Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Pensionsrückstellung für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Familien-GmbH bei notariell beurkundeter Zusage mit der Vollendung des 65. Lebensjahres auszuscheiden
Leitsatz (redaktionell)
Auch die notariell beurkundete Absicht des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer Familien-GmbH, mit dem 65. Lebensjahr seine Geschäftsführung niederzulegen, begründet nicht allein die Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage und damit eine gewinnmindernde Pensionsrückstellung.
Normenkette
EStG §§ 4, 6 Abs. 1 Ziff. 3, § 6a
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob für das Jahr 1958 für den eine GmbH beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine gewinnmindernde Pensionsrückstellung steuerlich zulässig ist. An der berufungsführenden GmbH mit einem Stammkapital von 8000 DM, die den Import und Großhandel in Schlachtprodukten (Innereien, Speck, Schmalz) betreibt, ist Herr A. zu 75 v.H. und seine Ehefrau zu 25 v.H. beteiligt. Frau A. erhielt als Angestellte der GmbH ein Gehalt von 6500 DM, Herr A. bezog als Geschäftsführer im Streitjahr ein Gehalt von 26 000 DM; außerdem hatte die GmbH eine gewinnmindernde Pensionsrückstellung im Streitjahr in Höhe von 14 080 DM vorgenommen, die das Finanzamt nicht anerkannte. Mit der Sprungberufung machte die Steuerpflichtige geltend, nach den bei ihr vorliegenden Umständen sei die Pensionszusage ernsthaft und daher die Pensionsrückstellung steuerlich zulässig. Die Ernsthaftigkeit ergebe sich insbesondere daraus, daß der Sohn bereits als Prokurist bei der Beschwerdegegnerin arbeitete und daher geradezu als Nachfolger des Vaters für Geschäftsführerposten prädestiniert sei.
Am 20. 12. 1961, also im Laufe des Berufungsverfahrens, gaben – offensichtlich zum weiteren Nachweis der Ernsthaftigkeit der Pensionszusage – die beiden Gesellschafter und ihr Sohn eine notarielle Erklärung ab, in der u.a. Herr A. wörtlich erklärte:
„Ich verpflichte mich, spätestens mit Wirkung zum Eintritt meines 65. Lebensjahres, d.h. zum 18. 12. 1970, mein Amt als Geschäftsführer der Gesellschaft niederzulegen.”
In der gleichen Urkunde berufen anschließend die beiden Gesellschafter mit Wirkung vom Ausscheiden des Herrn A. aus dem Amt des Geschäftsführers, spätestens jedoch mit Wirkung zum 19. 12. 1970, an dessen Stelle den Sohn zum Geschäftsführer. Sie geben anschließend in dieser Urkunde gegenüber dem Sohne die Verpflichtungserklärung ab, diesen „spätestens mit Wirkung zum 19. Dezember 1970 als Geschäftsführer” der Beschwerdegegnerin zu bestellen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat ferner eine eidesstattliche Versicherung dahingehend angeboten, daß er zu dem in der Pensionszusage genannten Datum in Pension zu gehen gedenkt.
Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben.
Es ging mit den Urteil des BFH I 11/58 S vom 5. 5. 1959 und I 4/59 S v. 4. 8. 1959, BStBl III 1959, 369 und 374, BFH 69, 286 und 299, davon aus, daß nur, wenn ernsthaft damit gerechnet werden könne, daß der Geschäftsführer auch wirklich zu dem vorgesehenen Zeitpunkt aus dem Dienst ausscheide, eine Pensionszusage steuerlich anerkannt werden könne. Es hat aber die Ernsthaftigkeit der Versorgungszusage als erwiesen angesehen, da mit der vorgesehenen Rechtsnachfolge des Sohnes und der notariellen Verpflichtung ein hinreichender Nachweis erbracht sei.
Der Finanzamtsvorsteher hat Rechtsbeschwerde eingelegt, die zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
Entscheidungsgründe
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach der Rechtsprechung des Senates bei Kapitalgesellschaften Pensionsversprechen an den Einmanngesellschafter oder den beherrschenden Gesellschafter Rückstellungen nur zugelassen werden, wenn die Pensionszusage eine ernsthafte Belastung bedeutet (vgl. BFH I 11/58 S und I 4/59 S aaO). Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß hierbei keine Typisierung geschaffen wird, sondern die Entscheidung nach den Umständen des Einzelfalles erfolgen soll und der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist. Es kann aber nicht der Ansicht beigetreten werden, daß im vorliegenden Falle die „Ernsthaftigkeit” in diesem Sinne als erwiesen anzusehen ist.
Die bürgerlich-rechtliche Gültigkeit des Vertrages steht hier nicht in Frage, ebensowenig seine Behandlung in der Handelsbilanz. Für die Frage, ob steuerlich eine gewinnmindernde Rückstellung zugelassen wird, sind die Grundsätze des Bilanzsteuerrechts maßgebend. Dabei ist zu berücksichtigen, daß im Ergebnis die jetzigen Gewinne gemindert werden, um eine zukünftige Belastung vorwegzunehmen. Gleichgültig wie man die steuerlich zulässige Rückstellung definiert, bleibt ihr stets wesentlich, daß sie als wirtschaftliche Last des Betriebes in Erscheinung tritt. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Last vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden. Darum sagt das Urteil I 11/58 S aaO, um in der Steuerbilanz Rückstellungen vornehmen zu können, müsse man ernsthaft damit rechnen, daß Ausgaben auch tatsächlich entstehen werden. Sei nach der Lage der Verhältnisse mit einer späteren Ausgabe ernsthaft nicht zu rechnen, so sei eine Rückstellung nicht zulässig. Es liege für das Geschäftsjahr kein Aufwand vor. Entscheidend für die Rückstellung sei, ob wirtschaftlich betrachtet ernsthaft mit der künftigen Zahlung von Pensionen in der im Vertrage vorgesehenen Form gerechnet werden müsse. Nur in diesem Falle könnte schon jetzt wegen der künftigen Zahlungen eine Belastung ausgewiesen werden (vgl. auch BFH I 199/61 U vom 8. 5. 1963, BStBl III 1963, 339). Dient die Rückstellung der Aufwandverteilung, so muß zu ihrer Rechtfertigung wirtschaftlich schon jetzt ein Aufwand vorliegen.
Wirtschaftlich gesehen kann ein solcher Aufwand der Beschwerdegegnerin nicht anerkannt werden. Ob und zu welchem Zeitpunkt die GmbH in der Zukunft ihr Pensionsversprechen erfüllen wird, steht in Fällen dieser Art im Belieben des bedachten Gesellschafter-Geschäftsführers. Selbst wenn dieser jetzt die Absicht hätte, sich mit dem 65. Lebensjahr von der Gesellschaft zurückzuziehen, so steht keinesfalls fest, daß er diese Meinung auch bei Eintritt des Pensionsfalles noch haben wird. Hat er dann aus irgendwelchen Gründen seinen Entschluß geändert, so ist er nicht gehindert, den neuen Entschluß in die Tat umzusetzen. Hieran ändern auch nichts die notarielle Erklärungen vom 20. 12. 1961. Für den Fall, daß der Gesellschafter A. zu dem angegebenen Zeitpunkt als Geschäftsführer nicht ausscheiden will, erscheint es ausgeschlossen, daß er als Vertreter der GmbH gegen sich selbst einen dahinzielenden Rechtsstreit führen würde. Es ist aber auch unwahrscheinlich, daß der Sohn als Nichtgesellschafter auf Grund des von diesem gegebenen Versprechens gegen seinen Vater, den beherrschenden Gesellschafter, auf Niederlegung der Geschäftsführung klagen würde (vgl. BFH I 188/61 S v. 26. 6. 1962, BStBl III 1962, 399, BFH 75, 366). Es ist auch offen, welchen Ausgang ein solcher Rechtsstreit nähme, und ob der Sohn, selbst wenn es ihm gelänge, zum Geschäftsführer der GmbH bestellt zu werden, auch das Ausscheiden des Vaters als Geschäftsführer erreichen könnte. Daran ändert nichts, daß das Versprechen des Vaters in einer notariellen Urkunde niedergelegt ist; denn durch die notarielle Beurkundung wird die Unsicherheit der Erfüllung des Versprechens und ihrer Durchsetzbarkeit nicht beseitigt.
Für den Fall, daß A. seine Geschäftsführertätigkeit auch nach Erreichung des 65. Lebensjahres fortsetzt, wäre eine jetzt zugelassene Gewinnminderung zwar ungerechtfertigt, aber steuerlich nicht mehr zu ändern. Andererseits gewinnt bei Ablehnung der Rückstellung der Pensionsvertrag seine volle steuerliche Bedeutung, wenn die Beschwerdegegnerin später tatsächlich die Pension zahlt, da in diesem Falle die Zahlungen im Jahr der Ausgabe als Betriebsausgabe abgesetzt werden könnten (vgl. BFH I 11/58 S aaO). Dafür, daß die Beschwerdegegnerin eine „ernsthafte” Belastung nicht übernehmen wollte, spricht auch der Umstand, daß kein anderer Angestellter ein entsprechendes Versorgungsversprechen erhalten hat. Auch das geringe Stammkapital der Firma deutet in dieselbe Richtung.
Der Einwand, daß nach diesen Grundsätzen nur in Ausnahmefällen eine Pensionsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter als „ernsthaft” zu behandeln sei, trifft zu. Das hat aber darin seinen Grund, daß es im allgemeinen schwierig ist, aus einem Versprechen, das der beherrschende Gesellschafter sich selbst gibt, eine echte wirtschaftliche Last der Gesellschaft abzuleiten.
Das Urteil des Finanzgerichts wäre im vorliegenden Falle schon um deswillen aufzuheben, weil die Vorinstanz es nach Anerkennung der Rückstellung unterlassen hat, zu prüfen, ob neben dem Gehalt von 26 000 DM auch noch eine zusätzliche Pensionsrückstellung von 14 080 DM im Rahmen einer angemessenen Vergütung liegen würde. Dies erscheint bei einem Stammkapital von 8000 DM zweifelhaft. Die Frage kann hier dahingestellt bleiben, weil die Rückstellung aus den schon genannten Gründen nicht als gewinnmindernd anerkannt wird.
Fundstellen