Die Bewerbung der Zukunft

Ist ein Anschreiben in der Bewerbung noch zeitgemäß? Und welche Aussagekraft hat der Lebenslauf für den zukünftigen beruflichen Erfolg? Warum Personalabteilungen eher einen Blick auf den Menschen hinter dem Lebenslauf werfen sollten und wie ein Bewerbermanagementsystem gewinnbringend eingesetzt werden kann, erläutert Dr. Stefan Döring.

Ich kenne sie noch. Die Papierbewerbungen in dicken Mappen. Stapelweise habe ich sie gelesen – oder besser: gescannt. Es waren auch Päckchen und Pakete mit Arbeitsproben dabei. Einmal hat ein Bewerber extra ein Buch binden lassen.

Heute wird sich in der Regel online beworben. Per E-Mail oder Bewerbermanagementsystem. Aber Inhalt und die Art und Weise, wie Personalabteilungen mit Bewerbungen umgehen, sind immer noch die gleichen. Weiterentwicklung wäre aber dringend nötig.

Schafft das Anschreiben ab!

Wissen Sie, was Kandidaten die meiste Arbeit an einer Bewerbung macht? Es ist das Anschreiben. Laut Bewerberratgeber nicht mehr als 1 Seite, auf der man sich wohl formuliert und in aller Kürze vorstellt, seine Motivation gerade für diesen Arbeitgeber darlegt und Bezug auf die Tätigkeit nimmt. Das alles natürlich ohne Tipp- und Kommafehler. Selbst für die meisten Akademiker eine harte Nuss und Sie stellen ja bei weitem nicht nur Studierte ein.

Für die meisten Menschen ist das Anschreiben also eine kaum lösbare Herausforderung. Kein Wunder, dass dieses oft gar nicht erst geschrieben und die Bewerbung dann eben nicht abgeschickt wird. Das ist umso unsinniger, wenn wir uns vor Augen führen, was da inhaltlich im Anschreiben geschrieben steht:

„Sehr geehrte Damen und Herren, Ihr seid super. Ich bin super. Ich wollte schon immer bei Euch arbeiten.“

Mehr ist es nicht. Die Aussagekraft des Anschreibens tendiert gegen null. Bewerbermotivation lässt sich jedenfalls nicht herauslesen. Zumal ich behaupte, dass die meisten Bewerberschreiben einen Ghostwriter haben. Ich selbst habe hunderte geschrieben – für Freunde und Bekannte.

Wenn also maximaler Bewerberhinderungsgrund und minimale Aussagekraft zusammenkommen, dann bleibt nur eines: Lasst die Forderung nach einem Anschreiben endlich weg!

Zweifelhafte Aussagekraft für beruflichen Erfolg

Der Lebenslauf gibt einen Überblick über die beruflichen Stationen und Qualifikation. Aber ein Zusammenhang zwischen Noten und Erfahrung mit dem zukünftigen beruflichen Erfolg lässt sich kaum valide herleiten. Kurt Tucholsky hat dazu passend gesagt: „Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.

Zudem verändert sich aktuell unsere Arbeitswelt rapide. Die Digitalisierung verlangt nach neuen Kompetenzen. Für viele Tätigkeitsfelder entstehen gerade erst Berufe und wir arbeiten zunehmend agil. Was bringt da die Erfahrung im klassischem Projektmanagement oder eine Eins im 25Jahre alten Diplom?

Der Lebenslauf ist daher bestenfalls ein Instrument der Vorauswahl. Er gibt einen Überblick. Einen sehr groben. Einen Schwerpunkt als Auswahlkriterium darf er nicht sein.

Der Mensch hinter dem Lebenslauf

Oft höre ich als Argument, dass man anhand von Lebenslauf und Anschreiben aus hunderten Bewerbungen nun einmal irgendwie selektieren muss. Meine Antwort darauf: Erstens, wenn Sie mehrere hundert Bewerbungen bekommen, war Ihre Stellenanzeige mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend geschärft. Zweitens haben wir Fachkräftemangel und daher eher zu wenige Kandidaten, oder?

Den Blick auf den Menschen hinter der Bewerbung zu werfen, ist also keine Kür, sondern Pflicht. Da hilft der Griff zum Telefon und das persönliche Gespräch. Ja, das kostet Zeit, aber plötzlich ist die Lücke im Lebenslauf gar keine und die eben noch fehlende Erfahrung ist mehr als ausreichend vorhanden. Der Bewerber hatte nur gemeint, das sei hier nicht wichtig gewesen oder hat es schlicht vergessen, anzugeben. Experten schätzen, dass 2/3 der von uns sofort abgesagten Bewerber den Job gekonnt hätten. Kann sich das der Public Sector in Zeiten des Fachkräftemangels wirklich leisten?

Horror Bewerbermanagementsystem

Zum Thema Bewerbung zählt auch das Bewerbermanagementsystem (BMS). Leider wird das BMS oft aus den falschen Gründen eingeführt, nämlich zu Optimierungszwecken der internen Administration des Recruitings. Besser wäre es, wenn mindestens zeitgleich das Ziel verfolgt wird, den Kandidaten die Abgabe der Bewerbung zu erleichtern.

Das geht schon bei der Registrierungspflicht der meisten Bewerbermanagementsysteme im öffentlichen Sektor los. Ich schätze, dass Sie hier 50 bis 80 Prozent der Interessierten verlieren. Dass sämtliche Stationen des per PDF hochgeladene Lebenslauf trotzdem nochmal in zig Felder eingegeben werden müssen, ist schon länger nicht auf der Höhe des technisch Möglichen und führt zu maximalem Frust auf der Kandidatenseite. Auch hier können Sie wieder mit 50 Prozent Schwund rechnen.

Mehrstufigkeit mit Anspruch

Besser sind CV-Parsing-Systeme und vor allem ein mehrstufiges Verfahren. Im ersten Schritt ist der Lebenslauf oder noch besser der Link zum gut gepflegten LinkedIn-Profil vollkommen ausreichend, damit sich der Sachbearbeiter Personal einen Eindruck verschaffen kann. Dann folgt das oben angesprochene Telefonat. Ist dessen Ergebnis positiv, steigt die Motivation, fehlende Unterlagen und Eingaben im System nachzuholen, erheblich.

Gleichzeitig warne ich aber vor dem anderen Extrem einer „One Klick“-Bewerbungen. Erfahrungen zeigen, dass hier die Hürden wiederum zu tief gesetzt sind und sie Bewerbungen von Kandidaten erhalten, die sich nie wirklich mit Aufgaben und Anforderungen auseinandergesetzt haben.

Studien belegen, dass Kandidaten durchaus valide Assessmentcenter, Intelligenztests oder Arbeitsproben schätzen – wenn sie nicht zu einfach, dafür aber valide und professionell gestaltet sind. Sie erleben diese als fair und stellen sich gerne der Herausforderung.

Abschreckend für die besten Kandidaten ist dagegen der sich unter Arbeitgebern verbreitende Trend, für eine erfolgreiche Bewerbung oder das Erscheinen zum Vorstellungsgespräch Prämien zu zahlen. Hier entsteht das Gefühl, dass Erfahrung, Kompetenz und Persönlichkeit gar nicht sonderlich gefragt sind und den Job eh jeder machen könnte.

Wer bewirbt sich hier bei wem?

Erste Arbeitgeber machen es vor: Sie bewerben sich per Aufruf der Führungskraft in den sozialen Medien oder mit Methoden des Active Sourcing bei den Kandidaten. Diese Beispiele sind ein deutliches Zeichen für eine Umkehr der Machverhältnisse im Bewerbungsprozess. Leider ist das im öffentlichen Sektor noch weitgehend nicht angekommen. Trotz aller anderslautender Lippenbekenntnisse in den Arbeitgebermarken der Organisationen agiert das Personalmanagement immer noch zu oft so, als ob sich die Kandidaten glücklich schätzen können, sich bewerben zu dürfen.

Der Fachkräftemangel verlangt, die Kandidaten ins Zentrum aller Prozesse zu stellen. Wechseln Sie also die Perspektive! Candidate Centric ist ein Ansatz, in dem Stellenanzeige, Karriere-Homepage und vor allem Auswahlverfahren an den Bedürfnissen der Bewerber angepasst werden.

Dazu gehört auch die Bewerberkommunikation – gerade, weil es trotzdem zu Absagen kommt. Weder das AGG noch die Konkurrentenklage verbietet es uns, wertschätzend zu formulieren oder zum Hörer zu greifen und in einem kurzen Gespräch Danke zu sagen und die Gründe zu skizzieren. Die Kandidaten werden – auch wenn es dieses Mal nicht geklappt hat – in ihrem Netzwerk Positives über Ihre Organisation zu berichten haben. Besseres Personalmarketing kann man sich kaum wünschen.


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