Liquiditässicherung: Wechsel von der Soll- zur Istbestesteuerung

Wann Sie bei der Umsatzsteuer von der Soll- zur Istbesteuerung wechseln dürfen und damit Ihre Liquidität sichern, lesen Sie hier und erhalten Formulierungsvorschläge für Ihren Antrag.

Mit der Istbesteuerung Zeitpunkt der Anmeldung der Umsatzsteuer und deren Zahlung hinausschieben

Die Umsatzsteuer ist grundsätzlich nach dem vereinbarten Entgelt zu berechnen (§ 16 Abs. 1 UstG). Bei der Berechnung der Umsatzsteuer nach dem vereinbarten Entgelt entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (sog. Sollversteuerung). § 20 UStG hält eine Sonderregelung für kleine Unternehmen bereit, nämlich die Möglichkeit zur Istbesteuerung zu wechseln. Damit ist der Unternehmer erst zu dem Zeitpunkt verpflichtet die Umsatzsteuer aus den erhaltenen Umsätzen an das Finanzamt abzuführen, wenn er diese auch tatsächlich von seinem Auftraggeber erhalten hat. Es ist also wesentlich regelmäßig zu prüfen, ob man zur Istbesteuerung wechseln kann, um sowohl den Zeitpunkt der Anmeldung der Umsatzsteuer als auch deren Zahlung nach hinten zu verschieben. Damit kann der Unternehmer ohne auf weitere BMF-Schreiben warten zu müssen allein auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage kurzfristig an Liquidität kommen.

Bei der Sollbesteuerung wird die Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Leistungserbringung fällig

Bereits mit Beginn der unternehmerischen Tätigkeit unterliegt der Unternehmer mit seinem Unternehmen der sog. Sollbesteuerung (§ 16 Abs. 1 UstG) (Grundsatz). Die Steuer entsteht bei der Berechnung nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Buchst. a) UStG). Der Unternehmer schreibt also seine Rechnung nach erbrachter Leistung oder Teilleistung. In diesem Zeitpunkt entsteht die Umsatzsteuer, die er in seiner Rechnung ausgewiesen hat. Er hat diese in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzumelden und an das Finanzamt abzuführen, unabhängig davon, ob er den Betrag bereits von seinem Auftraggeber erhalten hat oder nicht. Die Sollversteuerung simuliert die Leistungserbringung, die Rechnungsstellung und den Zahlungseingang auf ein und denselben Tag, ein tatsächlicher Zahlungseingang muss demgegenüber nicht gegeben sein.

Beispiel: Sollbesteuerung

Unternehmerin J ist zur Abgabe von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen, ohne Dauerfristverlängerung, verpflichtet. Sie erbringt gegenüber ihrem Auftraggeber im Januar 2020 eine Leistung und rechnet diese mittels Rechnung (Rechnungsdatum vom 30.1.2020) gegenüber ihrem Auftraggeber in Höhe von 11.900 EUR ab. Als Zahlungsziel ist 14 Tage nach der Leistungserbringung vereinbart. Der tatsächliche Zahlungseingang erfolgt am 13.2.2020.

Weil J Sollbesteuerer ist, hat sie die Umsatzsteuer in Höhe von 1.900 EUR mit Ablauf des Monats, in dem die Leistung erbracht wurde, anzumelden und an das Finanzamt abzuführen, also im Monat Januar 2020. Die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Januar 2020 hat J bis zum 10.02.2020 einzureichen (ohne Dauerfristverlängerung), sodass sie in Vorleistung gehen muss, da der Zahlungseingang der Rechnungssumme in Höhe von 11.900 EUR laut Sachverhalt erst nach dem 10.02.2020 erfolgt.

Durch die Regelung über die Sollbesteuerung kommt es zu einem echten Liquiditätsnachteil, weil der Unternehmer regelmäßig die Umsatzsteuer aus seinen eigenen Rücklagen vorstrecken muss. Unabhängig davon ist der Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Sollbesteuerung stellt die Istbesteuerung gem. § 20 UStG dar. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmtem Entgelt entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) UStG. Mithin ist die Umsatzsteuer erst an das Finanzamt abzuführen, wenn der Erlös vom Auftraggeber auf dem Bankkonto des Unternehmers eingeht.

