Beginnt die Herstellung bereits mit der Planung?
§ 6b Abs. 1 Satz 1 EStG gestattet Unternehmen die Übertragung stiller Reserven, die während einer längeren Zeit (Sechsjahreszeitraum gem. § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG) bei bestimmten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gebildet und dann bei einer Veräußerung aufgedeckt werden. Der Veräußerungsgewinn muss dann nicht sofort als Ertrag versteuert werden, sondern kann bis zu 100 % von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gesetzlich definierter Reinvestitionsobjekte abgezogen werden. Durch diesen Gewinnabzug, der wie eine Sonderabschreibung wirkt, wird die durch den Veräußerungsgewinn bewirkte Erhöhung des Betriebsvermögens rückgängig gemacht.
Die Regelung im Detail: Bildung einer Reinvestitionsrücklage
Wird der Gewinn aus der Veräußerung begünstigter Anlagegüter i.S.d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung nicht auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsobjekts übertragen, kann der Steuerpflichtige in Höhe des übertragungsfähigen Veräußerungsgewinns, also bis zu 100 % des Veräußerungsgewinns, stattdessen eine gewinnmindernde Rücklage bilden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Diese hat den gleichen steuerlichen Effekt wie ein Gewinnabzug, weil auch in diesem Fall die bei der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven durch die buchmäßige Rückgängigmachung des Veräußerungsgewinns steuerlich neutralisiert werden.
Bis zur Höhe dieser Rücklage kann nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG ein Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Reinvestitionsgüter vorgenommen werden, die in den folgenden 4 Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt werden. Die folgenden „4 Wirtschaftsjahre“ sind die 4 Wirtschaftsjahre, die auf das Wirtschaftsjahr der Veräußerung folgen. Entstand z.B. der Veräußerungsgewinn bei einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr im Wirtschaftsjahr 2013, dann muss die Reinvestition spätestens am 31.12.2017 abgeschlossen sein.
Längere Reinvestitionsfrist bei neu hergestellten Gebäuden
Die Frist von 4 Jahren verlängert sich bei neu hergestellten Gebäuden auf 6 Jahre, wenn mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des 4. auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs begonnen worden ist (§ 6b Abs. 3 Satz 3 EStG). Mit der längeren Reinvestitionsfrist für Gebäude wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Gebäudeinvestition besonders zeitaufwendig ist und eine längere Planungs- und Bauzeit erfordert (BFH, Urteil v. 15.10.1981, IV R 85/81, BStBl 1982 II S. 63, Rn. 8). Die Verlängerung der Reinvestitionsfrist nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG gilt nur für vom Steuerpflichtigen selbst (neu) hergestellte Gebäude (BFH, Beschluss v. 19.11.2015, IV B 103/14, BFH/NV 2016 S. 198). Die Neuherstellung eines Gebäudes durch einen Dritten mit anschließendem Erwerb durch den Steuerpflichtigen reicht nicht aus.
Ist die Rücklage am Ende des 4-jährigen bzw. 6-jährigen Reinvestitionszeitraums noch nicht auf Reinvestitionen übertragen worden, muss sie gewinnerhöhend aufgelöst werden. In diesem Fall findet die sog. „Verzinsungsregelung“ Anwendung. Danach ist der Gewinn des Auflösungsjahrs für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufzulösenden Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).
Praxis-Beispiel: Beginnt die Herstellung schon mit der Planung?
Die X-GmbH & Co. KG (KG) hat 2013 aus dem Verkauf eines Grundstücks einen Gewinn von 300.000 EUR erzielt, für den sie zulässigerweise gewinnmindernd eine § 6b-Rücklage von 300.000 EUR gebildet hat. Im Jahr 2017 hat die KG einen Architekten mit der Planung eines neuen Betriebsgebäudes beauftragt, das auf einem der KG gehörenden Grundstück errichtet werden soll. Der dem Architekten mündlich erteilte Auftrag zur Erstellung eines Bauplans führt bis zum Ablauf der regulären Reinvestitionsfrist (31.12.2017) im Wesentlichen zu Vorbereitungsarbeiten (Aufmaß des Gebäudebestands, Vorplanungen, Besprechungen mit dem zuständigen Bauleiter über weiteres Vorgehen); für die eigentliche Entwurfsplanung hat der Architekt bis zum maßgeblichen Bilanzstichtag lediglich 13,5 Arbeitsstunden (von rund 125,5 Arbeitsstunden bis zum Abschluss der Planung) aufgewendet.
Hier stellt sich die Frage, ob die Planungsarbeiten als Herstellungsbeginn gewertet werden können. Das FG München verneint dies, weil es an einer hinreichenden Konkretisierung des Neubauprojekts fehle (FG München, Urteil v. 14.2.2017, 6 K 2143/16; kritisch Herrler, StuB 2017 S. 501).
Praxis-Tipp: Fälle offen halten!
Die gegen das Urteil zugelassene Revision wurde eingelegt (Az. des BFH: X R 7/17). Jetzt muss sich der BFH mit der für die Praxis wichtigen und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Frage befassen, ob nicht bereits die Planungen für ein Gebäude als Beginn der Herstellung anzusehen sind (offengelassen BFH, Beschluss v. 2.3.2006, I B 154/05, BFH/NV 2006 S. 1277). Es liegt auf der Hand, dass einschlägige Fälle offengehalten werden sollten, bis der BFH entschieden hat. Entsprechende Einsprüche ruhen kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
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