Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält nicht mehr an der Voraussetzung für die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils in die Einbenennung eines Kindes nach § 1618 S. 4 BGB entsprechend der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2002, 1330) fest, wonach die Einbenennung unerlässlich ist, um konkrete Schäden von dem Kind abzuwenden.
Es ist vielmehr nach dem Wortlaut des § 1618 S. 4 BGB zu prüfen, ob die Einbenennung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
Verfahrensgang
AG Mainz (Beschluss vom 20.06.2012; Aktenzeichen 39a F 29/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Mainz vom 20.6.2012 abgeändert und die Zustimmung des Antragsgegners zur Änderung des Familiennamens des betroffenen Kindes A ... von "X" in "Y" ersetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner, die nicht miteinander verheiratet waren, haben mit Erklärung vom ... 2003 eine gemeinsame Sorgeerklärung für ihre Tochter A ..., geboren am ... 2003, abgegeben. Wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter haben sich die Kindeseltern getrennt. Obwohl die Antragstellerin immer wieder versucht hat, den Kontakt zwischen Vater und Kind zu fördern, ist ein Umgang mangels Interesse des Antragsgegners nur sehr sporadisch zustande gekommen. Auch bei Vermittlungsversuchen des Jugendamtes zeigte sich der Antragsgegner wenig kooperativ und interessiert. Mit Beschluss vom 31.8.2006 wurde die elterliche Sorge für A. der Kindesmutter allein übertragen.
Seit dem 15. Lebensmonat des Kindes kümmert sich der jetzige Ehemann der Antragstellerin um A. Die Antragstellerin hat Herrn Y am ... 2007 geheiratet und trägt seitdem den Nachnamen ihres Ehemannes. Auch die Kinder der Eheleute B ..., geboren am ... 2006, und C., geboren am ... 2009, tragen den Nachnamen Y.
Die Antragstellerin erstrebt die Ersetzung der von dem Antragsgegner verweigerten Einwilligung in die Änderung des Namens des Kindes A. dahin, dass dieses künftig den Namen "Y" trägt. Für A. sei es von sehr großer Bedeutung, dass sie den gleichen Namen trägt wie die übrigen Familienmitglieder. Der Antragsgegner interessiere sich nicht für A. und pflege keinen Kontakt zu ihr. Zudem werde A. zwischenzeitlich oft wegen ihres Nachnamens gehänselt.
Der Antragsgegner, der keinen Unterhalt für A. zahlt, stimmt der begehrten Namensänderung nicht zu, wäre aber mit einer Änderung des Familiennamens seiner Tochter in den Geburtsnamen der Antragstellerin "Z" einverstanden. Der Ehemann der Antragstellerin habe sich wegen Körperverletzung vor Gericht zu verantworten und der Name "Y" sei negativ behaftet. Auch könne der Eindruck entstehen, dass seine Tochter das Kind von Herrn Y sei. Im Übrigen sei es die Antragstellerin, die jeglichen Umgang unterbinde.
Das AG hat nach Anhörung des Kindes und des Jugendamtes durch den angefochtenen Beschluss den Antrag der Antragstellerin die Einwilligung des Antragsgegners zur Einbenennung des betroffenen Kindes zu ersetzen zurückgewiesen.
Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, für A. sei es sehr belastend, einen anderen Namen zu tragen. A. werde zunehmend in der Schule gehänselt und es werde unterstellt, dass ihre Mutter und deren Ehemann nicht ihre "richtigen" Eltern wären. Deshalb weine A. oft.
Der Antragsgegner hat zu der Beschwerde keine Stellungnahme abgegeben.
II. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 1618 Satz 1 BGB kann einem minderjährigen Kind der Ehename des sorgeberechtigten Elternteils, in dessen Haushalt das Kind lebt, erteilt werden. Dies bedarf nach § 1618 Satz 3 BGB jedoch der Zustimmung des anderen Elternteils, wenn das Kind dessen Namen führt. Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils nur ersetzen, wenn die Erteilung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1618 Satz 4 BGB). Als für das Kindeswohl erforderlich ist eine Einbenennung nur dann anzusehen, wenn anderenfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu erwarten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde.
Auch wenn der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Erforderlichkeit" in § 1618 Satz 4 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass die Eingriffsschwelle für eine Namensänderung hoch angesetzt ist, liegen die Voraussetzungen für eine Einbenennung hier vor. Bei Abwägung der wechselseitigen Interessen ist unter Kindeswohlgesichtspunkten von der Erforderlichkeit i.S.d. § 1618 Satz 4 BGB auszugehen. Die Namensänderung entspricht dem Wunsch des Kindes und eine Gefährdung des Kindeswohls i.S.d. § 1618 BGB ist gegeben.