Leitsatz (amtlich)
a) Ein Anspruch auf Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben setzt voraus, dass der Gläubiger vor dessen Übersendung eine angemessene Wartefrist von mindestens zwei Wochen nach Zustellung des Urteils, durch das die einstweilige Verfügung erlassen oder bestätigt worden ist, an den Schuldner abgewartet hat.
b) Um die Kostenfolge des § 93 ZPO im Hauptsacheverfahren zu vermeiden, muss der Gläubiger dem Schuldner außerdem eine Erklärungsfrist von im Regelfall mindestens zwei Wochen für die Prüfung einräumen, ob er die Abschlusserklärung abgeben will, wobei die Summe aus Warte- und Erklärungsfrist nicht kürzer als die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) sein darf.
c) Eine dem Schuldner gesetzte zu kurze Erklärungsfrist setzt eine angemessene Erklärungsfrist in Gang; der Kostenerstattungsanspruch des Gläubigers für das Abschlussschreiben bleibt davon unberührt.
d) Ein Abschlussschreiben ist im Regelfall mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu vergüten.
Normenkette
BGB §§ 677, 683, 670; RVG-VV Nr. 2300
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des OLG Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 6.2.2014 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 27 - vom 18.7.2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.841 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.5.2013 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt die Beklagte im Anschluss an eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung auf Erstattung der Kosten eines Abschlussschreibens in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin ließ der Beklagten am 6.9.2012 eine als Beschluss ergangene einstweilige Verfügung des LG Hamburg zustellen, durch die der Beklagten sieben Werbeaussagen für ein Arzneimittel verboten wurden. Nach Widerspruch der Beklagten bestätigte das LG Hamburg die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 29.11.2012, das der Beklagten am 11.1.2013 zugestellt wurde.
Rz. 3
Mit per Telefax am 28.1.2013 übersandtem Schreiben forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer wettbewerbsrechtlichen Abschlusserklärung auf. Darin setzte sie der Beklagten eine Frist bis zum 7.2.2013, um die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 29.1.2013 gab die Beklagte eine Abschlusserklärung hinsichtlich fünf der sieben Unterlassungsansprüche ab. Im Hinblick auf die verbleibenden zwei Unterlassungsansprüche legte sie Berufung gegen das Urteil des LG ein.
Rz. 5
Unter dem 31.1.2013 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Kostenrechnung für das Abschlussschreiben über insgesamt 2.841 EUR, die sie auf Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 285.000 EUR zzgl. der Auslagenpauschale von 20 EUR errechnet hatte.
Rz. 6
Nach Zurückweisung dieser Zahlungsforderung durch die Beklagte begehrt die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung von 2.841 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu verurteilen. Das LG hat der Klage auf der Grundlage einer 0,8-fachen Geschäftsgebühr i.H.v. 1.756 EUR zzgl. Zinsen stattgegeben. Die dagegen gerichteten Berufungen beider Parteien hatten keinen Erfolg (OLG Hamburg, GRUR-RR 2014, 229 = WRP 2014, 483).
Rz. 7
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag sowie den in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag auf Reduzierung des zuerkannten Betrags auf eine 0,3-fache Geschäftsgebühr weiter. Die Klägerin begehrt im Wege der Anschlussrevision, die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.085 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Zahlungsantrag der Klägerin sei auf der Grundlage einer 0,8-fachen Geschäftsgebühr i.H.v. 1.756 EUR begründet. Dazu hat es ausgeführt:
Rz. 9
Der Zahlungsanspruch ergebe sich im zuerkannten Umfang aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Versendung des Abschlussschreibens am 28.1.2013 sei erforderlich gewesen und habe dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen. Dies setze zwar voraus, dass der Gläubiger dem Schuldner vor Versendung des Abschlussschreibens ausreichend Zeit gewähre, um die Abschlusserklärung von sich aus abgeben zu können. Die angemessene Wartefrist habe die Klägerin aber eingehalten, da sie der Beklagten das Abschlussschreiben erst 17 Tage nach Zustellung des Urteils des LG vom 29.11.2012 übersandt habe. Eine generelle Erstreckung der Wartefrist auf den Ablauf der Berufungsfrist komme nicht in Betracht.
Rz. 10
Auch die von der Klägerin im Abschlussschreiben nur bis zum 7.2.2013 gesetzte Antwortfrist stehe ihrem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Zwar sei dem Schuldner im Abschlussschreiben eine angemessene Frist zu setzen, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen. Im Streitfall erweise sich die mit zehn Tagen bemessene Antwortfrist aber noch als angemessen. Selbst wenn sie aber zu kurz bemessen gewesen sein sollte, weil sie noch während laufender Berufungsfrist abgelaufen sei, wäre an die Stelle der zu kurzen Frist jedenfalls eine angemessene Frist getreten. Da die Kosten des Abschlussschreibens bereits zuvor mit dessen Übersendung nach Ablauf der angemessenen Wartefrist entstanden seien, wirke sich die Angemessenheit der gesetzten Antwortfrist nicht auf die Verpflichtung zur Kostentragung für das Abschlussschreiben aus.
Rz. 11
Die zu erstattenden Kosten seien auf der Grundlage einer 0,8-fachen Geschäftsgebühr zutreffend berechnet. Weder liege ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 RVG-VV vor, noch habe die Klägerin Umstände vorgetragen, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, statt der regelmäßig anzusetzenden 0,8-fachen Geschäftsgebühr eine 1,3-fache Gebühr in Ansatz zu bringen.
Rz. 12
II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die Kosten des Abschlussschreibens zu erstatten (dazu II. 1). Der Erstattungsanspruch ist auch nicht auf eine 0,3-fache Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV beschränkt (dazu II. 2). Hingegen ist die Anschlussrevision der Klägerin begründet, weil sie Kostenerstattung auf Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr verlangen kann (dazu III.).
Rz. 13
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne von der Beklagten Kostenerstattung für das Abschlussschreiben verlangen.
Rz. 14
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben als Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) zusteht (BGH, Urt. v. 4.2.2010 - I ZR 30/08, GRUR 2010, 1038 Rz. 26 = WRP 2010, 1169 - Kosten für Abschlussschreiben I). Da keine Regelungslücke besteht, bedarf es insoweit nicht der analogen Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 181; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 43 Rz. 30).
Rz. 15
b) Voraussetzung für den Anspruch auf Kostenerstattung gem. §§ 677, 683, 670 BGB ist, dass die Versendung des Abschlussschreibens am 28.1.2013 erforderlich war und dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprach.
Rz. 16
aa) Um Kostennachteile aus § 93 ZPO zu vermeiden, muss der Unterlassungsgläubiger nach Erlass eines Urteils, das die Unterlassungsverfügung bestätigt, dem Unterlassungsschuldner ein Abschlussschreiben zusenden, bevor er Hauptsacheklage erhebt. Denn die zwischenzeitliche mündliche Verhandlung und die schriftliche Urteilsbegründung können einen Auffassungswandel des Unterlassungsschuldners herbeigeführt haben (OLG Köln WRP 1987, 188, 190 f.; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2006, 111, 112; Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 58 Rz. 42; Fezer/Büscher, a.a.O., § 12 Rz. 182; jurisPK-UWG/Hess, 3. Aufl., § 12 Rz. 156).
Rz. 17
bb) Wird eine einstweilige Verfügung durch Urteil erlassen oder nach Widerspruch bestätigt, so ist das kostenauslösende Abschlussschreiben nur erforderlich und entspricht nur dem mutmaßlichen Willen des Schuldners (§ 677 BGB), wenn der Gläubiger dem Schuldner zuvor angemessene Zeit gewährt hat, um die Abschlusserklärung unaufgefordert von sich aus abgeben zu können (KG, WRP 1978, 451; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2003, 294; Teplitzky, a.a.O., Kap. 43 Rz. 31; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rz. 3.73). Außer dieser Wartefrist ist dem Schuldner eine Erklärungsfrist für die Prüfung zuzubilligen, ob er die Abschlusserklärung abgibt.
Rz. 18
Danach muss dem Schuldner insgesamt ein der Berufungsfrist entsprechender Zeitraum zur Verfügung stehen, um zu entscheiden, ob er den Unterlassungsanspruch endgültig anerkennen will (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.2005 - IX ZR 188/04, GRUR 2006, 349 Rz. 19 = WRP 2006, 352; KG, WRP 1978, 451; Fezer/Büscher, a.a.O., § 12 Rz. 182). Dem stehen keine überwiegenden Gläubigerinteressen entgegen. Der Unterlassungsanspruch des Gläubigers ist durch die einstweilige Verfügung vorläufig gesichert. Die Verjährungsfrist ist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB gehemmt. Es besteht daher keine besondere Eile, den Verbotsanspruch im Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen. Auf Seiten des Schuldners ist zu berücksichtigen, dass er sich durch Abgabe der Abschlusserklärung endgültig unterwerfen soll. Unter diesen Umständen ist es geboten, ihm nach Kenntnis der Begründung des die Verfügung bestätigenden Urteils ausreichend Zeit zur erneuten Prüfung des Sachverhalts und zur Einholung anwaltlichen Rats zu gewähren. Es ist daher im Regelfall sachgerecht, den Gläubiger mit der Kostenfolge aus § 93 ZPO zu belasten, wenn dem Schuldner für die Abgabe der Abschlusserklärung insgesamt nur eine kürzere Frist als die Berufungsfrist des § 517 ZPO zur Verfügung stand, der Gläubiger innerhalb dieser Frist Hauptsacheklage erhebt und der Schuldner den Anspruch sofort anerkennt.
Rz. 19
cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die der Beklagten von der Klägerin vor Übersendung des Abschlussschreibens gewährte Wartefrist angemessen war.
Rz. 20
(1) Für den Beginn der Wartefrist ist die Zustellung des Urteils, durch das eine einstweilige Verfügung erlassen oder eine als Beschluss erlassene einstweilige Verfügung nach Widerspruch bestätigt wurde, in vollständiger Form maßgeblich. Der Schuldner kann nur auf der Grundlage der schriftlichen Urteilsbegründung eine sachgerechte Entscheidung über die Abgabe einer Abschlusserklärung treffen (OLG Köln WRP 1987, 188, 191; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2006, 111, 112; Ahrens/Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rz. 45).
Rz. 21
(2) Die Klägerin hat nach Zustellung des Urteils des LG, durch das die einstweilige Verfügung bestätigt worden ist, 17 Tage abgewartet, bevor sie der Beklagten das Abschlussschreiben übersandt hat. Diese Wartefrist war angemessen. Jedenfalls bei einer durch Urteil ergangenen oder nach Widerspruch bestätigten einstweiligen Verfügung ist es im Regelfall geboten und ausreichend, wenn der Gläubiger eine Wartefrist von zwei Wochen, ggf. unter Beachtung des § 193 BGB, einhält (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2003, 294; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rz. 3.73; MünchKomm/UWG/Schlingloff, 2. Aufl., § 12 Rz. 557). Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wäre eine längere Wartefrist mit den berechtigten Interessen des Gläubigers nicht vereinbar. Der Gläubiger hat ein nachvollziehbares Interesse, alsbald Klarheit zu erlangen, ob er zur Durchsetzung seiner Ansprüche noch ein Hauptsacheverfahren einleiten muss. Dieses Interesse ergibt sich aufgrund des Schadensersatzrisikos aus § 945 ZPO und des Bedürfnisses, etwaige Folgeansprüche, deren Verjährung nicht durch das Verfügungsverfahren gehemmt ist, zusammen mit dem Unterlassungsanspruch geltend machen zu können.
Rz. 22
Keiner Entscheidung bedarf im Streitfall die Frage, ob die Kosten für ein Abschlussschrieben, das nach einer durch Beschluss erlassenen einstweiligen Verfügung abgesandt worden ist, grundsätzlich nur zu erstatten sind, wenn der Gläubiger eine längere Wartefrist als zwei Wochen eingehalten hat. Dafür könnte sprechen, dass dem Schuldner in diesem Fall regelmäßig keine begründete gerichtliche Entscheidung als Beurteilungsgrundlage zur Verfügung steht, und dass der Widerspruch nach §§ 935, 924 Abs. 1 ZPO unbefristet zulässig ist. Auch nach einer Beschlussverfügung wird die angemessene und erforderliche Wartefrist jedoch im Regelfall drei Wochen nicht überschreiten (vgl. BGH, Urt. v. 4.3.2008 - VI ZR 176/07, GRUR-RR 2008, 368 Rz. 12 = WRP 2008, 805).
Rz. 23
dd) Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, ist dem Schuldner eine Erklärungsfrist von im Regelfall mindestens zwei Wochen für die Prüfung einzuräumen, ob er die Abschlusserklärung abgeben will (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rz. 3.71).