Voraussetzungen für den Wechsel zur Istbesteuerung gem. § 20 UStG


  1. Der Unternehmer muss einen Antrag auf Anwendung der Istbesteuerung bei dem für ihn zuständigen Finanzamt stellen und
  2. der Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 3 UStG darf im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 EUR betragen haben oder
  3. der Unternehmer muss von der Verpflichtung, Bücher zu führen und jährlich Bestandsaufnahme zu machen gem. § 148 AO befreit sein oder
  4. der Unternehmer führt Umsätze aus, die aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stammen.

Praxis-Tipp: formlose Antragstellung möglich

Die Antragstellung unterliegt keiner gesetzlich vorgeschriebenen Form, sie kann schriftlich, mündlich, fernmündlich oder auch durch konkludentes Handeln erfolgen. Hat der Unternehmer, ohne vorher einen Antrag gestellt zu haben, die Istbesteuerung angewandt, hat das Finanzamt den nachträglich gestellten Antrag rückwirkend zu genehmigen, jedoch nur soweit der Unternehmer die Voraussetzungen des § 20 UStG erfüllt hat (vgl. OFD Karlsruhe vom 29.02.2016).

Soweit die Steuerfestsetzung noch nicht formell bestandskräftig geworden ist, kann der Antrag auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten jederzeit gestellt werden, eine Frist zur Antragstellung ist nicht vorhanden.

Beispiel: Istbesteuerung wird beantragt und angewendet

Unternehmerin J ist zur Abgabe von monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen, ohne Dauerfristverlängerung, verpflichtet. Sie erbringt gegenüber ihrem Auftraggeber im Januar 2020 eine Leistung und rechnet diese mittels Rechnung (Rechnungsdatum vom 30.01.2020) gegenüber ihrem Auftraggeber in Höhe von 11.900 EUR ab. Als Zahlungsziel ist 14 Tage nach der Leistungserbringung vereinbart. Der tatsächliche Zahlungseingang erfolgt am 13.02.2020. Bereits Ende 2019 stellte J den Antrag auf Besteuerung ihrer Entgelte nach vereinnahmten Entgelten. Das Finanzamt stimmt dem Antrag noch 2019 zu.

Weil J der Istbesteuerung unterliegt, hat sie die Umsatzsteuer in Höhe von 1.900 EUR mit Ablauf des Monats, in dem der Zahlungseingang vom Kunden erfolgt anzumelden und an das Finanzamt abzuführen, also im Monat Februar 2020. Die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Februar 2020 hat J bis zum 10.03.2020 einzureichen, sodass sie aus dem bereits vom Kunden erhaltenen Bruttobetrag 1.900 EUR an das Finanzamt überweisen kann ohne dabei in Vorleistung gehen zu müssen.

Praxis-Hinweis: Formulierungsvorschläge zum Wechsel von der Soll- zur Istbesteuerung

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Gesamtumsatz betrug im Kalenderjahr 2019 nicht mehr als 600.000 EUR weshalb ich/wir hiermit einen Antrag auf den Wechsel von der Soll- zur Istversteuerung gem. § 20 UStG für das Kalenderjahr 2020 stelle/stellen.


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit meiner unternehmerischen Tätigkeit als Arzt/Architekt/Rechtsanwalt etc. übe ich eine Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus und beantrage deshalb die Istversteuerung gem. § 20 UStG ab dem Kalenderjahr 2020.


Sehr geehrte Damen und Herren,

nach § 148 AO wurde ich bereits von der Verpflichtung, Bücher zu führen und jährliche Bestandsaufnahmen zu machen befreit. In diesem Zusammenhang beantrage ich den Wechsel von der Soll- zur Istbesteuerung gem. § 20 UStG.

Ggf. ist auf die Rückwirkung des Antrags im Schreiben schriftlich hinzuweisen.

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