Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen einer WEG

§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gibt einem Wohnungseigentümer keinen Anspruch darauf, dass die Teilungserklärung nach einer Umgestaltung des Gebäudes den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst wird, wenn davon auch die Eigentumszuordnung betroffen wäre.

Hintergrund

Mehrere Wohnungseigentümer verlangen von den übrigen Wohnungseigentümern, einer notariellen Vereinbarung zuzustimmen, durch die die Teilungserklärung geändert wird.

Im Jahr 1992 hatten die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen, der Umwandlung zweier Teileigentumseinheiten im Dachgeschoss in vier Wohnungen zuzustimmen. Ein Teil einer Sondernutzungsfläche, die einer der Teileigentumseinheiten zugeordnet war, sollte einer der neu gebildeten Wohnungen als Sondereigentum zugeschrieben werden. Zudem beschlossen die Eigentümer, dem jeweiligen Eigentümer der neuen Wohnungen ein Sondernutzungsrecht an noch zu errichtenden Dachgärten einzuräumen.

Die Arbeiten wurden wie geplant ausgeführt. Zusätzlich wurde eine im Gemeinschaftseigentum stehende Waschküche als Badezimmer in eine der Wohnungen einbezogen. Die Teilungserklärung blieb unverändert.

Im Jahr 2005 wurden die umgebauten Teileigentumseinheiten zwangsversteigert. Nachdem es seit 2007 Streit über die Nutzung der umgestalteten Wohnungen gibt, verlangen der neue Eigentümer einer der umgebauten Teileigentumseinheiten und die Eigentümer einer weiteren Wohnung von den anderen Wohnungseigentümern, einer Vereinbarung zuzustimmen, durch die die Teilungserklärung an die tatsächlichen Verhältnisse nach dem Umbau angepasst wird. Insbesondere sollen die beiden Teileigentumseinheiten unter Einbeziehung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Waschküche in vier Sondereigentumseinheiten umgewandelt und diesen dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte an den Dachgärten zugewiesen werden.

Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch gegen die übrigen Eigentümer, der Vereinbarung zuzustimmen.

Kein Anspruch aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG

Die Eigentümer können den geltend gemachten Anspruch nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG stützen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

§ 10 Abs. 2 WEG betrifft nur schuldrechtliche Vereinbarungen, die durch Eintragung in das Grundbuch verdinglicht werden können. Eine solche Vereinbarung setzt voraus, dass die Wohnungseigentümer ihre Innenbeziehungen untereinander regeln, also eine Gemeinschaftsordnung schaffen, die ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer bildet.

Von der inhaltlichen Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses ist eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen Zuordnung zu unterscheiden; sie kann nicht Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne des § 10 WEG sein. Daher lässt sich ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung des Wohnungseigentums aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG nicht herleiten.

Einen solchen Anspruch machen die Eigentümer hier aber geltend. Zwar berührt die Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft nicht, sodass ein solches Änderungsverlangen nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG zu beurteilen wäre. Hier geht es aber nicht nur darum, die Zweckbestimmung der Nutzung der Teileigentumseinheiten zu ändern. Vielmehr soll die Umwandlung der beiden Teileigentumseinheiten in vier Wohnungseigentumseinheiten dadurch erfolgen, dass an Teilen des Gemeinschaftseigentums Sondereigentum begründet wird. Diese Regelung betrifft nicht nur das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern aufgrund der mit der Änderung der Zweckbestimmung untrennbar verbundenen Änderung auch der Eigentumsverhältnisse die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft.

Kein Anspruch aus § 242 BGB

Auch aus § 242 BGB lässt sich kein Anspruch, der Änderung zuzustimmen, herleiten. Zwar kann in besonderen Ausnahmefällen aus Treu und Glauben ein Anspruch auf Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft bestehen. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen hier aber nicht vor.

Der Beschluss aus dem Jahr 1992 ist nichtig, denn die Umwidmung von Teileigentum in Wohnungseigentum, die Begründung von Sondernutzungsrechten und die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum sind einer Beschlussfassung von vornherein entzogen.

Ein besonderer Vertrauenstatbestand, auf den die Erwerber der Teileigentumseinheiten ihr Begehren stützen könnten, liegt nicht vor. Die rechtlichen Gegebenheiten waren aus den Abgeschlossenheitsbescheinigungen und den Aufteilungsplänen, die durch Bezugnahme Inhalt des Grundbuchs geworden sind, ersichtlich. Die neuen Eigentümer durften daher nicht darauf vertrauen, dass die tatsächlichen Verhältnisse gemäß der Beschlussfassung von 1992 rechtlich abgesichert sind oder es noch werden.

Auch die langjährige unbeanstandete Nutzung der vier neu geschaffenen Wohnungen einschließlich der Dachterrassen können das Änderungsbegehren nicht rechtfertigen. Aus der bloßen Duldung eines Zustands folgt keine Pflicht, diesen Zustand grundbuchrechtlich anzuerkennen und einer Änderung der Teilungserklärung zuzustimmen.

(BGH, Urteil v. 11.5.2012, V ZR 189/11)


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