Maßstäbe in Qualität und Handwerkskunst. Henkell-Freixenet gehört zu den bekanntesten Familienunternehmen Deutschlands, das in 150 Länder exportiert und weltweit mit 30 Tochtergesellschaften vertreten ist. Im Geschäftsjahr 2020 erzielte Henkell-Freixenet einen Umsatz von ca. 1,2 Milliarden Euro und beschäftigte insgesamt 3.500 Mitarbeiter.
Die Fragen stellten Dr. Sebastian Möbus, Chief Operating Officer des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) der Frankfurt School of Finance & Management und Letizia Credico, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) der Frankfurt School of Finance & Management.
Das Interview ist ein Auszug aus dem Buch „ Prozess- und Funktionscontrolling: Grundlagen, Kennzahlen, Best Practices“, das im Dezember 2021 bei Haufe erschienen ist. (Hier kommen Sie zu Teil 1 des Interviews)
Prozess- und Funktionscontrolling
Gibt es bei Ihnen im Unternehmen eine sogenannte Prozess- bzw. Funktionslandkarte, die den Mitarbeitern zeigt, welche Prozesse und Funktionen im Mittelpunkt Ihrer Tätigkeit stehen?
Thilo Rieser: Wir haben ein Henkell-Freixenet Prozesshaus (s. Abb), in dem alle Führungs- und Unterstützungsprozesse definiert und detailliert beschrieben sind. Das Prozessmodell ist auch maßgeblicher Bestandteil für unsere Zertifizierungen.
Werden alle aufgezählten Prozesse und Funktionen vom Controlling betreut oder gibt es auch Controllingprozesse/-funktionen, die von anderen übernommen werden?
Rieser: Bei allen Kernprozessen ist das Controlling involviert. In den Bereichen der Führungs- und Unterstützungsprozesse ist das Controlling nur am Rande eingebunden. Funktionscontrolling in den Bereichen Personal, Einkauf oder Marketing wird durch die Fachabteilungen dezentral selbst vorgenommen.
Welches ist die dominierende Sicht, Funktions- oder Prozesscontrolling?
Rieser: Eindeutig das Funktionscontrolling, weil wir uns in den Kernprozessen unseres Prozesshauses auf die Controllingunterstützung wertschöpfender Funktionsbereiche konzentrieren und noch nicht den End-to-End-Prozess als Ganzes betreuen und wertschöpfend beraten und optimieren. Mit dem Prozesshaus haben wir jetzt zumindest die Möglichkeit unsere Prozesse zusammenhängend über verschiedene Funktionen und Verantwortungsbereiche hinweg betrachten zu können. Jetzt fehlt uns nur noch die Organisation dazu: weg von der Funktions-, hin zur Prozessverantwortung.
Auf Holdingebene können wir, zumindest was die Funktionen und Prozesse anbetrifft, als international tätige Unternehmensgruppe mit Produktionsstandorten in zehn und Vertriebsorganisationen in über dreißig Ländern interne Kosten- und Produktivitätsbenchmarks durchführen und damit den produktiven Rand der wesentlichen Prozesse unseres Geschäftsmodells beschreiben. Mit dem dann definierten und auf Absatzgrößen relativierten Zielkostenrahmen können wir Ineffizienz gut allokieren. Damit muss eine Gesellschaft bei uns auskommen. Wenn sie das nicht tut, dann hat sie Optimierungsbedarf, entweder indem sie ihren Kostenrahmen anpasst oder indem sie das vorhandene Kostengerüst besser auslastet. So können wir auch ohne tiefgreifendes Prozesscontrolling Steuerungsimpulse zur Effizienzsteigerung setzen.
Wie steuern Sie die Schnittstellen zwischen Prozess- und Funktionscontrolling?
Rieser: Der auf den Absatz relativierte Zielkostenrahmen ist die zentrale Größe, die wir über Jahre hinweg konstant halten und deren Einhaltung wir ständig verfolgen. Er gibt uns Orientierung, wie wir Prozesse ausgestalten können, um wettbewerbsfähig zu bleiben und unsere Ertragskraft zu erhalten. Das Funktionscontrolling unterstützt diese Zielerreichung im operativen Geschäft.
Wie beurteilen Sie bei Ihnen im Unternehmen die Performance der Controllingprozesse und -funktionen?
Rieser: Bei unserer täglichen Controllingarbeit steht der Wertschöpfungsbeitrag unseres Tuns im Mittelpunkt. Wir hinterfragen dabei den Nutzen einzelner Controllingteilprozesse als auch den der angewandten inhaltlichen Steuerungsgrößen regelmäßig.
Welche Maßnahmen nutzen Sie bei Henkell-Freixenet, um die Effektivität bzw. die Effizienz der Prozesse und Funktionen im Controlling zu erhöhen? Welche Ergebnisse wurden durch die von Ihnen beschriebenen Maßnahmen erzielt?
Rieser: Zur Effizienzsteigerung in den Controllingprozessen legen wir großen Wert auf eine Standardisierung von Prozessen über die Gruppe hinweg, als Voraussetzung für die darauffolgende Automatisierung. Eine zentrale Datenbanklösung ermöglicht uns schon heute ein automatisiertes Standardreporting sowie das Angebot einer Self-Service BI Lösung, um das Informationsbedürfnis der Berichtsempfänger individuell befriedigen zu können. Damit wollen wir die Effektivität und die Effizienz im Reportingprozess verbessern. Zudem arbeiten wir an der Verkürzung des Planungsprozesses und haben die Anzahl unserer unterjährigen Hochrechnungen reduziert. Das geht einher mit einem Ausbau der operativen Vorsteuerung (Absatz- und Umsatzplanung), und deren Vernetzung in die Controlling-Prozesse. Eine Absatzplanung ersetzen wir in Zukunft durch eine operative, rollierende Bedarfsplanung und vermeiden dadurch redundante Arbeiten.
