Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung einer Zollschuld, Aussetzung einer Verjährungsfrist

 

Normenkette

ZK Art. 29, 22 Abs. 6 Unterabs. 1; EUV 952/2013 Art. 124 Abs. 1 Buchst. a; EUV 952/2013 Art. 103 Abs. 1; EUV 952/2013 Art. 103 Abs. 3 Buchst. b

 

Beteiligte

Jumbocarry Trading

Staatssecretaris van Financiën

Jumbocarry Trading GmbH

 

Verfahrensgang

Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 24.01.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 201/8)

 

Tenor

Art. 103 Abs. 3 Buchst. b und Art. 124 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union sind im Licht der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dahin auszulegen, dass sie auf eine vor dem 1. Mai 2016 entstandene und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Zollschuld anzuwenden sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 24. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 2020, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

Jumbocarry Trading GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Jumbocarry Trading GmbH, Prozessbevollmächtigte: C. H. Bouwmeester und E. M. Van Doornik, belastingadviseurs,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,
  • des Europäischen Parlaments, vertreten durch R. van de Westelaken und M. Peternel als Bevollmächtigte,
  • des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A. Sikora-Kaleda und S. Emmerechts als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Februar 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 103 Abs. 3 Buchst. b und Art. 124 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, und Berichtigung ABl. 2013, L 287, S. 90) (im Folgenden: Zollkodex der Union).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) und der Jumbocarry Trading GmbH (im Folgenden: Jumbocarry) wegen einer Zahlungsaufforderung für Zölle in Bezug auf eine in die Union eingeführte Warensendung, bei der sich später herausstellte, dass auf sie kein Präferenzzollsatz von 0 % angewandt werden konnte.

Rechtlicher Rahmen

Zollkodex der Gemeinschaften

Rz. 3

Art. 221 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. 2000, L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bestimmte:

„(1) Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

(3) Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.”

Rz. 4

Art. 243 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften lautete:

„Jede Person kann einen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen der Zollbehörden auf dem Gebiet des Zollrechts einlegen, die sie unmittelbar und persönlich betreffen.”

Zollkodex der Union

Rz. 5

Durch den Zollkodex der Union, der gemäß seinem Art. 287 am 30. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, wurde der Zollkodex der Gemeinschaften aufgehoben. Ein Großteil seiner Bestimmungen, insbesondere die Art. 22, 29, 103, 104 und 124, ist jedoch nach seinem Art. 288 Abs. 2 erst ab dem 1. Mai 2016 anwendbar.

Rz. 6

Art. 22 („Entscheidungen auf Antrag”) Abs. 6 Unterabs. 1 des Zollkodex der Union bestimmt:

„Vor Erlass einer den Antragsteller belastenden Entscheidung teilen die Zollbehörden die Gründe, auf die sie ihre Entscheidung stützen wollen, dem Antragsteller mit, der Gelegenheit erhält, innerhalb einer ab dem Tag, an dem er diese Mitteilung erhält oder an dem sie als diesem zugestellt gilt, laufenden Frist Stellung zu nehmen. Nach Ablauf dieser Frist wird dem Antragsteller die Entscheidung in geeigneter Form mitgeteilt.”

Rz. 7

Art. 29 („Entscheidungen ohne vorherigen Antrag”) dieses Kodex sieht vor:

„Außer in dem Fall, in dem eine Zollbehörde als Gericht handelt, gelten Artikel 22 Absätz...

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