149 Fälle, die zu einem Verwertungsverbot führen
(1) Aussagen, die mittels verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136a Abs. 1 und 2 StPO, z. B. Täuschung) zustande gekommen sind, dürfen nicht verwertet werden (§ 136a Abs. 3, § 69 Abs. 3, § 72 StPO). Liegt ein Verstoß gegen § 136a StPO vor, so ist die Vernehmung - soweit erforderlich - neu durchzuführen. Vor der erneuten Vernehmung ist darüber zu belehren, dass die erste Vernehmung unverwertbar ist (sog. qualifizierte Belehrung, vgl. BGH-Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07).
(2) Sind Angehörige des Beschuldigten vor ihrer Vernehmung als Zeugen (§ 52 Abs. 3 StPO) oder Sachverständige (§ 72 StPO) nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden, so kann die Aussage nicht verwertet werden. Das Gleiche gilt, wenn der Angehörige nach der Belehrung von seinem Aussageverweigerungsrecht zunächst keinen Gebrauch macht, diesen Verzicht aber noch im Laufe der Vernehmung widerruft.
(3) Im Falle von Ermittlungsmaßnahmen gegen einen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträger im Sinne von § 53 StPO, der nicht selbst Beschuldigter ist, sind die Beweisverwertungsverbote gemäß § 160a StPO zu beachten. Eine entsprechende Ermittlungsmaßnahme, die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Gleiches gilt für Ermittlungsmaßnahmen gegen seine mitwirkenden Personen im Sinne von § 53a StPO.
(4) Die Verwertung von Beweismitteln, die entgegen § 97 StPO beschlagnahmt wurden, ist unzulässig (vgl. Nummer 58).
(5) Ist die Belehrung des Beschuldigten über sein Recht, nicht zur Sache auszusagen, unterblieben (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i. V. m. § 163a Abs. 3 und 4 Satz 2 StPO), darf die Aussage nicht verwertet werden (vgl. BGH-Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91); das Gleiche gilt, wenn der Beschuldigte infolge seines geistig-seelischen Zustandes die Belehrung nicht verstanden hat (vgl. BGH-Urteil vom 12. Oktober 1993 - 1 StR 475/93).
150 Fälle, die nicht zu einem Verwertungsverbot führen
(1) Verstöße gegen Ordnungs- und Formvorschriften bei der Anordnung und Ausführung einer strafprozessualen Maßnahme machen die Beweismittel, die sich auf Grund der Maßnahme ergeben, nicht unverwertbar (vgl. z. B. BGH-Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 455/03). Darüber hinaus gilt dies auch bei irrtümlicher Annahme von Gefahr im Verzug in den Fällen des § 98 Abs. 1 und des § 105 Abs. 1 StPO, solange keine bewusste Missachtung des Richtervorbehaltes anzunehmen ist. Ein Verstoß gegen die Regelungen des § 105 Abs. 2 StPO, wonach bei einer Durchsuchung grundsätzlich Zeugen zuzuziehen sind, hat weder ein Verwertungsverbot im Strafverfahren (BGH-Beschluss vom 31. Januar 2007 - StB 18/06) noch im Besteuerungsverfahren (BFH-Beschluss vom 28. April 2014 - X B 3/14) zur Folge.
(2) Ein Verwertungsverbot besteht auch dann nicht, wenn Vorschriften verletzt werden, die nicht im Interesse und zum Schutz des Beschuldigten erlassen worden sind. So kann die ohne Aussagegenehmigung gemachte Aussage eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes (vgl. § 54 StPO) verwertet werden. Das Gleiche gilt für die Aussage eines Zeugen, der auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO nicht hingewiesen worden ist.
(3) Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, dürfen im Besteuerungsverfahren verwendet werden. Dies gilt auch für Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, soweit die Finanzbehörde diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der Strafprozessordnung Auskunft an die Finanzbehörden erteilt werden darf.
(4) Zur steuerlichen Verwertung bei Verletzung der Belehrungspflicht gemäß § 393 Abs. 1 Satz 4 AO vgl. Nummer 16 Abs. 3. Ebenso wenig begründet die nach § 136 Abs. 1 Satz 5 StPO unterbliebene Belehrung des Beschuldigten über die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung ein absolutes Verwertungsverbot (vgl. BGH-Beschluss vom 6. Februar 2018 - 2 StR 163/17). Im Einzelfall kann jedoch trotz fehlender gesetzlicher Regelung infolge einer Abwägung ein relatives Verwertungsverbot vorliegen - etwa wenn die Belehrung über die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung bewusst und willentlich unterblieben ist oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, der Beschuldigte hätte im Rahmen seiner ersten Vernehmung nur deswegen Angaben zur Sache gemacht, weil er mangels wirtschaftlicher Mittel keine Möglichkeit sah, sich eines Verteidigers zu bedienen.
(5) Offenbart der Steuerpflichtige im Rahmen einer Selbstanzeige eine allgemeine Straftat, die er zugleich mit der Steuerhinterziehung begangen hat - wie z. B. bei einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung -, besteht kein Verwendungsverbot gemäß § 393 Abs. 2 AO hinsichtlich eines solchen Allgemeindelikts (vgl. BGH-Beschluss vom 5. Mai 2004 - 5 StR 548/03).
(6) Verweigert ein zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger (§ 53 StPO) oder seine mitwirkende Person (§ 53a StPO) erst im Verlaufe der ...