Verfahrensgang
LG Görlitz (Beschluss vom 11.02.2014; Aktenzeichen 4 T 89/13) |
AG Bautzen (Entscheidung vom 23.09.2013; Aktenzeichen 33 XVII 569/12) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Görlitz vom 11.2.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Wert: 341 EUR
Gründe
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) (Staatskasse), mit der er eine Festsetzung der Betreuervergütung mit einem Stundensatz von 27 EUR statt eines erhöhten Stundensatzes von 33,50 EUR begehrt, führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 2
1. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, wonach die Betreuerin durch ihre im Jahr 1995 abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel für die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig ermittelt und bei der Würdigung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
Rz. 3
a) Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermittelt, indem es die Verordnung über die Berufsausbildung im Einzelhandel in den Ausbildungsberufen Verkäufer/Verkäuferin und Kaufmann im Einzelhandel/Kauffrau im Einzelhandel vom 16.7.2004 (BGBl. I, 1806; im Folgenden: EzHdlAusbV 2004) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Denn für die 1995 abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin war die Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom 14.1.1987 (BGBl. I, 153; im Folgenden: EzHdlKfmAusbV 1987) die maßgebliche Ausbildungsordnung. Da diese den Prüfungs- und Ausbildungsinhalt, insb. auch in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als für die Betreuung nutzbar bewerteten Inhalte, in nicht unerheblicher Weise anders regelt als die EzHdlAusbV 2004, beruht die Tatsachenfeststellung auf diesem Fehler. Dies gilt auch in Anbetracht der erfolgten Anhörung der Betreuerin, deren Ergebnis keine hinreichende Grundlage für die Feststellung bietet, dass die Ausbildung einen anderen Inhalt hatte, als in der maßgeblichen Ausbildungsordnung festgelegt war.
Rz. 4
b) Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass ein erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat, sondern dass vielmehr erforderlich ist, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (BGH v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - juris Rz. 4; v. 16.1.2014 - XII ZB 525/13, FamRZ 2014, 471 Rz. 4 m.w.N.).
Rz. 5
Rechtlich zu beanstanden ist jedoch die Annahme, es sei ausreichend, dass die vermittelten, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse für den erlernten Beruf prägend seien. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (BGH v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - juris Rz. 4; v. 16.1.2014 - XII ZB 525/13, FamRZ 2014, 471 Rz. 4 m.w.N.). Allein daraus, dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung sind, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden, was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG führt (BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - XII ZB 447/11, NJW-RR 2012, 774 Rz. 22). Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insb. den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (vgl. BGH v. 4.12.2013 - XII ZB 252/13, FamRZ 2014, 471 Rz. 5; v. 23.10.2013 - XII ZB 429/13, FamRZ 2014, 116 Rz. 19). Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt.
Rz. 6
Hier hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Umfang und Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbaren Wissens an der Gesamtausbildung der Betreuerin getroffen. Die vorgenommene Schätzung im Rahmen der Kontrollüberlegung hat insoweit keine hinreichende Tatsachengrundlage. Ferner fehlt es an der Feststellung, ob bzw. inwieweit das angenommene für die Betreuung nutzbare Wissen über Grundwissen hinausgeht.
Rz. 7
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Da die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Die Sache ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 S. 2 FamFG).
Rz. 8
Bei der erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht nicht nur die EzHdlKfmAusbV 1987 und die Anhörung der Betreuerin zu würdigen, sondern - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht vorbringt - auch den Ausbildungsrahmenplan (Anlage 1 zu § 4 EzHdlKfmAusbV 1987), der die Ausbildungsinhalte und den Zeitpunkt, wann sie zu vermitteln sind, genauer beschreibt, zu berücksichtigen und sich mit den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hierzu auseinanderzusetzen haben.
Fundstellen
FamRZ 2015, 1794 |
BtPrax 2015, 258 |