Wo würden Sie weitere Potenziale für die Steigerung der Effektivität bzw. der Effizienz der Prozesse und Funktionen durch das Controlling bei Henkell-Freixenet sehen?
Rieser: Eindeutig in der Einführung vorhersagebasierter Werkzeuge, in der Ablösung weitgehend rückblickender Methoden und Rollenverständnisse in den Planungs- und Hochrechnungsprozessen. Dabei werden wir auch verstärkt externe Daten für diese Prozesse strukturiert vorhalten und nutzbar machen.
Ausblick
Mit Ausblick in die Zukunft, welche Herausforderungen wird Ihr Unternehmen künftig meistern müssen?
Rieser: Durch Markenstärke und Innovationskraft wollen wir auch in Zukunft Wachstum in häufig gesättigten Sekt-, Wein- und Spirituosenmärkten sichern. Daneben kommt der Margensicherung in der „Sandwichposition“ zwischen konsolidierter Marktseite und volatiler Beschaffungsseite eine besondere Bedeutung zu. Dabei sollen zukünftig auch vertikale Wertschöpfungspotenziale durch E-Commerce und B2C-Geschäftsmodelle gehoben werden.
In welche Richtung müssen sich die Controllerinnen und Controller weiterentwickeln, damit sie diesen neuen Anforderungen in ihrer Rolle gerecht werden?
Rieser: Wichtig sind für mich die Bereiche Persönlichkeit und Mindset. Wir leben in einer Zeit, in der sich Geschäftsmodelle schnell ändern, wo der Controller einen ständigen Willen zur Veränderung, zur Weiterentwicklung und zur Verbesserung an den Tag legen muss. Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen in sich ändernden Geschäftsmodellen sind für die Mitarbeiter im Einzelnen als auch die Organisation im Ganzen überlebensnotwendig. Wir brauchen auch Stärken im Bereich Konzeption und Umsetzung dieser Veränderungsprozesse. Methodisch wünsche ich mir Mitarbeiter, die agile Methoden beherrschen, mit denen Fortschritte schnell sichtbar werden. Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass die Aufgaben im Controlling noch vielfältiger werden und der Controller ein immer breiteres Repertoire an Fähigkeiten beherrschen muss, vom „Data Scientist“ bis zum „Business Partner“ – das wird in der Regel nur mit einer Spezialisierung innerhalb der Controllingorganisation gelingen.
Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!
Hier geht's zu Teil 1 des Interviews
Literatur-Tipp:
Prozess- und Funktionscontrolling: Grundlagen, Kennzahlen, Best Practices Dieses Buch erläutert, wie Sie die beiden Steuerungsgrößen Prozess- und Funktionscontrolling effizient gestalten und zukunftsfähig aufstellen. Expert:innen beleuchten wichtige und zeitgemäße Ausprägungen des Funktionscontrollings und erläutern, wie Sie funktionsübergreifende Themen mit den Schwerpunkten Prozesscontrolling und Prozessmanagement in Ihrem Unternehmen verankern und von einer ganzheitlichen Steuerung der Geschäfts- und Hauptprozesse profitieren. Bestell-Nr.: E11473 | ISBN: 978-3-648-15883-8 | 1. Auflage 2021 | 260 Seiten | Preis: 79,95 EUR |
-
Mit der Formel INDIREKT dynamische Zellen- und Bereichsbezüge erstellen
1.684
-
Mit den Formeln LÄNGE, LINKS, RECHTS Textbausteine aus Zellen extrahieren
1.632
-
So führen Sie mehrere Excel-Tabellenblätter in einer Pivot-Tabelle zusammen
1.343
-
Mit der Formel SUMME über mehrere Excel-Tabellenblätter schnell und einfach Werte addieren
1.186
-
Datumswerte in Pivot-Tabellen mithilfe einer Gruppierung zusammenfassen
1.093
-
EXCEL-TIPP: Mittelwert ohne Null ermitteln
1.086
-
Diagramme mit gestapelten Säulen erstellen
1.074
-
Wie Sie Datumsangaben in einer Pivot-Tabelle zum Filtern nutzen
935
-
Dateinamen und Dateipfad in der Kopfzeile eines Excel-Arbeitsblatts anzeigen lassen
570
-
Mithilfe von Tabellen variable Dropdown-Menüs erstellen und verwalten
541
-
Wie sich die Gehälter für Fach- und Führungskräfte im Controlling entwickelt haben
18.11.20242
-
5. Jahreskonferenz Performance Management und Controlling (19. Februar 2025)
14.11.2024
-
Daten: Die Grundlage für KI-Anwendungen bereitstellen
13.11.2024
-
Nachfrage nach Finance-Fachkräften bleibt weitgehend stabil
12.11.2024
-
Ressourcen & Prozesse: Die notwendigen Mittel und Verfahren bereitstellen
07.11.2024
-
Reporting: Wie man entscheidungsrelevante Daten klar kommuniziert
05.11.2024
-
ICV Controlling Excellence Award 2025: Jetzt mit innovativen Controlling-Lösungen bewerben
04.11.2024
-
Was kann AI im Reporting verändern?
31.10.2024
-
Kultur & Wissensmanagement: Den Nährboden für KI-Innovation bereiten
30.10.2024
-
Von einer heterogenen BI-Landschaft zur integrierten Lösung mit SAP Analytics Cloud
24.10.2024