Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
Abschreibungen von Wirtschaftsgütern, die nach Gesamtrechtsnachfolge in das Betriebsvermögen eingelegt werden, sind nach dem Einlagewert abzüglich bereits in Anspruch genommener AfA des Rechtsvorgängers zu bemessen.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb einen Gewerbebetrieb in Teilen eines Gebäudes, das der Ehefrau gehörte. Nach dem Tod der Ehefrau wurde der betrieblich genutzte Gebäudeteil notwendiges Betriebsvermögen. Das FA legte für die zukünftige AfA des KIägers die anteiligen historischen AK der Ehefrau abzüglich bereits in Anspruch genommener AfA (Restbetrag 30.245 DM) zu Grunde. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der Einlagewert (464.962 DM) als Bemessungsgrundlage anzusetzen sei. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sei nicht anwendbar, da nicht der Kläger sondern die Ehefrau die Einkünfte erzielt habe. Hätte anstatt der Einlage ein Verkauf stattgefunden, wären die Anschaffungskosten in Höhe von DM 464.962 als AfA-Bemessungsgrundlage anzusetzen. Außerdem liege eine verfassungswidrige Rückwirkung vor. Die Ehefrau sei bereits am xx. März 1999 verstorben. Das Gesetz sei aber erst am 24. März 1999 mit Rückwirkung zum 1. Januar 1999 verabschiedet worden.
Entscheidung
Im Entscheidungsfall liegt eine unechte Rückwirkung vor, da die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht. Eine verfassungswidrige Rückwirkung liegt nicht vor, da der Steuerpflichtige bereits nach Veröffentlichung eines ersten Gesetzesentwurfs im November 1998 nicht mehr uneingeschränkt auf die bisherige Rechtslage vertrauen konnte. Dem nur eingeschränkten Vertrauenstatbestand des Klägers stand ein bedeutsames gesetzgeberisches Anliegen, die Neuordnung des Steuerrechts, gegenüber. Daher ergibt die Abwägung zwischen den Individualinteresse und dem Gemeinwohlinteresse, dass der Gesetzgeber befugt war, die Wirkung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. auf den 1. Januar 1999 anzuordnen.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. (jetzt: § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG) ist aber so auszulegen, dass als Bemessungsgrundlage für die AfA der Einlagewert abzüglich der bereits im Rahmen der Überschusseinkunftsarten geltend gemachten AfA-Beträge anzusetzen ist. Bei Wirtschaftsgütern, die nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, mindern sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Abschreibungen, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind. Der Wortlaut der Vorschrift schreibt zwar nicht vor, dass die Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften durch denselben Steuerpflichtigen erfolgen muss, der das Wirtschaftsgut anschließend in sein Betriebsvermögen einlegt. Die Vorschrift soll aber nach ihrem Sinn und Zweck eine "Doppelabschreibung" desselben Wirtschaftsguts bei den Überschusseinkünften und erfolgter Einlage zum Teilwert vermeiden. Die "doppelte" Abschreibung ist aber grundsätzlich nur bei Personenidentität denkbar.
Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe, anders als bei der Einzelrechtsnachfolge, in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Deshalb ist in diesem Fall für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. sowohl die Anschaffung des Wirtschaftsguts als auch dessen Verwendung zur Erzielung von Überschusseinkünften durch den Erblasser dem Gesamtrechtsnachfolger zuzurechnen. Maßgebend für die weitere AfA ist der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzüglich der bereits im Bereich der Überschusseinkunftsarten vorgenommenen Abschreibungen.
Hinweis
Das FG lehnt mit dem Urteil die Ansicht der Finanzverwaltung ab, die die weitere AfA nach den fortgeführten historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bemessen wollte. Obwohl die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde, ist das Urteil rechtskräftig geworden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.09.2005, 13 K 661/03