Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
Der Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden gilt als Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG). Für die Besteuerung, d. h. Anwendung des maßgeblichen Freibetrags und des maßgeblichen Steuersatzes, ist dabei nicht auf das Verhältnis zur Stiftung, sondern auf den "entferntest Berechtigten" zum Schenker (bzw. Erblasser) abzustellen (sog. Steuerklassenprivileg für Familienstiftungen, § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG).
Dieses Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG führt regelmäßig zur Anwendung der Steuerklasse I, verbunden mit relativ hohen Freibeträgen und günstigen Steuersätzen.
7.5.1 Bestimmung des "entferntest Berechtigten"
"Entferntest Berechtigter" i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist grundsätzlich derjenige Berechtigte, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wäre die Zuwendung direkt vom Stifter an diesen erfolgt. Wer bei der jeweiligen Familienstiftung als "entferntest Berechtigter" anzusehen ist, ist laut BFH der Formulierung in der jeweiligen Stiftungssatzung zu entnehmen. Dabei bezieht der BFH auch die potenziell (nach der Stiftungssatzung möglichen) Berechtigten ein (und nicht nur die sofort Bezugsberechtigten). Für den BFH ist dabei sowohl unerheblich, dass eine Urenkelgeneration bei Errichtung der Stiftung noch nicht geboren ist. Ebenso unerheblich sei, ob diese jemals geboren und auch tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird (BFH, Urteil v. 28.2.2024, II R 25/21, BFH/NV 2024 S. 993).
In seiner Begründung wies der BFH darauf hin, dass wegen des Abstellens in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf die Stiftungsurkunde es der Stifter selbst in der Hand habe, diese Begünstigung so zu nutzen, wie er es für am besten für seine Familie hält. Die von den Stiftungserrichtern aufgeworfene Frage, ob im Fall, dass keine Enkel und Urenkel geboren werden, Steuer zu erstatten ist, ließ der BFH offen.
7.5.2 Schenkungsteuer bei ausländischer Familienstiftung
Die Schenkung von Vermögen an eine Familienstiftung unterliegt grundsätzlich der Schenkungsteuer, soweit keine Steuerbefreiungen anwendbar sind. Der bei Schenkung an eine inländische Familienstiftung anzuwendende Steuersatz sowie die Freibeträge richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und den nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten (z.B. den Kindern und Enkeln des Stifters).
Nach dem Wortlaut ist die Begünstigung jedoch nicht auf ausländische Familienstiftungen anzuwenden. Danach wäre bei der Errichtung einer Familienstiftung im Ausland stets die höchste Steuerklasse (verbunden mit hohen Steuersätzen und niedrigen Freibeträgen) anzuwenden.
Im Fall einer Schenkung von einer in Deutschland ansässigen Person an eine in Liechtenstein ansässige Familienstiftung hat das FG Köln Zweifel an der unionsrechtlichen Vereinbarkeit und legte die Frage dem EuGH vor (Beschluss v. 30.11.2023, 7 K 217/21).
Das Vorlageverfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-142/24 anhängig. Das Hessische FG (Gerichtsbescheid v. 7.3.2019, 10 K 541/17, rkr.) hat die Unionsrechtslage in Bezug auf die Anwendung des Steuerprivilegs in § 15 Abs. 2 ErbStG auf liechtensteinische Stiftungen für eindeutig gehalten. Daher hat es den Anwendungsbereich ohne eine entsprechende EuGH-Vorlage auch auf ausländische Stiftungen erweitert und im konkreten Fall das Steuerklassenprivileg gewährt.
7.5.3 Leistungen einer Familienstiftung
Leistungen einer Familienstiftung an den Destinatär sind grundsätzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen einzuordnen, wenn sie mit einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG sowie Satz 2 für vergleichbare ausländische Gesellschaften). Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit stellt der BFH grundsätzlich darauf ab, ob die Stellung des Empfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht und sich die Leistung als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellt. Für den BFH reicht dafür aus, wenn der Destinatär die Satzungsvoraussetzungen für eine Auskehrung erfüllt, er also zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört, und es sich nicht um eine Gegenleistung für eine Leistung des Destinatärs an die Stiftung handelt.
Bisher sah der BFH eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit der Stellung eines Anteilseigners, wenn der Destinatär unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen könne. Nun geht der BFH noch einen Schritt weiter. Laut BFH müssen dem Destinatär keine Vermögens- und Organisationsrechte durch die Stiftungssatzung zugesprochen werden, die ihm beispielsweise Einfluss auf die Ausschüttung geben, um seine rechtliche Stellung derjenigen eines Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft anzunähern (BFH, Urteil v. 1.10.2024, VIII R 25/21).
In dem Urteil betont der BFH, dass § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG für die "Verteilung des erwirtschafteten Überschusses" der Stiftung gilt. Eine eindeutige Abgrenzung, ob die Norm auch für die Ausschüttung von Stiftungsvermögen gilt, blieb dagegen mangels Sachverhaltsrelevanz aus.