Aufsichtsräte sind keine Unternehmer – jedenfalls nicht bei Festvergütung
Böse Zungen behaupten zwar immer wieder, ein Aufsichtsrat tue nichts, wenn es im Unternehmen gut läuft – und gingen die Geschäfte schlecht, hätte er auch keine Handhabe einzugreifen. Entgegen dieser Weisheiten sieht es in der Praxis im Allgemeinen jedoch anders aus. Hier übernehmen die Mitglieder eines Aufsichtsrats als Kontrollorgan eine wichtige Funktion für die Entwicklung einer Gesellschaft. Immerhin besetzen sie die Vorstandspositionen und bestimmen damit auch über die Qualität der Unternehmensleitung. Außerdem beraten sie den Vorstand in den strategischen Fragen, berufen die Hauptversammlung ein und prüfen den Jahresabschluss sowie den Lagebericht.
Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
Bei derart großer Verantwortung eines Aufsichtsrats scheint es schlüssig, dass diese Aufgaben als Tätigkeit eines Unternehmers eingestuft werden. Diese Meinung vertrat auch das Finanzamt eines Aufsichtsratsmitglieds. Diese Funktion übte der Mann bei einer Aktiengesellschaft aus, deren Alleingesellschafter sein Arbeitgeber war. Für seine Tätigkeit erhielt er eine jährliche Festvergütung von 20.000 EUR, die er seinem Arbeitsvertrag folgend an die Muttergesellschaft abführen musste. Dennoch ging das zuständige Finanzamt davon aus, dass die von ihm erbrachten Leistungen umsatzsteuerpflichtig seien. Diese Einschätzung teilte auch das Finanzgericht Münster und wies die Klage des Aufsichtsrats ab.
Urteil des EuGH zur Tätigkeit eines Aufsichtsrats: wirtschaftliches Risiko entscheidend
Obwohl das FG Münster (FG Münster Urteil vom 26.01.2017 - 5 K 1419/16 U) in seiner Entscheidung auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verwies, ging das Aufsichtsratsmitglied in Revision. Dies begründete der Mann mit seinem Arbeitsvertrag als leitender Angestellter bei der Muttergesellschaft. Durch diesen sei er weisungsabhängig in seiner Funktion als Aufsichtsrat und daher nicht selbstständig tätig. Wegen eines damals noch anhängigen ähnlichen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ordnete der BFH zunächst das Ruhen des Revisionsverfahrens an.
In seinem Urteil (EuGH Urteil vom 13.06.2019 - C-420/18) hat der EuGH inzwischen festgestellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied unter bestimmten Voraussetzungen keine selbstständige Tätigkeit ausübt. Entscheidend dabei ist, dass der Aufsichtsrat bei seinen Aufgaben kein wirtschaftliches Risiko trägt. Ein Kennzeichnen dafür ist, wenn er eine feste Vergütung erhält, die weder an den Erfolg des Unternehmens noch an die geleisteten Arbeitsstunden oder die Teilnahme an Sitzungen gekoppelt ist.
Geänderte Auffassung des BFH zur Einstufung von Aufsichtsräten
In seiner Entscheidung über den vorliegenden Fall folgte der BFH (BFH Urteil vom 27.11.2019 - V R 23/19) dem Urteil des EuGH und gab der Klage statt. Dabei bezieht er sich darauf, dass das Aufsichtsratsmitglied „für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats“ handelt. Außerdem verweist er ebenfalls auf die vertraglich vereinbarte Form der Vergütung. Demnach hätte selbst fahrlässiges Handeln im konkreten Fall keinen direkten Einfluss auf das dem Mann zustehende Entgelt gehabt.
Bedeutung der Entscheidung für andersgelagerte Fälle
Tatsächlich weist der aktuell entschiedene Fall eine Besonderheit auf, die sich aus der engen Verbindung des Aufsichtsratsmitglieds zur Muttergesellschaft ergibt. Da der Mann die Aufsichtsratsvergütung an seinen Arbeitgeber abführen und dessen Weisungen folgen musste, gestaltete sich seine Tätigkeit – anders als bei Aufsichtsräten allgemein üblich – nicht vollkommen unabhängig. Nach dem Urteil des EuGH kommt es darauf jedoch nicht an. Weiterhin offen bleibt jedoch auch nach der Entscheidung des BFH, wie die Tätigkeit eines Aufsichtsrats mit variabler Vergütung einzuordnen ist.
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