Rz. 24
Die Erklärungsfrist hat die Klägerin zu kurz bemessen. Sie hat der Beklagten im Abschlussschreiben vom 28.1.2013 eine Frist zur Abgabe der Abschlusserklärung lediglich bis 7.2.2013 eingeräumt. Diese Frist betrug weniger als zwei Wochen. Umstände im Verhalten des Schuldners, die ausnahmsweise eine kürzere Erklärungsfrist ausreichend erscheinen lassen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 25
ee) Das steht einem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten des Abschlussschreibens nicht entgegen. Rechtsfolge der zu kurz bemessenen Erklärungsfrist ist, dass die Klägerin, wenn sie die Hauptsacheklage vor Ablauf einer angemessenen Erklärungsfrist erhoben hätte, mit dem Kostennachteil aus § 93 ZPO hätte rechnen müssen. Enthält das Abschlussschreiben eine zu kurze Erklärungsfrist, so setzt es stattdessen eine angemessene Erklärungsfrist in Gang, während deren Lauf der Schuldner durch § 93 ZPO vor einer Kostenbelastung infolge der Erhebung der Hauptsacheklage geschützt ist (KG, WRP 1978, 451; OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2002, 344; Ahrens/Ahrens, a.a.O., Kap. 48 Rz. 44; Fezer/Büscher, a.a.O., § 12 Rz. 179; Götting/Nordemann/Kaiser, UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 321). Anders als die Revision meint, werden dadurch Schuldnerrechte nicht unangemessen beschnitten.
Rz. 26
Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat zu Recht angenommen, dass die der Beklagten gesetzte zu kurze Erklärungsfrist den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für das Abschlussschreiben unberührt lässt.
Rz. 27
Die Übersendung des Abschlussschreibens ist erforderlich und entspricht dem mutmaßlichen Willen des Schuldners, wenn der Gläubiger die angemessene Wartefrist von mindestens zwei Wochen nach Zustellung des Urteils, durch das die einstweilige Verfügung erlassen oder bestätigt worden ist, an den Schuldner abgewartet hat. Seine Funktion, dem Schuldner durch Abgabe einer Abschlusserklärung die Kostenbelastung eines Hauptsacheverfahrens zu ersparen, erfüllt das Abschlussschreiben, wenn anstelle einer zu kurzen die angemessene Erklärungsfrist tritt. Der Gebührentatbestand für das Schreiben wird schon mit dessen Übersendung an den Schuldner verwirklicht. Das spätere Verhalten des Schuldners ist für die Erforderlichkeit des Abschlussschreibens dagegen ohne Bedeutung. Gibt der Schuldner nach Übersendung des Abschlussschreibens innerhalb der angemessenen Frist keine Abschlusserklärung ab, so hat er durch sein Verhalten Anlass zur Klage i.S.v. § 93 ZPO gegeben, ohne dass es auf die Angemessenheit der im Abschlussschreiben gesetzten Erklärungsfrist ankommt.
Rz. 28
2. Die Revision dringt auch nicht mit ihrem hilfsweisen Begehren auf Reduzierung der Geschäftsgebühr durch. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin beschränkt sich nicht auf eine 0,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 RVG-VV.
Rz. 29
a) Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei einem Abschlussschreiben in der Regel nicht um ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 RVG-VV (BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 30 f. - Kosten für Abschlussschreiben I). Dies kann im Einzelfall zwar anders zu beurteilen sein. Von einer solchen Fallkonstellation ist der Senat ausgegangen, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren zurückgenommen und dort bereits die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt hat (BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 32 - Kosten für Abschlussschreiben I). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls im Streitfall nicht vorliegen.
Rz. 30
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Abschlussschreiben bestehe zwar aus Standardformulierungen und enthalte denkbar knappe Rechtsausführungen. Es könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in der Widerspruchsverhandlung weder die Rücknahme des Widerspruchs erfolgt noch die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt worden sei. Zudem habe sich das Abschlussschreiben auf insgesamt sieben verschiedene Werbeaussagen bezogen, die nicht notwendig einheitlich zu beurteilen gewesen seien. Das zeige sich auch in der Abschlusserklärung der Beklagten vom 29.1.2013, die sich lediglich auf fünf der sieben von der Klägerin noch geltend gemachten Unterlassungsansprüche bezogen habe. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass sich der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nicht auf eine 0,3-fache Geschäftsgebühr beschränkt.
Rz. 31
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine Herabsetzung der Gebühr auf den 0,3-fachen Satz sei jedenfalls gerechtfertigt, weil die Tätigkeit der Anwälte der Klägerin nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern auch im Interesse der Klägerin erfolgte (vgl. Bärenfänger, GRUR 2012, 461, 465 f.). Mit dem Abschlussschreiben führt der Gläubiger ungeachtet seines Eigeninteresses ein objektiv fremdes Geschäft, so dass eine zum Aufwendungsersatz gem. § 683 BGB berechtigende Geschäftsbesorgung für den Schuldner vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2006 - VI ZR 166/05, NJW 2006, 3628 Rz. 27; Seiler in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 677 Rz. 9). Ebenso wie Abmahnkosten (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.2011 - I ZR 145/10, ZUM 2012, 34 Rz. 12 - Tigerkopf) hat der Schuldner daher auch die Kosten eines ihm nach Ablauf der Wartefrist zugegangenen Abschlussschreibens in der erforderlichen Höhe vollständig zu erstatten (vgl. BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 13 ff. - Kosten für Abschlussschreiben I).
