Normenkette
BewG 1965 § 69 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in X. Es handelt sich dabei um mit Obstbäumen bestandene Grünflächen. Die Grundstücke waren zum 1. Januar 1974, wie schon zum Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964), als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet. Die Grundstücksflächen liegen in einem Gebiet, für das die Stadt X im Jahr 1971 einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan - Nutzung als Industrie- und Gewerbegebiet - aufgestellt und im Jahr 1975 ein Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz (BBauG) eingeleitet hat.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete die Flächen im Jahr 1978 durch Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1976 als unbebautes Grundstück. Der Einspruch der Klägerin war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Art- und Wertfortschreibung sei gemäß § 69 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) Rechtens. Zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1976 sei nach den erkennbaren Umständen anzunehmen gewesen, daß die Grundstücke innerhalb des von der Rechtsprechung geforderten Zeitraumes von sechs Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen würden. Sie seien in dem bestandskräftigen Bebauungsplan als Industriegelände ausgewiesen. Die damit eingeleitete Entwicklung sei von der Stadt X durch das 1975 eingeleitete Umlegungsverfahren ernsthaft weiterbetrieben worden. Daß der Einleitungsbeschluß wegen Einwendungen oder Fehlern erst später bestandskräftig geworden sei, sei unerheblich. Im übrigen komme es weder auf die Bestandskraft des Umlegungsbeschlusses noch auf dessen tatsächliche Durchführung mit nachfolgender Erschließung des Geländes an; es genüge, wenn eine Nutzung als Industriegelände absehbar sei. Der Zeitraum von sechs Jahren reiche auch normalerweise aus, um für ein Gelände, für das die Gemeinde die Umlegung beschlossen habe, die Baureife herbeizuführen. Dies habe auch der nachfolgende Gang des Umlegungsverfahrens gezeigt.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 69 Abs. 1 BewG. Das FG habe den Rechtsbegriff "in absehbarer Zeit" verkannt. Dieser Zeitraum könne nicht im Zeitpunkt des Beschlusses über die Umlegung durch die Stadt X beginnen, sondern frühestens mit dessen Bestandskraft. Die Stadt X habe darüber hinaus den Umlegungsbeschluß mehrfach geändert und erst im Dezember 1979 die Erörterung gemäß § 66 BBauG durchgeführt; erst zu diesem Zeitpunkt sei eine Nutzungsänderung absehbar gewesen. Der zeitraubende Verfahrensgang und alle Unwägbarkeiten hätten zu dem Schluß zwingen müssen, daß - von dem hier streitigen Stichtag 1. Januar 1976 aus betrachtet - innerhalb von sechs Jahren mit einer Änderung der Nutzungsmöglichkeit nicht habe gerechnet werden können. Es widerspreche der Steuergerechtigkeit, wenn das FA zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse, insbesondere über Stand und Fortgang des Umlegungsverfahrens und der darauf folgenden Erschließung, bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Die Grundstücke der Klägerin seien im Gegensatz zur Auffassung des FG auch nicht bebaubar, da sie im wesentlichen nicht als Industriegelände, sondern als Erschließungsstraßen vorgesehen seien.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie den Einheitswertbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Grundstücke der Klägerin sind zu Recht als Grundvermögen bewertet worden.
1. Gemäß § 69 Abs. 1 BewG sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland, Industrieland oder Land für Verkehrszwecke, dienen werden.
a) Die der Klägerin gehörenden Flächen sind, wie das FG festgestellt hat, in dem bestandskräftigen Bebauungsplan der Stadt X als Industriegelände ausgewiesen. Damit ist davon auszugehen, daß diese Flächen künftig anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden.
b) Bereits zum Stichtag 1. Januar 1976 war mit einiger Wahrscheinlichkeit die künftige Verwendung als Industrieland absehbar. Für den Begriff der "absehbaren Zeit" hat der erkennende Senat, wie schon der Reichsfinanzhof - RFH - (Urteil vom 27. Juli 1938 III 322/37, RStBl 1938, 1157) in Anlehnung an die Dauer des Hauptfeststellungszeitraums einen Zeitraum von sechs Jahren nach den Verhältnissen des maßgebenden Feststellungszeitpunkts als angemessen angesehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. August 1972 III R 47/72, BFHE 106, 464, BStBl II 1972, 849, und vom 28. Juni 1974 III R 43/73, BFHE 113, 250, BStBl II 1974, 702).
Das FG hat zu Recht im Streitfall das bereits eingeleitete Umlegungsverfahren in die Beurteilung miteinbezogen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es unerheblich, daß der Umlegungsbeschluß an dem hier maßgeblichen Stichtag 1. Januar 1976 noch nicht bestandskräftig war. Das Umlegungsverfahren hat gemäß § 45 BBauG den Zweck, für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen zu lassen. Es dient damit, wie der Bebauungsplan, der diesem Verfahren grundsätzlich vorangeht, dem Vollzug der Bauleitplanung und dem Zweck, die Baureife der betroffenen Grundstücke durch Ausscheidung von Straßenland zur Erschließung oder durch zweckmäßige Gestaltung für die bauliche oder sonstige Nutzung herbeizuführen (vgl. Schrödter, Kommentar zum Bundesbaugesetz, 4. Aufl., § 45 Rdnrn. 7 und 8). Die Einleitung eines Umlegungsverfahrens durch einen Umlegungsbeschluß ist deshalb ein geeigneter Anhaltspunkt dafür, daß die Planungsabsichten der Gemeinde zum Stichtag mit der nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 27. Januar 1978 III R 101/75, BFHE 124, 367, BStBl II 1978, 292) geforderten Wahrscheinlichkeit erkennbar sind und damit die Änderung der Nutzung i. S. des § 69 Abs. 1 BewG in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
2. Die von der Klägerin erhobenen weiteren Einwände sind unbegründet.
a) Das FG hat unangefochten und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) festgestellt, daß der Zeitraum von sechs Jahren im Streitfall ausreichend war, für das Gelände, für das die Stadt X die Umlegung beschlossen hatte, die Baureife herbeizuführen. Die Stadt X hat das Umlegungsverfahren, wie sich aus dem vom FG festgestellten weiteren Verfahrensablauf ergibt, auch zweckentsprechend betrieben.
b) Das FA durfte auch zu Recht an diesen zeitlichen Anhaltspunkt für die Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1976 noch bei der Bescheiderteilung im Jahr 1978 anknüpfen. Denn die Wahrscheinlichkeit für die Änderung der Nutzungart ist nach den Verhältnissen im Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1976) und nicht nach der tatsächlichen Entwicklung bis zur Bescheiderteilung zu beurteilen (vgl. Urteil in BFHE 106, 464, BStBl II 1972, 849).
Die Tatsache, daß die Stadt X dem FA mit dem vom FG in Bezug genommenen Schreiben vom 31. Januar 1978 mitgeteilt hat, die Rechtskraft des Umlegungsbeschlusses lasse sich noch nicht voraussagen und erst nach Abschluß der Umlegung könne der Erschließung des Gesamtgeländes nähergetreten werden, rechtfertigt hinsichtlich des Stichtages 1. Januar 1976 keine andere Beurteilung. Diese Auffassung des Senats wird dadurch erhärtet, daß durch die örtliche Vermessung der Flächen bereits die technischen Vorarbeiten für die Umlegung abgeschlossen waren und die zur Aufstellung des Umlegungsplanes erforderliche Anhörung der Beteiligten (§ 66 Abs. 1 BBauG) unmittelbar bevorstand.
c) Auf den Umstand, daß die in das Umlegungsverfahren eingebrachten Flächen der Klägerin nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes als Erschließungsstraßen vorgesehen sind, kommt es nicht an Die Klägerin trägt selbst vor, daß sie aus der Umlegungsmasse - nach Ausscheiden der Verkehrs- und ggf. Grünflächen (§ 55 Abs. 2 BBauG) - Ersatzgrundstücke erhält. Für diese Grundstücke, an denen sich das Eigentum der Klägerin fortsetzt, gilt ebenfalls, daß die Nutzungsänderung i. S. des § 69 Abs. 1 BewG voraussehbar war.
Fundstellen
Haufe-Index 75089 |
BStBl II 1984, 744 |
BFHE 1985, 550 |