Eigentümer können Verkauf von Gemeinschaftseigentum verweigern
Hintergrund: WEG will Gemeinschaftseigentum verkaufen
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von einer Eigentümerin, dem Verkauf eines Teils des gemeinschaftlichen Grundstücks zuzustimmen.
Das Grundstück ist 5.500 Quadratmeter groß. Der Grundstücksnachbar hatte Mitte der 90er-Jahre eine Mauer errichtet, die er zum Teil versehentlich auf das WEG-Grundstück gesetzt hat. Im Juli 2003 beschlossen die Wohnungseigentümer, die durch die Mauer abgetrennte gemeinschaftliche Teilfläche von 7 Quadratmetern für 5.000 Euro an den Grundstücksnachbarn zu verkaufen. Sodann schlossen der Nachbar und die WEG einen Kaufvertrag über die Fläche, der erst mit Zustimmung aller Eigentümer wirksam werden sollte. Alle Eigentümer mit Ausnahme der nun beklagten Eigentümerin stimmten dem Vertrag zu.
Im Mai 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer, den Verkauf zu vollziehen und - sofern der Mehrheitsbeschluss für die Vollziehung im Grundbuch nicht ausreiche - die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer gegebenenfalls gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Das Grundbuchamt lehnte die Umschreibung ab.
Die Gemeinschaft klagt nun gegen die die ablehnende Eigentümerin, dem Verkauf zuzustimmen.
Entscheidung: Verkauf von Gemeinschaftseigentum nicht erzwingbar
Der BGH weist die Klage ab. Die WEG hat keinen Anspruch darauf, dass die Eigentümerin zustimmt, das Gemeinschaftseigentum zu verkaufen.
Beschlusskompetenz fehlt
Aus den Beschlüssen vom Juli 2003 und vom Mai 2009 lässt sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. Wenn man die Beschlüsse so versteht, dass die Eigentümerin zur Zustimmung verpflichtet werden sollte, sind sie mangels Beschlusskompetenz nichtig. Eine Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks betrifft die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft und stellt schon aus diesem Grund keine Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG dar. Folglich besteht auch für die schuldrechtliche Verpflichtung zu einer solchen Veräußerung keine Beschlusskompetenz.
Vereinbarung über sachenrechtliche Grundlagen unzulässig
Aus dem gleichen Grund kann der Anspruch nicht auf § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung verlangen. Das Begehren der Wohnungseigentümer ist indes nicht auf die Mitwirkung an einer Vereinbarung gerichtet. Mit einer Vereinbarung wird das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer inhaltlich ausgestaltet. Eine vertragliche Regelung der sachenrechtlichen Zuordnung ist davon zu unterscheiden. Sie kann nicht Gegenstand einer Vereinbarung sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Vereinbarung nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung an der Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft begründet.
Eine Veräußerung, wie sie hier beabsichtigt ist, betrifft nicht das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, sondern die Eigentumsverhältnisse und damit die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft. Einzelne Wohnungseigentümer können danach im Innenverhältnis eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen nicht im Wege einer wohnungseigentumsrechtlichen Vereinbarung erzwingen; das gilt erst recht für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem Dritten, das auf eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen gerichtet ist.
Weil das Wohnungseigentumsgesetz danach ein abschließendes Regelungskonzept enthält, kann der Anspruch auch nicht auf § 745 Abs. 2 BGB gestützt werden.
Nur ausnahmsweise Anspruch aus Treuepflicht
Ein Anspruch auf Mitwirkung am Verkauf des Gemeinschaftseigentums kann sich allein aus der Treuepflicht der beklagten Eigentümerin ergeben, die im Verhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern besteht. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung der Miteigentümer zur Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft bestehen. Dies setzt voraus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Verweigerung der Zustimmung als grob unbillig und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erscheinen lassen. Solche außergewöhnlichen Umstände lagen hier aber nicht vor.
(BGH, Urteil v. 12.4.2013, V ZR 103/12)
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