Die Behörden-Website der Zukunft

Behörden und viele öffentliche Einrichtungen müssen massiv in ihre Webpräsenz investieren, meint Gastautor Dr. Stefan Döring. Und dabei immer von den Nutzerinnen und Nutzern her denken. Es geht um Einfachheit, Lesbarkeit und Verständlichkeit. 

Hunger nach Kommunikation

Viele Kommunen und Behörden sind gerade daran, ihre Webpräsenz zu überdenken. Das in der Krise erhöhte Informationsbedürfnis der Bürger zwingt dazu, weil die Kollegen kaum noch etwas anderes tun, als die immer gleichen Fragen am Telefon zu beantworten.

80 Prozent der Leser einer Stellenanzeige besuchen die Homepage – wenn es sie denn gibt. Daher gehören Karriereinformationen auch zentral präsent auf die Startseite, statt sie irgendwo in den Tiefen des Menüs zu verstecken.

Dazu werden nicht selten Umfragen durchgeführt oder das Feedback der Bürgerinnen und Bürger eingeholt. Was es hier zu hören gibt, entspricht der Studienlage: maximaler Frust mit dem Status Quo.

Das schlechte Feedback ist wenig verwunderlich, denn viele Webseiten von Kommunen und anderen Behörden erinnern an die Zeit kurz nach der Erfindung des Teletexts. Dabei ist Behördenkommunikation wichtiger denn je. Heute gebe ich einige Tipps, wie es mit dem Internet-Auftritt besser funktioniert:

Ohne Webseite keine Existenz

Nicht selten, dass zunächst behauptet wird: Wir brauchen keine Internetseite. Doch, unbedingt! Denn Organisationen, die im Web nicht präsent sind, gibt es schlicht nicht.

Viele Webseiten von Kommunen und anderen Behörden erinnern an die Zeit kurz nach der Erfindung des Teletexts.

Das wird spätestens dann wichtig, wenn Personal gesucht wird. Es herrscht ja schließlich Fachkräftemangel. Man kann davon ausgehen, dass 80 Prozent der Leser einer Stellenanzeige die Homepage besuchen – wenn es sie denn gibt. Daher gehören Karriereinformationen auch zentral präsent auf die Startseite, statt sie irgendwo in den Tiefen des Menüs zu verstecken.

Eine Webseite mit gut aufbereiteten Informationen ist auch eine echte Erleichterung für Behörden: Weniger Anrufe, weniger E-Mails, besser vorbereitete Anträge. All das spart Arbeit und ist ein Zeichen guter Kundenorientierung.

Eine Webseite ist kein Archiv

Bevor Sie nun anfangen, Ihre Behördenseite zu modernisieren, machen Sie eine Bestandsaufnahme. Viele Unterseiten strotzen vor längst überholten, statischen Informationen. Quasi Pressemitteilungen fürs Internet. Langweilig. Auch hat sich jedes Projekt möglichst lang und breit vorgestellt. Wen soll das interessieren? Messen Sie doch mal, wie viele Besucher sich auf diesen Informationen verirren. Ich bin sicher, dass gut 80 Prozent dieser Internetseiten ohne Nachteile gelöscht werden können.

Geschwindigkeit in der Berichterstattung macht Ihre Webseite erfolgreich. Das bedeutet, dass wichtige Gremienentscheidungen vor den sozialen Netzwerken und der lokalen Presse auf ihrer Behördenseite erscheinen.

Viel moderner und für die Zielgruppe interessanter sind aktuelle Informationen im Blog-Stil oder mit News-Charakter. Auch darf es gerne ein Podcast sein, um Botschaften zu platzieren. Geschwindigkeit in der Berichterstattung macht Ihre Webseite erfolgreich. Das bedeutet, dass wichtige Gremienentscheidungen vor den sozialen Netzwerken und der lokalen Presse auf ihrer Behördenseite erscheinen. Auch am Wochenende sind Informationen zu aktualisieren – etwas, was in Corona-Zeiten leider nicht gut funktioniert.

