Entscheidungsstichwort (Thema)
Behauptung eines Strohmanngeschäfts im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen Branntweinlieferungen. Tatsächliche Verständigung über Unternehmereigenschaft. Unternehmereigenschaft auch bei Gewerbeabmeldung. Verlängerte Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Erklärt ein Spirituosenhändlers gegenüber dem zuständigen Sachgebietsleiter im Rahmen einer wirksamen tatsächlichen Verständigung, dass er der Unternehmer und der Schuldner der Umsatzsteuer für Branntweinlieferungen sei, und dass er die Tochter nur als Strohmann missbraucht habe, ist er an diese Erklärung gebunden.
2. Der Annahme der Unternehmereigenschaft steht nicht entgegen, dass ein Branntweinhändler seine gewerbliche Tätigkeit offiziell abgemeldet hat und er kein Unternehmer mehr sein will.
3. Eine zur Verlängerung der Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO führende Steuerhinterziehung liegt vor, wenn keine Aufzeichnungen über wirtschaftliche Tätigkeiten geführt und keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben werden sowie versucht wird, durch immer wieder abweichende Aussagen eine Steuerfestsetzung zu verhindern.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 370
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Der Beigeladene werden weder Kosten auferlegt, noch bekommt sie solche erstattet.
Tatbestand
Der Kläger betrieb seit 1973 einen Großhandel mit Spirituosen. 1992 wurde die ursprüngliche Umsatz- und Gewerbesteuer vom Beklagten mangels gewerblicher Tätigkeit des Klägers auf 0 DM gesetzt. Die Beigeladene (Tochter des Klägers, geb. am XX.XX.XXXX) übernahm im Oktober 1985 den Gewerbebetrieb „Bau, Brennerei, Obstverwertung und Handel” von ihrem Großvater. Im Juli 1988 wurde das Gewerbe abgemeldet und 1992 ihre Steuernummer gelöscht (Bl. 7 Fhdg).
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in den Jahren 1992 bis 1994 umsatzsteuerpflichtige Branntweinlieferungen/-beförderungen getätigt hatte.
Im Zuge einer von 1996 – mit Unterbrechung – bis 2000 durchgeführten Zoll- und Steuerfahndungsprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, dass der Kläger bzw. die Beigeladene im Klagezeitraum in erheblichem Umfang mit Branntweinen und Maische bzw. Obsterzeugnissen handelten, ohne dieses gewerberechtlich und steuerrechtlich angemeldet zu haben. Es wurden Verkaufsrechnungen aus den Jahren 1992-1994 an die Firma C GmbH (insgesamt 2.371.005 DM), Rechnungen aus den Jahren 1992/93 an die Firma D (insgesamt 1.578.746 DM), sowie eine Reihe von geringfügigeren Rechnungen aus den Jahren 1990-1994 sichergestellt (u.a. Bl. 92 ff Fhdg sowie BM I und BM II). Alle Rechnungen wiesen Umsatzsteuer aus. Rechnungsausstellerin war die Beigeladene (Bl. 93 ff. Fhdg). Den Rechnungen zufolge wurden Branntwein, Hefebrände, sowie Maische etc veräußert. Die Beigeladene hat die veräußerten Hefebrände vorher auf eigene Rechnung filtrieren lassen (Bl. 251 ff. Fhdg; Anl. zu den Dossiers BM II). Die Gelder/Schecks aus den Veräußerungen wurden überwiegend auf das Konto „Obstbau B” bei der E-Bank eingezahlt (BM II s. einzelne Dossiers). Über dieses Konto konnten sowohl der Kläger, als auch die Beigeladene verfügen (Bl. 302 Fhdg). Höhere Beträge wurden abgehoben. Einzelne Beträge wurden vom Kläger von dem Konto „Obstbau B” auf das eigene Konto umgebucht (Bl. 303 ff. Fhdg).
Der Fahnder ermittelte die folgenden Besteuerungsgrundlagen (Bl. 61 Fhdg-UStSp, Tz: D1g des Fahndungsberichtes):
|
1992(DM) |
1993 (DM) |
1994 (DM) |
steuerpflichtiger Umsatz |
1.080.609,00 |
1.572.562,00 |
817.999,00 |
Umsatzsteuer 14/15% |
151.028,75 |
235.884,30 |
123.699,94 |
Umsatzsteuer 7% |
|
128,31 |
|
Vorsteuer/EUSt |
6.961,79 |
15.228,48 |
4.262,35 |
Zahllast |
144.195,46 |
220.655,82 |
118.427,59 |
Die Einfuhrumsatzsteuer- und die Vorsteuerbeträge ergaben sich aus den Rechnungen F (Spedition Frischobst) und Ets. G & Fils S.A. (Frischobstlieferungen – BM I Bl. 191-223 s.o.), sowie aus den Rechnungen über Filtrierung (Bl. 66 Fhdg-UStSp).
Ein Vorsteuerabzug aus dem Ankauf des Branntweins wurde mangels Einkaufsrechnungen nicht gewährt. Zwar hat die Beigeladene dem mutmaßlichen Lieferanten H aus I in 1999 Abrechnungsgutschriften geschickt (Bl. 245 ff Fhdg), diesen widersprach H jedoch (Bl. 269 Fhdg). Auch ein diesbezügliches zivilrechtliches Klageverfahren (Bl. 50 ff. Rbh) des Klägers gegen H blieb erfolglos.
Den o.g. Umsätzen liegen die folgenden Liefermengen zugrunde:
1992: |
1993: |
1994: |
29.889,10 l Alkohol |
49.527,61 l Alkohol |
26.100,70 l Alkohol |
Aufgrund des vorläufigen Fahndungsberichtes vom 16. Januar 1998 (Bl. 132 Fhdg) wurde die Umsatzsteuer 1992-1994 mit Bescheiden vom 17. Februar 1998 zunächst gegen den Kläger gem. § 165 Abs. 1 S. 1 AO festgesetzt. Nach dem Schlussbericht der Fahndung vom 4. Januar 2001 wurden am 1. März 2001 Bescheide über Umsatzsteuer 1992-1994 für die „A und