EuGH muss über Vorsteuerabzug bei Rechnungen entscheiden

Eingangsrechnungen und Ausgangrechnungen und die daraus resultierende Vorsteuer bzw. Umsatzsteuer sind oft Grundlage eines Streits mit der deutschen Finanzverwaltung. Nun beschäftigt sich auf europäischer Ebene der EuGH mit Eingangsrechnungen und der Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Der EuGH hat zu klären, ob für die Vorsteuerabzugsberechtigung die Briefkastenadresse oder der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit zählt.

Praxis-Tipp Vorsteuerabzug: Wann die Lieferantenadresse überprüft werden sollte

Neben der Rechtsfrage, die möglicherweise zum Ergebnis kommt, dass eine rein postalische (aber reale!) Adresse für den Vorsteuerabzug ausreicht, stellt sich die Praxisfrage:

Woher soll ein Leistungsempfänger erkennen, dass es sich um eine reine Briefkastenadresse des Lieferanten handelt?

In der Praxis kann man dies nur mit Erfahrung und Fingerspitzengefühl lösen:

Versandrechnungen mit überschaubaren Werten, werden sicher nicht zum Problem. Wird aber - wie auch in den Vorlagefällen – ein Fahrzeug oder ein höherwertiger Gegenstand erworben, lohnt schon eine Kontrolle, ob die leistende Firma wirklich am Rechnungssitz erreichbar ist. Wirtschaftsdateien, Auskunfteien oder ein persönlicher Besuch mit Protokoll helfen da sicher.

Briefkastensitz oder Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit?

 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aktuell zu klären,

  • ob es bei einer Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigen soll, einen Briefkastensitz als Anschrift des Lieferanten ausreicht oder
  • ob der Ort genannt werden muss, an dem der Lieferant wirtschaftlich tätig ist (Az des EuGH: C-375/16 und C-374/16)?

Zur Klärung dieser Rechtsfrage hat der Bundesfinanzhof (BFH) zwei Fälle an den EuGH zur Klärung weitergeleitet. D.h. es soll konkret geklärt werden, ob eine rein postalische Adresse des Lieferanten ausreicht oder ob  ein Betriebssitz mit wirtschaftlicher Aktivität zwingend ist, um den Vorsteuerabzug zu erlangen.

Klar ist, dass bei den Rechnungen des leistenden Unternehmers zwingend der vollständige Name und die vollständige Adresse anzugeben sind.

Die beiden Vorlagefälle: Kfz-Händler

Im ersten Fall erwarb ein Kfz-Händler, von einem Onlinehändler mehrere Fahrzeuge. In den Rechnungen des Onlinehändlers war eine Anschrift angegeben, an der dieser zwar Räumlichkeiten angemietet hatte, die aber nicht geeignet waren, um dort geschäftliche Aktivitäten zu entfalten (BFH-Beschluss vom 6.4.2016, Az. V R 25/15, DStR 2016, S. 1527).

Im zweiten Fall – auch ein Autohändler, der Fahrzeuge von einem anderen Händler gekauft hatte, befand sich unter der angegebenen Anschrift zwar der statuarische Sitz dieses Händlers; es handelte sich aber um einen reinen Briefkastensitz. D.h. unter der angegebenen Adresse war der Händler lediglich postalisch erreichbar – es haben aber keine geschäftliche Aktivitäten stattgefunden (BFH-Beschluss vom 6.4.2016, Az. XI R 20/14, DStR 2016, S. 1532).

 

In der Anfrage des BFH an den EUGH soll geklärt werden: „Enthält eine zum Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung die "vollständige Anschrift" bereits dann, wenn der leistende Unternehmer in der Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er nur postalisch zu erreichen ist, oder setzt der Vorsteuerabzug die Angabe einer Anschrift voraus, unter der der Unternehmer seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet.“

 

Beide Urteile, die der BFH dem EuGH vorgelegt hat, stammen von zwei verschiedenen Senaten. D.h. der BFH selbst interpretiert die Auslegung der Rechtsfrage unterschiedlich. Eine klare Tendenz ist nicht ersichtlich.

Lt. einem früheren Urteil des EuGH reicht eine rein postalische Adresse aus, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Auffassung auch erneut bestätigt wird (EuGH-Urteil vom 22.10.2015 C-277/14, PPUH Stehcamp, DStRE 2016, S. 282).


Schlagworte zum Thema:  Vorsteuerabzug, Umsatzsteuer, Rechnung