Bieten Sie dann noch Möglichkeit der Interaktion durch Kommentarfunktionen, Feedback aber auch durch Diskussion in den sozialen Netzwerken. Dies unterstützt die Reichweite der Behördenseite enorm und ist Ausdruck echter Bürgerorientierung.

Mobile First

Es ist einigermaßen erschütternd, dass 2021 immer noch Behördenwebseiten existieren, die nicht mobil optimiert sind. „Mobile First“ bedeutet, die Internetseiten von vornherein so aufzubauen, dass sie auf einem Smartphone optimal funktionieren. Ein paar Tipps:

  • PDFs zum Download mag niemand auf dem Handy
  • Buttons statt im Text eingebaute Links helfen auch bei großen Daumen weiter
  • Kein Text unter Schriftgröße 16, sonst wird es zum Mäusekino
  • Bildergrößen deutlich unter 250 MB optimiert die Ladegeschwindigkeit
  • „Lesbare“ Farbkontraste, saubere Menüs und Überschriftenhierarchien
  • Die langen Wörter des Behördendeutsch müssen „unsichtbar“ getrennt werden, damit sie nicht irgendwie abgeschnitten werden
  • Bilder müssen lesbar sein. Also lassen Sie Screenshots von vollgestopften Präsentationsfolien weg.

„Mobile First“ bedeutet, die Internetseiten von vornherein so aufzubauen, dass sie auf einem Smartphone optimal funktionieren.

Auch lese ich immer wieder, dass die Verwaltung für diesen oder jeden Service eine eigene App anbieten will. Beantworten Sie doch vorher die Frage, wie viele Apps Sie auf Ihrem Smartphone wirklich regelmäßig nutzen und warum. Dann kann sich ihre Behörde den Aufwand in aller Regel sparen: Dank gut gemachter mobiler Webseite braucht es in aller Regel keine App!

Finden statt Suchen

Die meisten Seiten im öffentlichen Sektor sind heute von vor allem nach Zuständigkeiten aufgebaut: Nur ist das den Kunden relativ egal, wer in Ihrer Hierarchie was bearbeitet. Vielmehr wird nach Lösungen und hilfreichen Informationen seitens der gesamten Behörde gesucht - und nicht nach Organigrammen. Das Wissen, ob für den Baum im Vorgarten nun das Umwelt- oder Bauamt zuständig ist, darf nicht Vorrausetzung sein, damit passende Informationen gefunden werden.

Die Strukturierung nach Lebenslagen bietet sich an, um die Webpräsenz besser an den Bedürfnissen zu orientieren. „Neu hinzugezogen“, „Geburt“ aber auch „Kinderbetreuung“ oder „Heirat“ sind mögliche Kriterien für ein Menü.

Diese Kriterien sind sinnvoll - auch wenn die darunter gesammelten Informationen dann mehrfach auftauchen. Ist der Kunde dann auf der richtigen Seite, hilft das Angebot „ähnlicher“ Leistungen weiter. Wer eine Geburtsurkunde sucht, ist mit Links zu Elterngeld oder Familienberatung vermutlich ebenfalls gut bedient.

Bitte lassen Sie die von Juristen entworfenen Texte von Marketingfachleuten redigieren.

Auffindbarkeit ist entscheidend

Mindestens ebenso wichtig wie eine saubere, hilfreiche Struktur ist die Auffindbarkeit der Informationen über Suchmaschinen. Denn die meisten werden genau das tun: Einen Suchbegriff eingeben, statt über die Menüs der Behördenwebseite klicken. Dafür ist es erfolgskritisch, dass die Sprache der Bürger genutzt wird. „Haltverbot“ ist natürlich juristisch einwandfrei, bringt aber nichts, wenn der überwiegende Anteil der Bevölkerung „Halteverbot“ in die Suchmaske tippen. Und bitte lassen Sie die von Juristen entworfenen Texte von Marketingfachleuten redigieren.

