IDW: Stellungnahme zu neuen Heubeck-Richttafeln

Die Heubeck AG hat ihre Richttafeln mit biometrischen Parametern unter Berücksichtigung von Daten des statistischen Bundesamts (Zensus 2011, Mikrozensus) sowie der gesetzlichen Rentenversicherung aktualisiert. Für die Bilanzierungspraxis stellt sich die Frage, wann die neuen RT 2018 G erstmals angewandt werden müssen.

Anwendung neuer Heubeck-Richttafeln führt unter Umständen zur Erhöhung der Pensionsrückstellungen

Dass sich die Pensionsrückstellungen dadurch bei Bilanzierenden mit großen, durchschnittlich gemischten Beständen voraussichtlich um 1,5% bis 2,5% erhöhen werden, könnte sicherlich von einigen Bilanzierenden als Anreiz gesehen werden, möglichst lange an den bisherigen Richttafeln festzuhalten.

Neue Richttafeln – ab wann einzusetzen?

Am 20.7.2018 wurden die neuen Richttafeln RT 2018 G durch die Heubeck AG veröffentlicht. Dabei handelt es sich um ein weit verbreitetes Tabellenwerk, welches bspw. Sterbe-, Invalidisierungs- und Verheiratungswahrscheinlichkeiten enthält, die für die Bewertung von Pensionsrückstellungen in handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüssen sowie IFRS-Konzernabschlüssen benötigt werden. Für prüfungspflichtige Unternehmen stellt sich die Frage, in welchen Abschlüssen die RT 2018 G erstmals und in welchen die RT 2005 G letztmalig anzuwenden sind oder angewendet werden dürfen. Die Richttafeln selbst können ihr In- oder Außer-Kraft-Treten – mangels Gesetzesqualität – nicht regeln.

Laut HFA „allgemeine Anerkennung“ der neuen Richttafeln für Anwendungszeitpunkt ausschlaggebend

Am 5.9.2018 hat sich nunmehr der Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (HFA) zu dieser Frage positioniert. Demnach ist handelsbilanzrechtlich entscheidend, wann die neuen Richttafeln i.S.d. IDW RS HFA 30 n.F., Tz. 62 als „allgemein anerkannt“ anzusehen sind. Dann nämlich entspräche deren Verwendung einer „vernünftigen kaufmännischen Beurteilung“ i.S.d. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB, und dann würden diese Schätzwerte die tatsächlichen Verhältnisse besser widerspiegeln als dies bei Verwendung der bisherigen Richttafeln der Fall wäre.

Indikatoren für die „allgemeine Anerkennung“ der Heubeck-Richttafeln sind:

  • Anerkennung der Richttafeln RT 2018 G für ertragsteuerliche Zwecke durch das Bundesministerium für Finanzen. Dem Vernehmen nach wird dazu voraussichtlich im Herbst 2018 ein BMF-Schreiben ergehen.
  • Validierung und Implementierung der neuen Richttafeln durch die Aktuare. Allerdings ist von den Aktuarsverbänden keine Veröffentlichung in diesem Kontext zu erwarten. Nach unserer Einschätzung dürfte die Validierung und Implementierung der neuen Richttafeln durch die Aktuare aber bereits heute weitestgehend abgeschlossen sein.

Bedeutung für die praktische Anwendung der Richttafeln

In der praktischen Anwendung bedeutet dies nun Folgendes:

  • Für handelsrechtliche Jahres- und Konzernabschlüsse zu Stichtagen am oder nach dem Tag, an dem das erwartete BMF-Schreiben auf der Website des BMF veröffentlicht wird, oder deren Stichtag zwar vor dem Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens liegt, deren Aufstellung aber erst nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens beendet wird, darf grds. von einer allgemeinen Anerkennung ausgegangen werden.
  • Für Jahres- und Konzernabschlüsse zu Stichtagen vor dem Tag, an dem das erwartete BMF-Schreiben auf der Website des BMF veröffentlicht wird (bspw. 30.6.2018), und deren Aufstellung auch nicht erst nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens beendet wird, darf noch die Richttafel RT 2005 G angewandt werden. Alternativ kann es aber zulässig sein, freiwillig die neuen Richttafeln anzuwenden. Voraussetzung dafür ist und nachzuweisen wäre daher, dass dies zu einer Bewertung führt, die die tatsächliche wirtschaftliche Belastung am jeweiligen Stichtag zutreffender abbildet, als dies bei Verwendung der bisherigen Richttafeln der Fall wäre. Im Anhang wäre eine entsprechende Begründung geboten.

Für IFRS-Konzernabschlüsse analoge Vorgehensweise sachgerecht

Nach IAS 19.76 und 19.81 muss das bilanzierende Unternehmen der Bewertung seiner Altersversorgungsverpflichtungen seine „bestmögliche Schätzung“ der versicherungsmathematischen Annahmen zugrunde legen. Für die Frage, wann die neuen Richttafeln die bestmögliche Schätzung darstellen, ist ebenfalls auf vorstehende Indikatoren abzustellen, sodass für IFRS-Konzernabschlüsse eine analoge Vorgehensweise wie in der nationalen Rechnungslegung sachgerecht ist. Ergänzend weist der HFA darauf hin, dass die neuen Richttafeln in IFRS-Quartals- oder Halbjahresabschlüssen gem. IAS 34 IE.B9 und IE.C4 noch nicht angewandt werden müssen.

Praxis-Hinweis: Bei weiterer Verwendung der RT 2005 G muss dies gut begründet werden

Sofern die neuen Richttafeln in handelsrechtliche Jahres- und Konzernabschlüsse zu Stichtagen, zu denen sie nach vorgenannten Grundsätzen bereits hätten angewandt werden müssen, noch nicht berücksichtigt wurden, kommt es mit Blick auf eine mögliche Beanstandung durch den Abschlussprüfer darauf an, ob das bilanzierende Unternehmen hierfür eine tragfähige Begründung findet. Diese wäre dann auch im Anhang anzugeben.

Überzeugen könnte bspw., wenn ein Unternehmen bisher (auf Basis der RT 2005 G) unternehmensindividuell modifizierte biometrische Daten verwendet hat, wodurch die tatsächliche wirtschaftliche Belastung am jeweiligen Stichtag zutreffend abgebildet wurde. Im Ergebnis könnten auf diese Weise die Änderungen durch die Richttafeln RT 2018 G „vorweggenommen“ worden sein.

Je nachdem, wann das BMF-Schreiben erscheint und wie der Abschlussstichtag liegt, könnte evtl. noch argumentiert werden, dass die Überprüfung und Implementierung der RT 2018 G durch die Aktuare noch nicht abgeschlossen sei. Da die meisten Aktuare die neuen Richttafeln aber bereits heute weitestgehend in ihren Systemen umgesetzt haben dürften, müsste diese mit Vorsicht zu genießende Argumentation im jeweiligen Einzelfall beleuchtet werden.


Schlagworte zum Thema:  Sterbetafel, IFRS, IDW