Entscheidungsstichwort (Thema)
Behauptete mangelnde Beweiserhebung. Überraschungsentscheidung. Gehörsverstoß
Leitsatz (redaktionell)
1. Allein die Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen bzw. das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu begründen.
2. Der Umstand, daß jemand vom Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens überrascht war, macht aus der Entscheidung noch keine von Verfassungs wegen zu beanstandende Überraschungsentscheidung.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffenen Entscheidungen lassen keinen Verstoß gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin erkennen.
Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, daß das Finanzgericht Köln die Akten des Landgerichts Essen nicht beigezogen habe, rügt sie im Ergebnis Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Das Finanzgericht ging – wie der Beschluß des Bundesfinanzhofs zu Recht betont – von der sachlichrechtlichen Auffassung aus, den Vergleich nach seinem Wortlaut auszulegen. Art. 103 Abs. 1 GG gibt der Beschwerdeführerin keinen grundrechtlich garantierten Anspruch, das nach ihrer Rechtsauffassung erforderliche Auslegungsmaterial heranzuziehen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen mangelnder Sachaufklärung – § 76 Abs. 1 FGO – ist unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Aufklärungs- und Erörterungspflichten, soweit sie über das Recht der Beteiligten hinausgehen, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlaß dieser Entscheidung zu äußern, grundsätzlich aus dem Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG ausgenommen. Derartige Pflichten beruhen auf sogenanntem einfachem Recht, dessen Nachprüfung dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich verwehrt ist (vgl. BVerfGE 42, 64 ≪85≫; BVerfG NJW 1980, S. 1093; BVerfGE 66, 116 ≪147≫; Beschluß vom 26. November 1985 1 BvR 1123/85). Die Behauptung allein, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (BVerfGE 27, 248 ≪251≫ m.w.N.).
Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin vom Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens überrascht war, machte aus der Entscheidung auch keine von Verfassungs wegen zu beanstandende Überraschungsentscheidung. Art. 103 Abs. 1 GG schützt die Beteiligten davor, von neuen rechtlichen Gesichtspunkten überfahren zu werden (Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 140). Die Frage, ob ein den Vorsteuerabzug mindernder Verzicht oder eine den Vorsteuerabzug unberührt lassende Aufrechnung vorlag, war indessen die Kernfrage des Einspruchsverfahrens und des Finanzgerichtsverfahrens. Das Finanzgericht stützte damit seine Entscheidung auf keinen neuen, der Beschwerdeführerin unbekannt gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen