Lärm aus der Nachbarwohnung oder aus der Umgebung kann zermürbend sein. Vor allem, wenn er sich über längere Zeit hinzieht. Die Spanne ist groß. Doch nicht jedes Alltagsgeräusch ist eine Zumutung, auf komplette Ruhe gibt es kein Recht – und damit auch nicht in jedem Fall einen Anspruch auf Mietminderung.
Mietminderung bei Baulärm
Wenn die Straße vor der Wohnung nach Abschluss des Mietvertrags zum Zubringer für eine Autobahn umgebaut wird, sind nicht nur die Bauarbeiten eine Ruhestörung, auch der Straßenverkehr wird lauter. Vor dem AG Berlin-Köpenick (Urteil v. 2.7.2010, Az. 4 C 116/10) konnte ein Mieter eine Minderung von 7,5 Prozent durchsetzen.
Mietminderung wegen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück
Ein Ausschluss der Minderung wegen Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück kommt laut LG Berlin (Urteil v. 13.3.2013, Az. 65 S 321/11) nur in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses konkrete Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten vorgelegen haben. Die Mieter hatten hinreichend dargelegt, dass es werktags zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen sei. Das Gericht hielt eine Minderung von 15 Prozent bis zum Abschluss der Bauarbeiten für angemessen.
Eine vorübergehende Mehrbelastung mit Verkehrslärm ist kein zur Minderung berechtigender Mangel der Wohnung, wenn nicht eine geringe Verkehrsbelastung vertraglich vereinbart ist, entschied der BGH (Urteil v. 19.12.2012, Az. VIII ZR 152/12). Eine solche Vereinbarung liegt nicht schon darin, dass der Mieter eine geringe Lärmbelastung vorfindet und als vorteilhaft ansieht.
Mietminderung wegen Hellhörigkeit oder fehlender Schallschutzdämmung
Kann der Mieter im Schlafzimmer deutlich hören, wenn im Bad der eigenen Wohnung Wasser läuft, ist das kein Mangel, der zu einer Minderung der Miete berechtigt, entschied das AG Spandau (Urteil v. 4.4.2014, Az. 3 C 576/13). Obwohl im vorliegenden Fall die in der DIN-Norm 4109 vorgesehenen Grenzwerte überschritten waren, sei dies keine unerträgliche Beeinträchtigung. Im Gegensatz zum Verhältnis zu einer fremden Wohnung begibt sich der Mieter durch Einziehen mit anderen Personen in eine Wohnung in ein enges Näheverhältnis.
Nervende technische Geräte
Manchmal sind es nicht Menschen, die Geräusche verursachen, sondern technische Geräte. Eine Heizung gab regelmäßig ein Klopfen von sich, so dass die darüber wohnenden Mieter keine Ruhe fanden. Das LG Osnabrück (Urteil v. 11.7.2018 , Az. 1 S 317/17) stellte nach Beweisaufnahme fest, dass die Mieter nur noch mit Ohrstöpseln schlafen konnten. Das sei während der Heizperiode eine Minderung von 25 Prozent wert. Typische Geräusche aus der Umwelt und haustechnischen Anlagen wiederum berechtigen nach Auffassung des AG Hannover (Urteil v. 1.10.2014, Az. 412 C 8478/13) nicht zu einer Minderung. Es gilt der objektive Maßstab eines durchschnittlichen Mieters – subjektive Störungsempfinden müssen außer Betracht bleiben.
Mietminderung bei Ruhestörung durch Nachbarn
Mindert ein Mieter wegen Lärmbelastung in seiner Wohnung die Miete, muss er nur darlegen, wie sich der Lärm bemerkbar macht. Zur Mangelursache muss er nichts vortragen, kann es aber. Sein Minderungsrecht schränkt sich nicht auf Mängel ein, die auf dieser Ursache beruhen. In einem vom BGH entschiedenen Fall beanstandete ein Mieter unzumutbare Lärmbelästigungen (Getrampel, Möbelrücken) aus der Wohnung darüber und minderte die Miete. Die Vermieterin kündigte ihm fristlos. Amts- und Landgericht gaben der Räumungsklage statt. Der BGH (Beschluss v. 21.2.2017, Az. VIII ZR 1/16) hob das Räumungsurteil auf. Es reicht, wenn der Mieter einen konkreten Sachmangel darlegt, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt, so das Gericht. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder einen Minderungsbetrag muss er nicht vortragen.
Musizieren kann nicht komplett verboten werden
Zu den Klassikern der Streitigkeiten wegen Ruhestörung gehört das Üben mit Instrumenten in der Nachbarwohnung. In einem - allerdings zu einer WEG-Sache ergangenen Urteil - hat der BGH festgestellt, dass einem Musiker in einem Reihenhaus das Üben und Unterrichten nicht komplett verboten werden kann. Der BGH (Urteil v. 26.10.2018, Az. V ZR 143/17) gestattete das Trompetenspiel im Rahmen von zwei bis drei Stunden an Wochentagen und von ein bis zwei Stunden an den Wochenenden und Feiertagen. Auf die üblichen Ruhezeiten sei Rücksicht zu nehmen.
Lüftungsanlage: Krach aus der Shisha-Lounge
Shisha-Lounges gibt es in vielen Städten. Oft verfügen sie über eine starke Lüftungsanlage, um den Rauch der Wasserpfeifen abzusaugen. Wenn allerdings der Lärm, der von einer solchen Lüftung ausgeht, die zulässigen Grenzwerte überschreitet, kann das zum Problem werden. Das LG Berlin (Urteil v. 15.4.2016, Az. 63 S 223/15) sprach Mietern, die in ihrem Schlafzimmer von dem Lärm belästigt wurden, eine Minderung um zehn Prozent zu. Auf das Urteil wies der Infodienst Recht und Steuern der LBS hin.
Mietminderung bei Kinderlärm
Der BGH (Urteil v. 29.4.2015, Az. VIII ZR 197/14) stellte in einem wegweisenden Urteil fest, Kinderlärm sei laut Gesetz hinzunehmen. Im vorliegenden Fall ging es um Lärm, der von einem neuen Bolzplatz ausging. Einem Schild zufolge sollte dieser Kindern im Alter bis zu zwölf Jahren montags bis freitags bis 18 Uhr offen stehen. Laut BGH stellen Lärmbelästigungen dann keinen Mangel dar, wenn der Vermieter diese als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste. Das kann sich aus dem Toleranzgebot (§ 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz) hinsichtlich Kinderlärms ergeben. Es sei deshalb zu klären, ob die Lärmbelästigungen von Kindern ausgeht oder von Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen, die nicht unter die Privilegierung der Vorschrift fallen. Treten im Lauf des Mietverhältnisses nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen ("Umweltmängel") auf, kann das zu einem Recht auf Mietminderung führen.
Kinderlärm: Die Toleranz hat Grenzen
Die Mieterin einer Erdgeschosswohnung in einem Altbau verlangte vom Vermieter eine Minderung von 50 Prozent, weil es seit dem Einzug einer Familie mit zwei Kindern aus der Wohnung über ihr fast täglich zu massiven Lärmstörungen durch Stampfen, Springen und Poltern sowie Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen komme. Die Störungen hat sie teilweise in Lärmprotokollen festgehalten. Der BGH (Beschluss v. 22.8.2017, Az. VIII ZR 226/16) entschied, dass in einem Mehrfamilienhaus gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen sind. Dazu zählt auch üblicher Kinderlärm. Andererseits hat die Toleranz auch Grenzen.
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