Kindergeld gibt´s auch
Praktika werden inzwischen in allen Bereichen der Ausbildung angeboten: Von ersten Orientierungswochen während der Schule über Pflichtpraktika im Studium bis hin zur Abschlussarbeit im Betrieb sind zahlreiche Varianten denkbar. Manche Praktika sind vorgeschrieben – zum Beispiel als notwendige fachliche Voraussetzung oder Ergänzung der eigentlichen Ausbildung. Andere werden in Ausbildungs- und Studienordnungen empfohlen.
Fall: Praktikum in Tattoo-Studio
Da viele Praktika nur gering entlohnt werden, ist es für Familien interessant, ob für das erwachsene Kind trotzdem weiterhin Anspruch auf Kindergeld besteht. Wenn ein Praktikum weder vorgeschrieben wird noch empfohlen ist, orientiert sich die Familienkasse am Ausbildungscharakter. Es muss also ein Bezug zum Berufsziel bestehen. Dass dies nicht immer einfach nachzuweisen ist, zeigt ein Fall, den das Finanzgericht Düsseldorf jetzt zu beurteilen hatte. Ein 22-Jähriger hatte sich vergeblich an einer Fachhochschule zur Aufnahmeprüfung im Studiengang Buchkunst/Grafik-Design beworben. Er beschloss, es an anderen Hochschulen zu versuchen und absolvierte währenddessen zwei Praktika in einem Tattoo-Studio. Diese dauerten insgesamt rund ein Jahr. Die Arbeit dort gefiel ihm und er entschied, sich auf eine Selbstständigkeit als Tätowierer vorzubereiten. Die Familienkasse wertete das Praktikum nicht als Berufsausbildung und forderte das gezahlte Kindergeld zurück.
Praktikum muss kein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegen
Dagegen zog die Mutter des 22-Jährigen vor Gericht – und bekam Recht. Das Finanzgericht Düsseldorf (10 K 1416/16 AO) sah die Voraussetzungen für eine Ausbildung erfüllt. Dafür müsse dem Praktikum kein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegen: „Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen vielmehr alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind“, argumentierten die Richter. Laut Praktikumsbescheinigung erstreckte sich das Praktikum auf Kundenberatung und Betreuung, Terminplanung, Materialplanung und Einkauf, Auf- und Abbau von Arbeitsplätzen, sicherer Umgang mit kontaminiertem Material, Recherche und künstlerisches Arbeiten.
Unerheblich: Dauer der Ausübung pro Woche/Monat
Das Gericht sah auch keine Veranlassung, die beiden Praktika rechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Es entspreche der Natur eines Praktikums, sich durch das Kennenlernen der Tätigkeit zunächst darüber klar zu werden, ob man diesen Beruf auch tatsächlich erlernen möchte. Ebenso unerheblich fanden die Richter die Tatsache, dass das Praktikum nur 15 Stunde pro Woche dauerte. Sie verwiesen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach selbst ein Praktikum, das nur eine Woche pro Monat ausgeübt werde, noch ausreiche, um von einer Berufsausbildung auszugehen.
Gesetzlich nicht geregelte Tätigkeit: Kindergeldanspruch bleibt bestehen
Bei dem Beruf des Tätowierers handelt es sich um eine gesetzlich nicht geregelte Tätigkeit – theoretisch kann also jeder diesem Beruf nachgehen, ohne vorher eine Ausbildung zu machen. Auch diesen Punkt fanden die Richter unwesentlich: „Denn es liegt auf der Hand, dass sich letztlich nur diejenigen in dem Beruf behaupten können, die ihr Handwerk auch verstehen.“ Es sei also erforderlich, sich vorher alle erforderlichen Kenntnisse anzueignen, etwa das Anfertigen von Skizzen und deren Übertagung auf die Haut, die Kenntnis der besonderen Hygieneanforderungen sowie den Umgang mit den Tätowiergeräten und den unterschiedlichen Farben. Ob Wochenendkurse solche Kenntnisse ausreichend vermittelten, müsse nicht geklärt werden. Denn das Kind könne selbst entscheiden, sich von einem erfahrenen Tätowierer ausbilden zu lassen.
Praxistipp: Bezug auf rechtskräftiges Urteil
Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf ist rechtskräftig. Betroffene, die ebenfalls ein Praktikum in einem nicht gesetzlich geregelten Beruf absolvieren, sollten sich bei der Kindergeldfrage auf das Urteil beziehen.
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