Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit von Haaranalyse in Kindschaftsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht keine Rechtsgrundlage für eine in einer Kindschaftssache im Rahmen eines Beweisbeschlusses getroffene Anordnung, ein Elternteil habe an einer Untersuchungsmaßnahme (hier: Haaranalyse) mitzuwirken.
2. Ein solcher Beweisbeschluss ist in entsprechender Anwendung der Bestimmungen über die sofortige Beschwerde anfechtbar.
Normenkette
FamFG §§ 24, 26-27, 29-30
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.12.2014; Aktenzeichen 451 F 292/14) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; eine Erstattung von Kosten wird unter den Beteiligten nicht angeordnet.
Gründe
I. Das Kind K. ist aus der am ... geschlossenen Ehe der Kindeseltern hervorgegangen. Die Kindeseltern leben bereits seit mehreren Jahren voneinander getrennt. Das Kind lebt in der Obhut der Kindesmutter, die beim Familiengericht ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet hat mit dem Antrag, ihr die alleinige elterliche Sorge für das Kind zu übertragen. Zur Begründung führt sie an, dass der Kindesvater unzuverlässig und oft alkoholisiert sei und zudem auch Drogen nehme.
Der Kindesvater wendet sich gegen den Antrag der Kindesmutter und strebt die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge an. Er stellt den Aufenthalt des Kindes bei der Kindesmutter nicht in Frage.
Mit Faxschreiben vom 16.12.2014 hat das Jugendamt der Stadt O1 zum Verfahren Stellung genommen und mitgeteilt, dass die Kindesmutter mit dem Kind seit November 2014 stationär in der XY-Klinik aufgenommen sei. Die Kindesmutter habe gegenüber dem Jugendamt davon berichtet, dass der Kindesvater häufig alkoholisiert sei, wenn er das Kind besuche. Sie bezeichne sich selbst als "co-abhängig" und könne dem Kindesvater nur schwer Grenzen setzen. Das Kind freue sich über die Besuche des Vaters. Der Kindesvater habe gegenüber dem Jugendamt geäußert, damit einverstanden zu sein, dass das Kind bei der Kindesmutter lebe, die er als gute Mutter bezeichne. Der Umgang mit K. verlaufe aus seiner Sicht positiv. Er räume ein, Alkohol zu trinken, weigere sich aber, Auskunft über die Trinkmenge zu geben. Er erscheine zu den Umgangsterminen nicht betrunken und trinke auch während des Umgangs keinen Alkohol. Das Jugendamt teilte mit, es könne beim aktuellen Sachstand keine fachliche Einschätzung abgeben zur Regelung der elterlichen Sorge. Es regte an, das Gericht möge zunächst eine Testung des Kindesvaters bezüglich Alkohols und anderer Drogen in Auftrag geben. Erst nach Vorlage des Testergebnisses bezüglich des Kindesvaters und eines Zwischenberichtes der XY-Klinik bezüglich der Kindesmutter könne das Jugendamt eine Empfehlung zur Ausgestaltung der elterlichen Sorge abgeben.
Mit Beschluss vom 19.12.2014 ordnete das Familiengericht an, es solle Beweis erhoben werden über die Frage, ob beim Kindesvater eine Alkoholabhängigkeit besteht, durch Einholung eines Haaranalyse-Gutachtens. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde SV 1 vom Institut für Rechtsmedizin des Klinikums A in O1 beauftragt. Dem Kindesvater wurde in dem Beschluss aufgegeben, das Institut selbständig aufzusuchen und dort eine Haarprobe unter Vorlage eines Lichtbildausweises vorzulegen. Hierzu wurde ihm eine Frist gesetzt.
Der Beschluss wurde vom Gericht dem Kindesvater und der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter, nicht jedoch der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters bekannt gebracht.
Gegen den Beschluss legte die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters mit Schreiben vom 28.1.2015 Beschwerde ein.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist eine Beweisanordnung als bloße Zwischenentscheidungen in der Regel nicht anfechtbar, auch dann nicht, wenn die Einholung eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigengutachtens angeordnet wird, sofern keine Mitwirkungshandlung angeordnet wird. Denn die bloße Bestellung und Beauftragung eines Sachverständigen greift mangels Verpflichtung zur Duldung der Untersuchung bzw. zur Mitwirkung an dieser noch nicht in erheblichem Maße in die Rechte des Beteiligten bzw. Betroffenen ein (vgl. BGH, FamRZ 2008, 774).
Etwas anderes gilt jedoch, wenn durch den Beschluss eine konkrete Mitwirkungshandlung eines Beteiligten an einer solchen Untersuchung angeordnet wird (OLG Oldenburg FamRZ 2007, 1574; OLG Köln, OLG Nürnberg FamRZ 2014, 677). Dann ist ein Beweisbeschluss entsprechend den Bestimmungen über die sofortige Beschwerde anfechtbar, sofern das Gesetz nicht zur Überprüfung der Mitwirkungspflicht ein gesondertes Zwischenverfahren zur Verfügung stellt - wie etwa bei der Anordnung einer Abstammungsuntersuchung durch die in § 178 Abs. 2 FamFG geregelte Verweisung auf §§ 386 - 390 ZPO.
Hier hat das Familiengericht nicht nur die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, sondern dem Kindesvater zudem aufgegeben, binnen einer vom Gericht gesetzten Frist das Institut für Rechtsmedizin aufzusuchen und sich dort eine Haarpr...