vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerbefreiung bei Grundstücksübertragung auf personengleiche Gesamthand – Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf 10 Jahre – Zeitlicher Anwendungsbereich bei Erwerb vor dem 01.07.2021
Leitsatz (redaktionell)
Es erscheint ernstlich zweifelhaft, ob die Verlängerung der Nachbehaltensfrist für Grundstücksübertragungen auf eine personengleiche Gesamthand in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auf 10 Jahre auf vor dem 01.07.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge anwendbar ist.
Normenkette
GrEStG § 6 Abs. 3 Sätze 1-2, § 23 Abs. 18, 24
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung darum, ob die in § 6 Abs. 3 S. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes- GrEStG - auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist anwendbar ist.
Die Antragstellerin wurde von den Gesellschaftern S. M., Dr. K. M. und Z. M. im Jahr 2015 zunächst als offene Handelsgesellschaft gegründet. Durch eine notarielle Urkunde vom 19.01.2018 verpflichtete sich die ebenfalls aus den Gesellschaftern der Antragstellerin bestehende C. M. B. GmbH & Co. KG zur Einbringung zweier Flurstücke in J..
Der Antragsgegner erließ hierauf einen Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 15.02.2018, durch den er die Grunderwerbsteuer im Hinblick auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG i.H.v. 0 Euro festsetzte. In den Erläuterungen des Bescheides wies der Antragsgegner darauf hin, dass die gewährte Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit entfalle, wenn sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die andere Gesamthand vermindere (§ 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG).
Durch Schreiben vom 10.09.2021 wies der Antragsgegner die Antragstellerin daraufhin, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 die fünfjährige Nachbehaltensfrist mit Wirkung ab dem 01.07.2021 auf zehn Jahre verlängert habe. Diese Verlängerung gelte für alle Sachverhalte, für die die bisherige fünfjährige Frist - wie bei der Antragstellerin - vor dem Stichtag 01.07.2021 noch nicht abgelaufen sei (§ 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG).
Die Gesellschafter der Antragstellerin beschlossen aufgrund notarieller Urkunde vom 00.00.2023 einen Formwechsel der Antragstellerin in die Rechtsform einer GmbH, welcher am 00.00.2023 ins Handelsregister eingetragen wurde.
Der Antragsgegner änderte daraufhin den ergangenen Grunderwerbsteuerbescheid durch Bescheid vom 22.11.2023 wegen eines rückwirkenden Ereignisses und setzte die Grunderwerbsteuer hinsichtlich des Einbringungsvertrags vom 19.01.2018 auf 14.097 € fest.
Die Antragstellerin legte hiergegen durch Schreiben vom 14.12.2023 Einspruch ein, über den der Antragsgegner bisher nicht entschieden hat. Sie beantragte ferner die Aussetzung der Vollziehung, welche der Antragsgegner durch Schreiben vom 21.12.2023 ablehnte. Am 09.01.2024 zahlte die Antragstellerin die festgesetzte Grunderwerbsteuer.
Die Antragstellerin hat am 01.07.2024 bei Gericht die Aufhebung der Vollziehung beantragt.
Zur Begründung trägt sie vor, dass durch das Gesetz vom 12.05.2021 zur Verlängerung der Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG eine unzulässige und verfassungswidrige echte Rückwirkung gegeben sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Bescheids über Grunderwerbsteuer vom 22.11.2023 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung weist er darauf hin, dass eine unzulässige echte Rückwirkung nicht gegeben sei. Diese liege nur dann vor, wenn der Gesetzgeber in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife. Dies sei in Bezug auf die Verlängerung der fünfjährigen Frist nicht der Fall, da diese zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen sei.
Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug.
II.
Der Antrag ist begründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwar...