Mietminderung wegen Lärm in der Wohnung
Hintergrund: Minderung wegen Lärm im Haus
Die Vermieterin einer Wohnung verlangt vom Mieter nach einer Kündigung die Räumung.
Der Mieter wohnt im 4. Obergeschoss eines 1954 gebauten Hauses. Er beanstandet fortwährend bestehende unzumutbare Lärmbelästigungen (unzumutbar laute Klopfgeräusche, festes Getrampel, Möbelrücken usw.), denen er in seiner Wohnung ausgesetzt sei. Nach seiner Meinung kommen die Geräusche aus der Wohnung darüber.
Wegen des Lärms minderte der Mieter die Miete. Dies nahm die Vermieterin schließlich zum Anlass für eine fristlose Kündigung. Der Mieter zahlte den einbehaltenen Betrag innerhalb der Schonfrist unter Vorbehalt.
Amts- und Landgericht gaben der Räumungsklage statt, wobei das Landgericht die Kündigung als ordentliche Kündigung für berechtigt hielt. Vor Gericht hatten zwar mehrere Zeugen den geschilderten Lärm im Haus bestätigt; auch hatte der Mieter detaillierte Lärmprotokolle vorgelegt. Hieraus lasse sich aber nicht der Schluss ziehen, dass die Wohnung mangelhaft sei. Nicht jeder Lärm in einem hellhörigen Haus begründe einen Mietmangel. Außerdem habe der Mieter die Minderung nicht darauf gestützt, dass der nach dem Baujahr des Hauses geschuldete Schallschutz nicht eingehalten sei, sondern darauf, dass die Vermieterin nichts gegen die Lärmbelästigung durch Mitbewohner, insbesondere die Mieterin der Wohnung obendrüber, unternommen habe. Das Amtsgericht habe daher zurecht kein Sachverständigengutachten eingeholt, auch weil ein Sachverständiger keine Feststellungen zu Lärm in der Vergangenheit treffen könne.
Entscheidung: Beschreibung des Lärms reicht aus
Der BGH hebt das Räumungsurteil auf und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.
Amts- und Landgericht haben nur eine von mehreren denkbaren Mangelursachen, nämlich Lärm aus der darüber gelegenen Wohnung durch unangemessenes Wohnverhalten dieser Mieterin, betrachtet. Sie haben den gerügten Mangel - unzumutbarer, in der Wohnung wahrnehmbarer Lärm - nicht insgesamt gewürdigt und zu Unrecht davon abgesehen, ein Sachvständigengutachten einzuholen.
Einem Mieter, der die Miete wegen Lärms mindert, geht es nicht in erster Linie um die Ursache des Lärms, sondern um die für ihn nachteiligen Auswirkungen bei der Nutzung seiner Wohnung. Die Minderung hängt nicht davon ab, ob ein für den Mieter nicht mehr hinnehmbarer Lärm durch Baumängel, durch unangemessenes Wohnverhalten anderer Mitbewohner oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen ausgelöst wird.
Mieter muss nur Mangelsymptome beschreiben
Da die Minderung kraft Gesetzes eintritt, reicht es aus, wenn der Mieter einen konkreten Sachmangel darlegt, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung oder einen bestimmten Minderungsbetrag muss er nicht vortragen. Er muss auch über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelsymptome hinaus nichts zu deren Ursache vortragen. Diese ist ihm häufig gar nicht bekannt. Es obliegt dann dem Gericht, die für das Vorliegen des Mangels angebotenen Beweise zu erheben und ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Hier hat der Mieter die Lärmbelastung in der Wohnung ausreichend beschrieben und sogar durch detaillierte Lärmprotokolle konkretisiert, obwohl er Lärmprotokolle nicht einmal hätte vorlegen müssen. Zur Ursache des beanstandeten Lärms musste er nichts weiter vortragen, zumal es ihm als Laien weder möglich ist, die Lärmquelle einer bestimmten anderen Wohnung zuzuordnen, noch darzulegen, ob der als unzumutbar empfundene Lärm auf einem unangemessenen (nicht mehr sozialadäquaten) Wohnverhalten anderer Bewohner, auf einem mangelhaften Schallschutz (Nichteinhaltung der bei Errichtung des Gebäudes geltenden Schallschutzvorschriften) oder auf einer Kombination beider Ursachen beruht. Wenn ein Mieter gleichwohl eine aus seiner Sicht bestehende Lärmursache benennt, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, er wolle Mängelrechte nur für den Fall geltend machen, dass ausschließlich diese Ursache und nicht eine andere zutrifft.
Spätestens das Landgericht hätte einen Sachverständigen für Gebäude und Schallschutz beauftragen müssen. Dieser hätte Feststellungen zur gegenwärtigen Lärmsituation und zum baulichen Schallschutz (Einhaltung des bei Errichtung maßgeblichen Schallschutzes, Vorhandensein von Schallbrücken) treffen können.
Dass der Mieter nicht ausdrücklich geltend gemacht hat, die Lärmursache könne auch in der Nichteinhaltung der zur Errichtung des Gebäudes geltenden Schallschutzvorschriften liegen, ist unschädlich. Zwar kann ein Mieter in seiner Wohnung nur einen Schallschutz erwarten, der dem bei Errichtung des Gebäudes geltenden Standard entspricht. Ob dieser eingehalten ist, muss das Gericht aber erst durch einen Sachverständigen feststellen lassen. Hier liegt außerdem die Möglichkeit nahe, dass selbst der niedrige, 1954 geltende Schallschutzstandard nicht eingehalten ist. Wenn dies der Fall ist, kann auch sozialadäquates Wohnverhalten der anderen Bewohner zu einer unzumutbaren Lärmbelastung führen und zur Minderung berechtigen.
(BGH, Beschluss v. 21.2.2017, VIII ZR 1/16)
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Für eine Mietminderung, die nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, reicht es aus, wenn der Mieter einen konkreten Sachmangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt darlegt. Das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen, auch nicht die ihm meist auch nicht bekannte Ursache des Mangels.
Seine prozessuale Darlegungslast erfordert daher nur, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen ("Mangelsymptome") vorträgt und unter Beweisangebot stellt.
Das Gericht muß dann bereits, die für das Vorliegen des Mangels angebotenen Beweise erheben und - im Falle eines beantragten Sachverständigengutachtens - dem Sachverständigen die beweiserheblichen Fragen unterbreiten.