Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzsteuer auf elektrisch zu erhitzende Tabakstränge – Vereinbarkeit mit Unionsrecht; Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
Vor dem Hintergrund des dem EuGH vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens des FG Düsseldorf vom 29. April 2022 - 4 K 2661/21 VTa bestehen die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigende ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Zusatzsteuer auf elektrisch zu erhitzende Tabakstränge gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG i.d.F. vom 10.08.2021 mit dem Unionsrecht.
Normenkette
FGO § 69; TabStG § 1 Abs. 1 Sätze 1, 3, §§ 1a, 2 Abs. 1 Nr. 5; RL 2008/118/EG Art. 1 Abs. 2; RL 2011/64/EU Art. 13 Buchst. c; RL 2011/64/EU Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c, Abs. 3; AEUV Art. 267 Abs. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin stellt Tabakwaren her. Sie entwickelte Tabakstränge, die in ein batteriebetriebenes Heizgerät eingeführt und erhitzt werden. ...
In Deutschland wurden…zu erhitzende Tabakstränge bis zum 31. Dezember 2021 nur nach dem Steuersatz für Pfeifentabak versteuert. Ab dem 1. Januar 2022 wird für erhitzten Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I, Seite 1870) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I, Seite 3411) (TabStG) neben dem Steuersatz für Pfeifentabak eine Zusatzsteuer erhoben, die 80 Prozent des Steuersatzes für Zigaretten abzüglich des Steuerbetrags für Pfeifentabak beträgt.
Die Antragstellerin gab…beim Antragsgegner eine Steueranmeldung für ab dem…zu verwendende Steuerzeichen für zu erhitzende Tabakstränge ab. Hierin ermittelte sie die von ihr zu entrichtende Tabaksteuer mit…Euro. Hiervon entfiel ein Betrag von…Euro auf die nach dem Steuersatz für Rauchtabak berechnete Steuer sowie ein Betrag von…Euro auf die Zusatzsteuer.
Die Antragstellerin hat gegen die Steueranmeldung…Sprungklage erhoben – 4 K 2661/21 VTa –. Die Klage ist dem Antragsgegner…zugestellt worden. Er hat der Sprungklage…zugestimmt.
Die Antragstellerin beantragte…beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der von ihr angefochtenen Steueranmeldung ..., soweit damit die für erhitzten Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 TabStG angemeldete Steuer die für Pfeifentabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 TabStG zu erhebende Steuer übersteigt. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 31. März 2022 ab.
Die Antragstellerin hat den vorliegenden Antrag gestellt, mit dem sie vorträgt: Die Erhebung der Zusatzsteuer auf erhitzten Tabak verstoße gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. EU 2009, L 9, Seite 12) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2019/475 des Rates vom 18. Februar 2019 (ABl. EU 2019, L 83, Seite 42) (Richtlinie 2008/118). Bei der Zusatzsteuer handele es sich nicht um eine zulässige andere indirekte Steuer. Vielmehr stelle die Zusatzsteuer eine weitere Tabaksteuer und damit eine Verbrauchsteuer dar. Die Zusatzsteuer werde auch nicht für besondere Zwecke erhoben, weil die Einnahmen aus der Steuer nicht zur Deckung gesundheitsbezogener Ausgaben verwendet würden.
Darüber hinaus verstoße die Erhebung der Zusatzsteuer gegen Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. EU 2011, L 176, Seite 24) (Richtlinie 2011/64), weil Tabakwaren innerhalb der Gruppe des anderen Rauchtabaks nicht unterschiedlich behandelt werden dürften. Ferner verstoße die Erhebung der Zusatzsteuer gegen Art. 14 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/64. Danach sei die Berechnung der spezifischen Verbrauchsteuer für anderen Rauchtabak nach der Stückzahl unzulässig. Im Ergebnis führe die für erhitzten Tabak gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 TabStG vorgesehene Zusatzsteuer zu einer unzulässigen Berechnung der insgesamt zu erhebenden Steuer nach einem Ad-Valorem-Steuersatz sowie einem spezifischen Steuersatz, der sich nach dem Gewicht und der Stückzahl der Tabakstränge richte.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Vollziehung der Steueranmeldung…ab dem…auszusetzen, soweit damit die für zu erhitzenden Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 TabStG angemeldete Tabaksteuer die für Pfeifentabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 TabStG zu erhebende Steuer übersteigt;
2. hilfsweise die Vollziehung der Steueranmeldung…ab dem…in Höhe der angemeldeten Pfeifentabaksteuer für zu erhitzenden Tabak aufzuheben, soweit damit die für zu erhitzenden Tabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 TabStG angemeldete Tabaksteuer die für Pfeifentabak nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 TabStG zu erhebende Steuer übersteigt;
3. hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner trägt vor: Im Hinblick auf das an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtete Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 29. April 2022 in dem Hauptsacheverfahren 4 K 2661/21 VTa bestünden gegen eine gerichtlich angeordnete Aussetzung der Vollziehung keine Beden...