Coronavirus im Anhang 2019/2020 und 2020 nach HGB
Berichterstattung im Anhang 2019/2020: Coronavirus als wertbegründendes Ereignis
Während die Auswirkungen der Corona-Pandemie sich in Jahresabschlüssen bis zum Stichtag 31.12.2019 lediglich im Nachtragsbericht niederschlugen, ist für Geschäftsjahre, die im Jahr 2020 ihren Stichtag haben, von einem wertbegründenden Ereignis auszugehen (s. Abgrenzung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen), was auch das IDW unterstützt ( Fachlicher Hinweis vom 3.4.2020). Je nach dem genauen Stichtag des Geschäftsjahres 2019/2020 können die Auswirkungen der Corona-Pandemie bereits im operativen Geschäft spürbar geworden sein und Gründe für die Bildung einer Rückstellung (s. Coronavirus und Rückstellungen) oder für Abwertungsbedarfe von Vermögensgegenständen (s. Coronavirus und Bewertung) liefern. Fraglich ist, wie sich dies auch auf die Berichterstattung im Anhang auswirken kann.
Grundsätzlich beeinflusst die Corona-Pandemie verschiedene Aspekte hinsichtlich der Erfüllung der Angabepflichten im Anhang.
Berichterstattung über die ggf. nur knapp bestätigte Fortführungsprämisse
Unter Verweis auf § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB (besondere Umstände führen dazu, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft nicht vermittelt) werden zusätzliche Angaben im Anhang zur Begründung der weiteren Anwendung der Fortführungsprämisse nur in Zweifelsfällen, d.h. bei wesentlicher Unsicherheit bezüglich Ereignissen und Gegebenheiten, gefordert (vgl. IDW RS HFA 17 i.V.m. IDW PS 270 n.F., Tz. 9). Andernfalls vermittelt der Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild.
Der Abschlussprüfer wird es grundsätzlich nicht beanstanden, wenn die gesetzlichen Vertreter bei der Einschätzung der Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit der Annahme der Bundesregierung in Bezug auf die Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen des Wirtschaftslebens folgen. Für Unternehmen, welche die negativen Effekte der pandemiebedingten Beschränkungen nicht oder nur teilweise werden kompensieren können, wird die Einschätzung der gesetzlichen Vertreter weitere Annahmen umfassen müssen, deren Angemessenheit vom Abschlussprüfer zu beurteilen ist (vgl. IDW Fachlicher Hinweis Zweifelsfragen zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 3, 4. Update), v. 26.02.2021, S. 48). Dennoch ist bei Abschlussstichtag und auch bis zur endgültigen Aufstellung unsicher, ob und wann die Einschränkungen komplett aufgehoben werden und ob die Kunden dann das Geschäftsmodell weiter annehmen wie vor der Krise. In einer solchen Situation erscheint trotz grundsätzlicher Einschätzung dass die Unternehmensfortführung als gegeben anzusehen ist, dennoch eine erklärende Anhangangabe notwendig.
Sind die einer Fortführung ggf. entgegenstehenden tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht hinreichend konkret, um von einer Durchbrechung der Prämisse auszugehen, besteht die Vermutung der Fortführung fort. Eine Verletzung der Generalnorm des § 264 HGB kann in diesen Fällen keinesfalls attestiert werden und eine entsprechende Angabe ist nicht begründbar.
Ggf. geänderte Basis für Wesentlichkeitseinschätzungen
Zunächst ist zu beachten, dass die Anhangangabepflichten explizit oder implizit häufig durch den Wesentlichkeitsaspekt eingeschränkt sind. So fordern etwa § 285 Nr. 3 und 3a HGB, dass außerbilanzielle Geschäfte und sonstige finanzielle Verpflichtungen anzugeben sind, soweit dies für die Beurteilung der Finanzlage erforderlich bzw. von Bedeutung ist. Dies kann ggf. neu zu beurteilen sein, da durch die Corona-Pandemie die Liquiditätslage nunmehr negativ beeinflusst wurde und somit eine Angabe etwa von bestehenden Leasingverträgen viel eher notwendig ist.
Auch die Erläuterung von nicht in der Bilanz gesondert ausgewiesener Rückstellungen ist nach § 285 Nr. 12 HGB nur notwendig, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang haben. Hiermit könnten somit ggf. Erläuterungspflichten entfallen, wenn die Rückstellungen insgesamt stark gestiegen sind.
Mitarbeiterzahl: Kurzarbeitende Beschäftigte zählen
Die nach § 285 Nr. 7 HGB geforderte Zahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer wird nach HGB nicht nach Vollzeitäquivalenten angegeben, sondern es zählt jedes Beschäftigungsverhältnis unabhängig von der vereinbarten Wochenstundenzahl. Somit zählen auch kurzarbeitende Beschäftigte voll bei der Ermittlung dieser Zahl. Analog zu § 267 HGB kann die Zahl als Durchschnitt auf Basis der vier Quartalsendwerte des Geschäftsjahrs berechnet werden.