Rz. 32
III. Die Anschlussrevision der Klägerin ist begründet. Der Klägerin steht ein Kostenerstattungsanspruch für das Abschlussschreiben in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr zu.
Rz. 33
Anders als das Berufungsgericht meint, ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung nicht, dass für ein Abschlussschreiben regelmäßig eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV als angemessen anzusehen ist. Vielmehr hat der Senat auf den von Nr. 2300 RVG-VV vorgesehenen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 verwiesen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung der Instanzgerichte angeführt, die im Regelfall teils eine 1,3-fache Geschäftsgebühr (etwa OLG Hamm, Urt. v. 2.7.2009 - 4 U 39/09, juris), teils eine 0,8-fache Gebühr (OLG Hamburg, Urt. v. 21.5.2008 - 5 U 75/07, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2007 - 20 U 52/07, juris) für angemessen halten (BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 30 - Kosten für Abschlussschreiben I). In jenem Senatsurteil bestand kein Anlass, diesen Meinungsstreit der OLG zu entscheiden, weil das Abschlussschreiben ausnahmsweise als Schreiben einfacher Art zu qualifizieren und daher nur mit einer 0,3-fachen Gebühr zu vergüten war (vgl. BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 32 - Kosten für Abschlussschreiben I).
Rz. 34
Wie der BGH aber zwischenzeitlich auch für das seit 1.7.2004 geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestätigt hat, fällt in durchschnittlichen Rechtssachen die 1,3-fache Geschäftsgebühr als Regelgebühr an. Eine höhere Gebühr kann nur gefordert werden, wenn eine Tätigkeit umfangreich und schwierig und daher "überdurchschnittlich" war (BGH, Urt. v. 13.1.2011 - IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603 Rz. 16; Urt. v. 11.7.2012 - VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rz. 8; vgl. Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 15/1971, 207). Aus dem Gebührenrahmen der Nr. 2300 RVG-VV ergibt sich rechnerisch eine Mittelgebühr von 1,5, die jedoch durch die in Nr. 2300 RVG-VV vorgesehene "Kappungsgrenze" auf eine 1,3-fache Gebühr abgesenkt worden ist. Ein Anlass, diese Regelgebühr bei durchschnittlichen Fällen weiter abzusenken, ist nicht zu erkennen und besteht auch im Fall des Abschlussschreibens nicht.
Rz. 35
Gegen eine Herabsetzung der Gebühr unter die 1,3-fache Regelgebühr spricht die Funktion des Abschlussschreibens, die einer die Hauptsache vorbereitenden Abmahnung vergleichbar ist (vgl. BGH, GRUR-RR 2008, 368 Rz. 9). Auch für berechtigte Abmahnungen ist regelmäßig eine Gebühr von 1,3 angemessen (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rz. 31 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Abschlussschreiben in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung erschöpft, sondern mit ihm das Ziel verfolgt wird, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen. Zudem ist nach Zugang der Abschlusserklärung regelmäßig eine Prüfung erforderlich, ob die Erklärung inhaltlich ausreicht, um das Rechtsschutzziel zu erreichen (BGH, GRUR 2010, 1038 Rz. 31 - Kosten für Abschlussschreiben I).
Rz. 36
Das Berufungsgericht hat deshalb zu Unrecht der Klägerin auferlegt, Umstände vorzutragen, die ausnahmsweise eine 1,3-fache Geschäftsgebühr rechtfertigen. Da es sich nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts um den Regelfall eines Abschlussschreibens handelte, steht der Klägerin die 1,3-fache Regelgebühr zu.
Rz. 37
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 8031926 |
NJW 2015, 3244 |
EBE/BGH 2015 |
GRUR 2015, 822 |
JurBüro 2015, 526 |
JZ 2015, 464 |
MDR 2015, 859 |
WRP 2015, 979 |
AGS 2015, 358 |
GRUR-Prax 2015, 309 |
IP kompakt 2015, 17 |
IPRB 2015, 203 |
MarkenR 2015, 376 |
Mitt. 2015, 415 |
RVG prof. 2015, 165 |