Video und Chat sollten möglich sein

Für Fachthemen eignen sich Unterseiten mit möglichst knappen Informationen. Checklisten, Infografiken und Videos helfen oft mehr als geschriebener Text. Das Bewegtbild eignet sich auch gerade für Tutorials für das Ausfüllen von Anträgen oder die Nutzung von Online-Services hervorragend.

Erfolgsentscheidend ist die Auffindbarkeit der Informationen über Suchmaschinen. Denn die meisten werden genau das tun: Einen Suchbegriff eingeben statt über die Menüs der Behördenwebseite klicken.

Wie viele Anfragen bekommt Ihre Behörde, bei denen Sie nachfassen müssen? Formulare können dagegen erst versendet werden, wenn alle Felder ausgefüllt sind. Die Erfahrung zeigt, das funktioniert gut! Zumindest als Kontaktfeld sollten sie eingesetzt werden.

Strukturierte Information kann auch ein Chatbot ausliefern. Die Steigerung ist dann natürlich der Chat mit den Mitarbeitern der Behörde. Das funktioniert wie bei der 115 – nur eben im Internet. Im gewerblichen Bereich ist der Chat inzwischen Usus. Warum das im Public Sektor noch nicht umgesetzt wird, ist mir einem Rätsel. Technische Gründe gibt es dafür jedenfalls nicht.

Social Media als Alternative zur Behördenwebseite

Zwei Entwicklungen sehe ich aktuell beim Thema Behördenwebseite: Erstens gibt es einige gerichtliche Urteile, die das Ende der sogenannten Portal-Lösungen einläuten. Gut so! Zweitens denken vor allem große Städte laut darüber nach, ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen. Gerade die Interaktionsmöglichkeit ist in Zeiten von Partizipation und Bürgernähe ein großer Vorteil. Das Wir-Gefühl zwischen Behörde, lokaler Bevölkerung aber auch Kultur, Vereinen und Wirtschaft kann so gestärkt werden. Viel ist darüber hinaus denkbar: Integration eines Logins für Online-Services, Bürgerkonto, regionale Wirtschaftsförderung und auch die Plattform für sichere Kommunikation zwischen Eltern, Schülern und Lehrern. Dann macht auch eine App Sinn. Ganz klar eine Empfehlung für die Zukunft.

Behörden und andere öffentliche Einrichtungen müssen massiv in eigene Content-Produktion investieren. 

Gewerbliche Anbieter von sozialen Netzwerken zu nutzen, birgt allerdings die Gefahr der Abhängigkeit. Ein eigenes Social Network aufzubauen, wirft wiederum das Henne-Ei-Problem auf: Sind keine Nutzer auf dem Netzwerk, haben Organisationen kein Interesse mitzumachen. Machen Wirtschaft, Verein, Kultur keine Angebote, werden Bürger sich nicht anmelden. Erfolgskritisch ist daher die Generierung eines echten Nutzens, den es nur auf diesem sozialen Netzwerk gibt: Vergünstigungen der lokalen Wirtschaft, Einladungen zu Veranstaltungen, kostenloses Parkhaus dank QR-Code und vieles mehr.

Auch schnelle, transparente und exklusive Informationen gehören dazu. Dies bedeutet, dass die Behörde selbst massiv in die Content-Produktion investieren muss. Nur dann werden sich die Bürger anmelden und mitmachen. Wenn Sie an solchen Lösungen interessiert sind, sei Sonate als Ergebnis eines Forschungsprojektes des Bundes empfohlen. Das ist auch etwas für kleine Kommunen.

Dennoch ist der Erfolg eines sozialen Netzwerkes nicht einfach und ein weiter, steiniger Weg. Das Sterben von StudiVZ, Myspace und anderen zeigen dies deutlich. Eine nutzerorientierte Behördenseite ist da das leichter zu erreichende Ziel. Lohnen tut sich beides.


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