Finanzanlagen: Gründe für das Unterlassen von Abschreibungen angeben
Wurde wegen einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung von Finanzanlagen von einer außerplanmäßigen Abschreibung abgesehen, sind im Anhang die Gründe für das Unterlassen der Abschreibung sowie die Anhaltspunkte dafür zu nennen, dass die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist (§ 285 Nr. 18 Buchst. b HGB) (vgl. IDW Fachlicher Hinweis Teil 2 vom 25.3.2020, S. 12).
Rückstellungen
Beachtet werden sollte aus der Sicht des IDW ( Fachlicher Hinweis Teil 2 vom 25.3.2020, S. 12) im Falle eingegangener Haftungsverhältnisse und der Nichtpassivierung einer Rückstellung auch die Angabe der Gründe für die Einschätzung dafür, wonach die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme nicht so hoch ist, als dass der Ansatz einer Schuld geboten ist (§ 285 Nr. 27 HGB).
Außergewöhnliche Aufwendungen und Erträge
Auf die Darstellung des geforderten Ausweises des Betrags und der Art der einzelnen Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder Bedeutung (§ 285 Nr. 31 HGB) sollte besonders Wert gelegt werden. Denn durch den klaren Ausweis im Anhang, was – vom Abschlussprüfer testiert – im Geschäftsjahr als außergewöhnlicher Effekt der Corona-Pandemie anzusehen ist, kann eine bessere Kommunikation etwa mit Kreditgebern erfolgen.
Außergewöhnliche Bedeutung und außergewöhnliche Größenordnung
Konkret angabenötig sind sowohl die Erträge und Aufwendungen von außergewöhnlicher Bedeutung, für die nach der Gesetzesbegründung weiterhin die von der Praxis bisher entwickelte (enge) Abgrenzung nach der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit weiter herangezogen wird, als auch die Beträge von außergewöhnlicher Größenordnung. Beides dürfte auf die Folgen der Eindämmung der Pandemie bei vielen Unternehmen zutreffen, da diese im Vorfeld nicht vorhersehbar und weder der Art noch der Höhe nach kalkulierbar waren. Dabei müssen die Folgen der Corona-Pandemie zu Störungen des Geschäftsablaufs geführt haben, die das für die betrieblichen Verhältnisse übliche Maß überschritten haben, um die Klassifizierung der aus ihnen resultierenden Aufwendungen als außergewöhnlich zu rechtfertigen. Die Angabe eines zusammenfassenden außergewöhnlichen Ergebnisses sowie wie bisher der darauf entfallenden Steuern vom Einkommen und Ertrag ist nicht nötig. In ihrer Wirkung geht die Detailliertheit dieser Angabepflicht über die bisherigen Ausweisvorgaben hinaus. Eine Tabelle mit der Benennung von Bezeichnung, Art und Betrag reicht aus. Es erscheint darüber hinaus sinnvoll, freiwillig eine Erläuterung in den Anhang aufzunehmen.
Voraussetzung für eine derartige Angabe ist, dass bereits im laufenden Geschäftsjahr die Beträge entsprechend in der Buchhaltung oder zumindest als gesonderte Rechnung prüfungssicher erfasst werden, was gerade durch das betroffene operative Geschäft und der Vermengung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Aufwendungen und Erträgen durchaus anspruchsvoll ist und rechtzeitig bezüglich der Kriterien festgelegt werden sollte. Da die Einstufung als „außergewöhnlich“ mit einigem Einschätzungsspielraum verbunden ist, lohnt es sich auch darüber nachzudenken, die Situation ggf. dafür zu nutzen, um im Schatten der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden außergewöhnlichen Belastungen auch einige andere Wertanpassungen für z.B. misslungene Investitionsobjekte oder andere Fehlentscheidungen vorzunehmen und so für den „Restart“ bereits vergleichsweise unbemerkt einigen Ballast aus dem Jahresabschluss zu entfernen.
Nachtragsbericht: Unerwartetes neues Ereignis
Je nach dem konkreten Stichtag und der dann folgenden Entwicklung kann es noch nötig sein, im Nachtragsbericht nach § 285 Nr. 33 HGB über Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahrs eingetreten sind und noch nicht in der GuV oder der Bilanz berücksichtigt wurden, zu berichten. Dabei darf es sich nicht um wertaufhellende Ereignisse handeln, da diese im Abschluss noch als Abschreibungen oder Rückstellungen zu berücksichtigen wären. Sollte sich aber der Verlauf der Corona-Pandemie in der Zeit zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung bzw. ggf. sogar bis zum Tag der Feststellung durch unerwartete neue Ereignisse verändern, wäre dies wohl als wertbegründendes neues Ereignis zu werten. Beispiele wären ein unerwartet heftigerer Verlauf, da ein mutiertes Virus zu noch drastischeren Maßnahmen zur Eindämmung zwingt, oder aber auch im positiven Sinne ein unerwartet verfügbares Medikament, das die ergriffenen Maßnahmen obsolet werden lässt.
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