Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Verfahrensbeteiligter seine Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten betreffend die Testierfähigkeit des Erblassers umfassend schriftlich erhoben, ist seinem Antrag auf Ladung des Sachverständligen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens nicht zwingend zu entsprechen.
2. Eine Ladungspflicht besteht dann, wenn durch die mündliche Erläuterung weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse zu erwarten sind (im Anschluss an OLG Hamm OLGZ 1992, 409; BVerfG FamRZ 2001, 1285).
Normenkette
FamFG § 30 Abs. 1; ZPO § 411 Abs. 3; BGB § 2358
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 27.03.2014; Aktenzeichen 64 VI 461/12) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG München vom 27.3.2014 wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 80.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des von dem Beschwerdeführer erstrebten Alleinerbscheins aufgrund des Testaments vom 24.12.2011 nicht vorliegen.
1. Die Erblasserin war nach Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB. Demgemäß ist das von ihr am 24.12.2011 errichtete Testament nichtig.
a) Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zu Tage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von der Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag. Sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (st. Rspr.; vgl. OLG München FamRZ 2007, 2009/2011 m.w.N.). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt letztwilliger Verfügungen auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnten (BayObLGZ 1999, 205/210 f.).
b) Der Senat ist der Überzeugung, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 24.12.2011 an einem demenziellen Syndrom litt, das so stark ausgeprägt war, dass ihr eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war. Demgemäß war die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 24.12.2011 testierunfähig. Bei dieser Einschätzung hat der Senat insbesondere die Befunderhebungen der in dem Betreuungsverfahren als Sachverständige bestellten Dr. He. und Dr. W., die Krankenakten der Erblasserin, die von den Hausärzten Dr. M. und Frau K., von dem Neurologen Dr. P., dem Hämatologen Prof. Dr. Hi. und dem R. Klinikum München dem Senat übersandt wurden, sowie die Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. berücksichtigt.
Der Sachverständige Dr. D. hat in seinem Gutachten nachvollziehbar und plausibel unter Würdigung der für die Frage der Testierfähigkeit maßgebenden Anknüpfungstatsachen in der ihm zur Verfügung stehenden Nachlassakte das Vorliegen eines demenziellen Syndroms für den Zeitpunkt 24.12.2011 dargelegt, das am ehesten im Rahmen einer senilen Demenz vom Alzheimer-Typ zu klassifizieren ist, wobei differenzialdiagnostisch ein Mischtyp zu erwägen ist.
aa) Dabei konnte der Sachverständige bei seiner medizinisch-psychiatrischen Diagnose von der Beschreibung ausgehen, wie sie in der "Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10)" gefasst ist. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers stellt diese zusammen mit den von medizinischen Fachgesellschaften (hier: deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde [DGPPN]) erarbeiteten Leitlinien ein anerkanntes Mittel dar, um das Vorliegen einer Demenz bestimmen zu können (vgl. Wetterling ErbR 2014, 94, 99). Diese hat der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung zugrunde gelegt. Einer Angabe von Li...