rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht für eine nach Wegzug des Arbeitnehmers nach Österreich ausgezahlte Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhält ein vormals in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer für die Auflösung seines Dienstverhältnisses eine Abfindung, die ihm erst nach seinem Wegzug nach Österreich ausgezahlt wird, so steht Österreich als Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA Österreich das Besteuerungsrecht zu.
2. Das Besteuerungsrecht der BRD wäre nur dann gegeben, wenn es sich bei den streitigen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit um eine Vergütung für eine im Inland konkret ausgeübte Tätigkeit handelt. Das ist jedoch bei Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht der Fall.
Normenkette
DBA AUT Art. 15 Abs. 1 Sätze 1-2; EStG § 1 Abs. 4
Tenor
1. Die Einkommensteuer für 2006 und der Solidaritätszuschlag 2006 werden unter Abänderung der Steuerbescheide vom 05. Oktober 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 auf … EUR bzw. … EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung einer Abfindungszahlung.
Der Kläger war seit dem 01. Dezember 1999 bei der Fa. A GmbH, München beschäftigt. Ihm wurde seitens seiner Arbeitgeberin am 27. Januar 2005 gekündigt. Hiergegen reichte der Kläger Kündigungsschutzklage ein. Zur Beendigung des Rechtsstreites wurde am 21. April 2005 eine Aufhebungsvereinbarung mit u.a. folgenden Konditionen geschlossen: Das Arbeitsverhältnis wurde mit Wirkung zum 31. Juli 2005 im gegenseitigen Einvernehmen beendet (Ziff. 1); die Arbeitgeberin verpflichtete sich, die Kündigung vom 27. Januar 2005 zurückzunehmen (Ziff. 2); der Kläger verpflichtete sich, seine Kündigungsschutzklage zurückzunehmen (Ziff. 3); als Ausgleich aller durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehender Nachteile sollte er eine zum 31. August 2005 fällige Abfindung in Höhe von 1,45 Mio. EUR erhalten (Ziff. 6). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aufhebungsvertrag vom 21. April 2005 verwiesen.
Die Abfindung wurde dem Kläger – entgegen der vertraglichen Vereinbarung – zusammen mit einer Sondervergütung in Höhe von 50.000 EUR erst im Jahr 2006 (März) ausbezahlt. Der Beklagte (das Finanzamt) berücksichtigte beide Beträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Jahres 2006. Mit Bescheid vom 05. Oktober 2007 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2006 auf … EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger am 07. Oktober 2007 Einspruch ein. Zur Begründung ließ er vortragen, er habe zum 29. September 2005 seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben und sei zu diesem Zeitpunkt nach Österreich verzogen. Da die Abfindung erst in 2006 ausbezahlt wurde, könne sie nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich (im Folgenden DBA-Österreich) nicht mehr in Deutschland besteuert werden; steuerpflichtig sei hier nur noch die Sondervergütung in Höhe von 50.000 EUR.
Wegen des damals beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens I R 48/05 wollte das Finanzamt das Einspruchsverfahren des Klägers ruhen lassen (Schreiben des Finanzamts vom 11. Oktober 2007). Der Kläger war damit nicht einverstanden. Als das Finanzamt ihn bat, sich noch etwas zu gedulden, reichte der Kläger am 03. März 2008 Untätigkeitsklage ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 – also nachdem Untätigkeitsklage erhoben worden war – wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger beantragt zuletzt, unter Abänderung des Bescheides vom 05. Oktober 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 die Einkommensteuer für 2006 auf … EUR und den Solidaritätszuschlag 2006 auf … EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008, die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 09. September 2010 war der Klage stattgegeben worden. Mit Schreiben vom 29. September 2010 stellte das FA Antrag auf mündliche Verhandlung.
Auf die Schreiben des Klägers vom 06. Juli bzw. 05. August 2010 und das der A GmbH vom 16. August 2010 sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 12. November 2010 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist mit Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 zulässig geworden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BStBl II 1985, 521, Gräber/von Groll, Komm. zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 46 Rz. 13).
2. Die Klage ist auch begründet.
Das FA hat die lt. Aufhebungsvertrag vom 21. April 2005 an sich zum 31. August 2005 fällige Abfindung in Höhe von 1,45 Mio. EUR zu Unrecht der Besteuerung unterworfen.
a) Der Senat geht aufgru...