Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für Tanzkurse gemeinnütziger Vereine
Leitsatz (redaktionell)
- § 4 Nr. 22a UStG ist einschränkend auszulegen. Bei richtlinienkonformer Auslegung fallen nur solche Leistungen unter § 4 Nr. 22a UStG, die entweder der Erziehung von Kindern und Jugendlichen dienen oder dem Schul- und Hochschulunterricht oder der Aus- und Fortbildung oder der beruflichen Umschulung.
- Tanzkurse, die diesen Ausbildungszwecken nicht dienen, sind in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 22a UStG nicht einzubeziehen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 22
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997, 1998
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein, der vom Beklagten als gemeinnützig anerkannt wurde. Streitig ist, ob Umsätze aus den vom Kläger durchgeführten Tanzkursen nach § 4 Nr. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit sind.
Für die Streitjahre (1995–1998) gab der Kläger am 09.08.1999 jeweils eine Umsatzsteuererklärung ab, in der er jeweils steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz und Vorsteuerbeträge erklärte. Bei all diesen Erklärungen ergab sich eine Umsatzsteuer-Zahllast. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Streitjahre waren nicht festgesetzt worden.
Mit Bescheiden vom 05.01.2000 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß fest. In einer Anlage zu diesen Bescheiden wies er darauf hin, die Bereiche Tanzwerkstatt und Cafeteria seien als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe behandelt worden.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 28.01.2000 Einspruch ein, der zunächst damit begründet wurde, die Umsätze aus den Bereichen Tanzwerkstatt und Cafeteria seien nach § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Im Laufe des Einspruchsverfahrens machte der Kläger nur noch geltend, diese Steuerbefreiung sei für die Einnahmen aus der Tanzwerkstatt zu gewähren. Der Einspruch wurde als unbegründet abgewiesen, da Tanzkurse nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 22 a UStG fielen.
Hiergegen erhob der Kläger die vorliegende Klage, die er zunächst wie folgt begründete: Es beständen erhebliche Unterschiede zwischen den vom Kläger durchgeführten Seminaren und den üblichen Tanzkursen gewerblicher Tanzschulen. Bei dem Kläger hätten sich Dozenten aus den Bereichen Rhythmik, Tanztherapie und Sozialpädagogik zusammengeschlossen, um die Ausdrucksformen Musik und Bewegung künstlerisch und ganzheitlich erfahrbar zu machen. Die Teilnehmer sollten in ihrer ganzen Person verstanden und auf geistiger, körperlicher und emotionaler Ebene angesprochen werden. In den Seminaren des Klägers solle durch Rhythmikübungen ein besonderes Körpergefühl herausgebildet werden. Adressaten dieser Kurse seien nicht das übliche Tanzschulpublikum, sondern unsichere Menschen, die durch ergänzende Beratungen und unterstützende Kursangebote bei ausgeprägten psychischen und physischen Unsicherheiten betreut würden, um die Koordinationsfähigkeiten in der Bewegung sowie das musikalische Hören zu fördern. Der Kläger arbeite nicht leistungs- oder erfolgsorientiert. Kreistänze lösten Paartänze ab, um das Vertrauen in der Gruppe zu stärken und Hemmungen abzubauen.
Ergänzend erläuterte die 1. Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe mit den in den Streitjahren durchgeführten Tanzkursen Teilnehmer angesprochen, die nicht an der reinen Vermittlung von Tanztechniken interessiert gewesen seien, sondern durch das Mittel des Tanzes fremde Kulturen kennen lernen wollten. Diese Tänze seien vielfach von Tanzlehrern aus den entsprechenden Herkunftsländern vermittelt worden.
Da die Umsätze aus der Tanzwerkstatt steuerfrei seien, schieden sie aus dem Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 3 UStG aus. Mit den verbleibenden Umsätzen aus der Cafeteria überschreite der Kläger nicht die Kleinunternehmergrenze des § 19 Abs. 1 UStG. Deshalb dürfe Umsatzsteuer insgesamt nicht erhoben werden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1995 – 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, § 4 Nr. 22 a UStG sei eng auszulegen, da diese Vorschrift Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht umsetze. Steuerbefreiungen nach Art. 13 der 6. EG-Richtlinie seien als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringe, der Umsatzsteuer unterliege, eng auszulegen. Die streitbefangenen Kurse würden sich nicht wesentlich von Tanzkursen gewerblicher Tanzschulen unterscheiden. Der Kläger habe bisher keinerlei Belege für die von ihm behaupteten Unterschiede zu anderen Tanzkursen vorgelegt, sondern lediglich allgemeine Ziele des Klägers vorgetragen, ohne dass ersichtlich sei, in welcher Weise diese Ziele die Kursinhalt konkret beeinflusst hätten. Auch gewerbliche Tanzschulen stellten in ihrer Werbung die positive Wirkung des Tanzens auf die körperliche Kondition, das Selbstvertrauen, das Sozialverhalten usw. heraus.