Kinderlärm ist normalerweise zulässig – aber nicht grenzenlos
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Hintergrund
Die Mieterin einer Wohnung verlangt vom Vermieter die Beseitigung von Lärmstörungen, die Feststellung eines Minderungsrechts sowie die Rückzahlung von unter Vorbehalt gezahlter Miete. Die Erdgeschosswohnung befindet sich in einem Achtfamilienhaus, das um 1900 erbaut wurde. 2012 zog in die darüber liegende Wohnung im ersten Obergeschoss eine Familie mit zwei kleinen Kindern ein.
Die Mieterin moniert, dass es seit dem Einzug der Familie aus der Wohnung fast täglich zu massiven Lärmstörungen durch Stampfen, Springen und Poltern sowie Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen komme. Die Störungen hat sie teilweise in detaillierten Lärmprotokollen festgehalten. Die Mieterin macht eine Minderung von 50 Prozent geltend.
Vor Amts- und Landgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Die Gerichte meinten, Kinderlärm sei zwar nicht in jeglicher Form und Intensität hinzunehmen. Grundsätzlich sei vielmehr bei jeder Art von Lärm einschließlich Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen, wobei die Erziehungsberechtigten auch verpflichtet seien, Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten bezüglich ihrer Bewegungen und akustischen Äußerungen anzuhalten. Das zulässige Maß sei hier aber nicht überschritten.
Es sei normal, dass Kleinkinder rennen und fest auftreten, auch wenn dies in der Wohnung darunter als Stampfen empfunden werde. Auch könnten sich Kleinkinder nicht differenziert äußern, sondern bedienten sich akustischer Äußerungen, die andere Personen als Schreien oder Brüllen wahrnehmen. Soweit in den Lärmprotokollen ein Brüllen des Vaters verzeichnet sei, sei dies meistens darauf gerichtet gewesen, die Kinder zur Ruhe zu ermahnen. Dies zeige, dass die Nachbarn ihre Kinder gerade zu rücksichtvollem Verhalten anhalten wollten. Die lautstarken Äußerungen der Erwachsenen seien zwar nicht pädagogisch wertvoll, aber noch als sozial adäquat zu akzeptieren.
BGH Urteil: Kinderlärm ist nicht grenzenlos zulässig
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht hätte den Beanstandungen der Mieterin nachgehen müssen und die geschilderten Einwirkungen nicht ohne Weiteres als sozialadäquat einstufen dürfen.
In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Sie begründen nicht ohne Weiteres einen Mangel. Dazu zählt auch üblicher Kinderlärm, den das Immissionsschutzrecht grundsätzlich als zumutbar behandelt. Andererseits hat die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit sich die Geräuschimmissionen vermeiden lassen, etwa durch erzieherische Einwirkung auf das Kind oder durch bauliche Maßnahmen.
Das Landgericht ist zwar auch von diesem Ansatz ausgegangen, hat aber wesentliches Vorbringen der Mieterin, die die Einwirkungen sehr detailliert beschrieben hat, übergangen. Nach dem Vortrag der Mieterin und den vorgelegten Lärmprotokollen war das zulässige Maß an Lärm überschritten. Dabei hätte die Mieterin nicht einmal Lärmprotokolle vorlegen müssen, um die Geräuschbelastung ausreichend darzulegen.
Das Landgericht muss nun vor einer erneuten Entscheidung über den Fall Beweis erheben. Außer der Vernehmung von Zeugen könnte noch ein Ortstermin in Frage kommen, damit sich das Gericht ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen kann; eventuell muss das Gericht auch einen Sachverständigen beiziehen, um zu klären, wie hellhörig das Haus wirklich ist.
(BGH, Beschluss v. 22.8.2017, VIII ZR 226/16)
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