Quo Vadis 2024: Negativ, negativ, negativ – oder?
Es ist ein geradezu unlösbarer Widerspruch für die Politik: Einerseits rhetorisch abzurüsten, damit Märkte, Investoren und die Bevölkerung nicht noch weiter verunsichert werden, und andererseits trotzdem gehört zu werden, auch mit seinen Nuancen. Gerade die sind wichtig, denn die Wahrheit, so es sie gibt, liegt nur selten in plumpen bis plakativen Parolen.
Das zeigte sich, als der Bundesjustizminister am Vorabend der Heuer Dialog-Veranstaltung Quo Vadis 2024 über seine Aktivitäten zum Bürokratieabbau berichtete (die sich etwa zeigen im Bürokratieentlastungsgesetz 4 und den Meseberger Bürokratieabbaubeschlüssen). Da wurde dem Auditorium klar, dass das Thema beginnt Früchte zu tragen – und dass es einer gewissen Intelligenz bedarf, um die leider nicht plakativen Beispiele auch zu verstehen.
Wenn es selbst der Feld nicht reißt …
Die Ampel hat ein riesiges Problem damit, als lösungsorientiert wahrgenommen zu werden. Und sie kann ihre Erfolge nicht verkaufen. Der ehemalige Wirtschaftsweise Lars Feld war geradezu verzweifelt, als er auf der Veranstaltung die scheinbare Tatsache, Deutschland spare sich zu Tode, in der Luft zerriss, über seine 30-jährige Erfahrung in der Politik sprach und darüber, wie mühsam es sei, Plattitüden und populistischen Phrasen entgegenzuwirken.
Feld schien müde, mindestens desillusioniert. Wer sich von ihm Hoffnung gewünscht hatte, dass da doch vielleicht am Horizont Gutes sichtbar sei, wurde enttäuscht. Laut einem wissenschaftlichen Index sei die Unsicherheit der deutschen Wirtschaft deutlich höher als die der weltweiten.
Tobias Just, Geschäftsführer der Irebs, hatte mit seinem eher düsteren Vortrag den Ton gesetzt: Deutschlands Geschäftsmodell sei die Globalisierung, die nicht mehr funktioniere. Aus verschiedenen Gründen würden wir in Bälde den Titel des Export-Vizeweltmeisters hinter China abgeben müssen an die USA. Das habe Folgen für die Immobilienwirtschaft. Und wenn sich Unternehmen aufgrund von Rahmenbedingungen völlig neu strukturierten, wie gerade oft zu beobachten, dann gelte das Gleiche.
Als die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff über die Geopolitik sprach und darstellte, wie sehr die Demokratiequalität auch in Europa und Nordamerika abnehme, ebenso in den internationalen Institutionen, da fragte man sich wirklich, woher auf der diesjährigen Quo Vadis die positiven Anstöße kommen sollten. Es war das beherrschende Thema in den Pausen.
Zwei positive Impulse
Wer positive Impulse hören wollte, der musste warten. Ziemlich spät trugen Moritz Gräter und Sven Thorissen Einzelheiten zu ihrem IPAI-Projekt (Innovation Park Artificial Intelligence) in Heilbronn vor. Unter dem Stichwort "Orte, die Mut machen" hielten sie einen Herzblutvortrag über ein "Global Home for Human AI". Wenn es die Weltpolitik und die allgemeine wirtschaftliche Lage nicht richten können, so müssen das eben Immobilienprojekte tun, die trotz allem realisiert werden. Künstliche Intelligenz beflügelt die Fantasie und lässt auch die Immobilienbranche an eine bessere Welt glauben. Selbst wenn aktuell bei ihrer Nutzung viele Unternehmen immer noch zwischen Strategie und Umsetzung hin und her wogen.
Nicht ganz passend zur Nachricht, Generali Real Estate sei ausgestiegen aus der Assetklasse "Kleine Shopping-Center", kam am zweiten Tag der Sprecher eines jungen Unternehmens auf die Bühne, das Einkaufszentren aus Holz baut. Er wurde gefragt, warum er in deren Ausgestaltung so viel Herzblut hineinlege. Er erzählte davon, dass die Marktplätze früherer Zeiten Mittelpunkte der Städte gewesen seien. Dort kreuzten sich Handelsstraßen, und Menschen aus aller Welt kommunizierten miteinander. Vielleicht eine Bedeutungsüberhöhung der Assetklasse, aber möglicherweise auch eine gute Idee, wenn es um die Umgestaltung von Innenstädten geht.
Was kostet eine angenehme Außentemperatur?
Was bleibt? In schlechten Zeiten ist viel die Rede von Allianzen. Dafür, solche zu finden, ist eine Veranstaltung wie dem Quo Vadis wichtig, auch vor dem Hintergrund, dass deutsche Investoren vielfach skeptischer auf den deutschen Markt schauen als ausländische. Die finden Deutschland wegen seiner Fundamentaldaten immer noch attraktiv.
Fazit: Schade, es gibt keins. Tobias Just meinte auf die Frage nach der richtigen Lage, es komme auf die Stadt an. Zentral könne gut sein, peripher aber auch. Das zeigt: Die Zeit der schnellen Lösungen und einfachen Wahrheiten ist vorbei, es kommt mehr denn je an auf Nuancen.
Drei Zitate sind mir in Erinnerung geblieben: Moderator Timo Tschammler brachte eine alte Golf-Weisheit: "Je mehr ich trainiere, desto mehr Glück habe ich." Bundesbauministerin Klara Geywitz: "Menschen wohnen nicht in Bauanträgen." Und der Arzt Eckart von Hirschhausen: "In der ARD spreche ich zu Millionen. Hier spreche ich zu Milliarden. Aber kein Mensch kann sich seine Außentemperatur kaufen." Gerne auf der Zunge zergehen lassen. Ich finde, schon dafür hat es sich gelohnt zu kommen.
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