Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Nachgehend
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 1993 vom 27.04.1994 und die Einspruchsentscheidung vom 14.10.1994, geändert durch den Bescheid vom 27.05.1997, werden dahingehend geändert, daß weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von DM 2.745,60 berücksichtigt werden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten der Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Sache befindet sich im II. Rechtszug.
Die Kläger sind Eltern einer Tochter mit Namen A…, die an einer krankhaften Störung ihrer Sprachentwicklung leidet. Bis zum Sommer 1992 besuchte A… einen von der Wohnung der Kläger nur zwei Minuten Fußweg entfernten Kindergarten. Im August 1992 wechselte sie in eine 12 km von der Wohnung der Kläger entfernte Integrationseinrichtung für sprachgestörte Vorschulkinder.
Jeweils ein Elternteil brachte die Tochter im Streitjahr morgens in die Integrationseinrichtung und fuhr allein nach Hause bzw. zur Arbeitsstätte, wobei in letzterem Fall der Wohnort L… wegen der Lage der Arbeitsstätte wieder passiert werden mußte. Mittags fuhr dann ein Elternteil von zu Hause bzw. von der Arbeitsstätte in die Integrationseinrichtung und holte A… dort ab, um sie nach Hause zu bringen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1993 machten die Kläger Fahrtkosten in Höhe von DM 5.649,60 als außergewöhnliche Belastungen geltend, die sich wie folgt zusammensetzten:
44 Wochen × 5 Tage × 24 km × DM 0,55 = DM 2.904,– für die gemeinsam mit A… unternommenen Fahrten
44 Wochen × 5 Tage × 24 km × DM 0,52 = DM 2.745,60 für die Fahrten ohne A… (Leerfahrten).
Der Beklagte lehnte im Einkommensteuerbescheid vom 27.04.1994 die geltend gemachten Aufwendungen mit der Begründung ab, daß diese nicht außergewöhnlich seien, sondern mit dem Kinderfreibetrag abgegolten seien. Hiergegen legten die Kläger erfolglos Einspruch ein und erhoben fristgerecht Klage.
Mit Urteil vom 23.08.1995 hat der 2. Senat des Finanzgerichts der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils Bezug genommen. Der Bundesfinanzhof – BFH – hat das Urteil des Finanzgerichts unter Hinweis auf ein fehlendes amtsärztliches Attest aufgehoben und an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Im II. Rechtszug haben die Kläger ein amtsärztliches Attest über die Sprachstörung der Tochter A… vorgelegt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die Kläger vertreten die Auffassung, daß infolge der Krankheit von A… die Fahrten zur Integrationseinrichtung erforderlich gewesen seien, um die Krankheit ihrer Tochter behandeln zu lassen. Dies gelte nicht nur für die mit ihrer Tochter unternommenen Fahrten, sondern auch für die sog. Leerfahrten. Der jeweils A… begleitende Elternteil habe den Vormittag nämlich nicht in der Integrationseinrichtung verbringen können, so daß sämtliche Fahrten durch die Krankheit verursacht worden seien.
Während des Gerichtsverfahrens im II. Rechtszug hat der Beklagte aufgrund der zwischenzeitlich vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung über die krankheitsbedingte Sprachstörung von A… am 27.05.1997 einen Änderungsbescheid erlassen und Fahrtkosten im Umfang von DM 2.904,– für die gemeinsam mit A… unternommenen Hin- und Rückfahrten anerkannt. Mit Schriftsatz vom 30.06.1997 haben die Kläger die Berücksichtigung der weiteren Fahrtkosten in Höhe von DM 2.745,60 für die sog. Leerfahrten geltend gemacht; wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schriftsatzes wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 1993 vom 27.04.1994 und die Einspruchsentscheidung vom 14.10.1994, geändert durch den Bescheid vom 27.05.1997, dahingehend zu ändern, daß weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von DM 2.745,60 berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei unzulässig, da die Kläger keinen Antrag nach § 68 FGO gestellt hätten. In materieller Hinsicht käme eine Berücksichtigung der sog. Leerfahrten nicht in Betracht, da diese lediglich mittelbare Krankheitskosten seien und nach der Rechtsprechung des BFH nicht berücksichtigt werden könnten.
Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der geänderte Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß die Kläger keinen ausdrücklichen Antrag nach § 68 FGO gestellt haben, nachdem der Beklagte während des II. Rechtszugs am 27.05.1997 einen Änderungsbescheid erlassen hatte. Der Schriftsatz der Kläger vom 30.06.1997 ist nämlich als fristgerechter An...