Kompromiss-Urteil zu Schönheitsreparaturen
Hintergrund: Mieter verlangen Schönheitsreparaturen
Im März 2015 hatte der BGH entschieden, dass die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen unwirksam ist, wenn die Wohnung unrenoviert übergeben wird und der Mieter keinen angemessenen Ausgleich erhält. Unklar ist seitdem, ob Mieter unrenoviert übernommener Wohnungen vom Vermieter verlangen können, Schönheitsreparaturen auszuführen.
Der BGH hat diese Frage nun anhand zweier Fälle aus Berlin geklärt.
Im ersten Fall wurde die Wohnung 2002 unrenoviert an die Mieter übergeben. Die im Mietvertrag enthaltene Schönheitsreparaturklausel, die die Schönheitsreparaturen den Mietern auferlegt, ist nach der oben genannten Rechtsprechung des BGH unwirksam. Nachdem die Mieter vom Vermieter vergeblich die Durchführung von Malerarbeiten gefordert hatten, verlangen sie vom ihm nun einen Vorschuss von 7.300 Euro, um die Arbeiten selbst in Auftrag geben zu können.
Im zweiten Fall hatte der Mieter seine Wohnung im Jahr 1992 unrenoviert übernommen. Im Dezember 2015 verlangte er von der Vermieterin, Malerarbeiten auszuführen, was diese ablehnte.
Entscheidung: Vermieter muss streichen, Kosten halbe-halbe
Wenn sich der Zustand einer unrenoviert übergebenen Wohnung seit der Übergabe deutlich verschlechtert hat und die Schönheitsreparaturen nicht wirksam auf den Mieter übertragen wurden, trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht. Dann kann der Mieter vom Vermieter eine Renovierung verlangen, muss sich allerdings in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten beteiligen.
Ausgangspunkt für die Erhaltungspflicht des Vermieters ist der Zustand der Wohnung bei Übergabe an den Mieter. Wurde eine Wohnung vereinbarungsgemäß unrenoviert an den Mieter übergeben, folgt daraus aber nicht, dass Instandhaltungsansprüche des Mieters von vornherein ausscheiden. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der Dekorationszustand deutlich verschlechtert hat.
Allerdings ist eine Wiederherstellung des vertragsgemäßen Anfangszustandes der Wohnung nicht praktikabel und sinnvoll. Vielmehr ist es allein sachgerecht, die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand zu versetzen. Hierdurch werden auch Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem aktuellen Mietverhältnis beseitigt und der Mieter erhält eine Wohnung, die in einem besseren Zustand ist als bei der Übergabe. Daher ist es nach Treu und Glauben gerechtfertigt, dass sich der Mieter an den Kosten für die Renovierung beteiligt. Eine Kostenbeteiligung mit 50 Prozent ist in aller Regel angemessen, sofern im Einzelfall keine Besonderheiten vorliegen.
Vermieter hat Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten
Verlangt der Mieter vom Vermieter, Schönheitsreparaturen auszuführen, kann der Vermieter die Kostenbeteiligung des Mieters als Zurückbehaltungsrecht einwenden. Wenn der Mieter - wie im zweiten Fall – einen Kostenvorschuss verlangt, ist der Kostenbeitrag des Mieters hiervon abzuziehen.
(BGH, Urteile v. 8.7.2020, VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18)
Verbände kritisieren Urteil
Sowohl der Eigentümerverband Haus & Grund als auch der Deutsche Mieterbund (DMB) sind mit der Entscheidung des BGH nicht glücklich.
Haus & Grund befürchtet große Probleme in der praktischen Umsetzung und fürchtet wachsendes Misstrauen zwischen Vermietern und Mietern. Mit Blick auf die Wohnkosten sei das Urteil ein verheerendes Signal, erklärte Präsident Kai Warnecke. Wenn Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen ausführen müssten, müssten sie dies in die Miete einpreisen. Hierdurch würden insbesondere Mieter belastet, die nur kurz in einer Wohnung leben, ohne in den Genuss einer Renovierung zu kommen. Auch auf Mieter kämen durch die Kostenbeteiligung schnell hohe Beträge zu, die sie tragen müssten.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) hält das Urteil für "unverständlich". Wenn einerseits bei einer wirksamen Übertragung der Schönheitsreparaturen der Mieter vollständig in der Pflicht sei, müsse dies für den umgekehrten Fall auch für Vermieter gelten. Es sei nicht einzusehen, warum hier mit zweierlei Maß gemessen werde, erklärte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Es widerspreche dem Gesetz, Mietern einen Anspruch auf Schönheitsreparaturen zuzubilligen, den sie dann aber mitfinanzieren müssten. Das Urteil werde zu weiterem Streit über die Kostenaufteilung führen und diene dem Rechtsfrieden nicht.
Wesentlich milder beurteilt der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW die Entscheidung des BGH. Das Urteil sei ein ausgewogener Kompromiss, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko in einer Stellungnahme. Wenn der Vermieter Schönheitsreparaturen durchführe, erhalte der Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung mehr als vertraglich geschuldet. Es sei daher folgerichtig, den Mieter an den Kosten zu beteiligen.
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