Active Sourcing im öffentlichen Dienst
Neue Form der Personalgewinnung
In meinem letzten Beitrag habe ich neue Wege in der Personalgewinnung skizziert, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Einer davon war das Active Sourcing. Da dieses Thema immer wichtiger werden wird, um angesichts des Fachkräftemangels Stellen besetzen zu können, widme ich mich diesen heute etwas näher.
Bisher schaltet man Anzeigen und wartet darauf, dass sich Bewerber melden. Active Sourcing bedeutet das genaue Gegenteil: Hier wird man als Arbeitgeber aktiv, sucht passende Kandidaten, spricht sie an und stellt sie bestenfalls am Ende ein.
Vor über zehn Jahren habe ich erstmals Active Sourcing als Prozess in der Personalgewinnung einer Behörde eingeführt. Meines Wissens als Erster in der Branche. Seitdem habe ich in vielen Organisationen Erfahrungen mit dieser Art der Personalgewinnung machen können. Was sich daraus für den Public Sector lernen lässt, lesen Sie hier:
Recruiting: Suchen statt Warten
Active Sourcing bedeutet nichts anderes, als aktiv auf die Suche nach passenden Kandidaten zu gehen. Insoweit ist eine deutsche Übersetzung unpassend, denn jede Suche ist aktiv. Dennoch: Setzt man den Begriff ins Verhältnis zur herkömmlichen Personalgewinnung, treten Unterschiede zu Tage. Denn bisher schaltet man Anzeigen und wartet darauf, dass sich Bewerber melden. Active Sourcing bedeutet das genaue Gegenteil: Hier wird man als Arbeitgeber aktiv, sucht passende Kandidaten, spricht sie an und stellt sie bestenfalls am Ende ein.
Neu ist das im Public Sector nicht. Schon in der Vergangenheit wurden sogenannte Headhunter mit der Besetzung von Spitzenpositionen beauftragt. Die haben – meist zu horrenden Preisen und nicht immer erfolgreich – aktiv nach Kandidaten gesucht.
Warum nutzt man das Active Sourcing für hoch dotierte Stellen, statt dort, wo tatsächlich Fachkräftemangel herrscht, in den Erziehungs- und Pflegeberufen, bei Lehrern, Ärzten im Gesundheitsdienst, Handwerkern und im Verwaltungsdienst?
Zwei Aspekte stimmen mich dabei nachdenklich:
Warum nutzt man das Active Sourcing für hoch dotierte Stellen, für die intern und auf dem externen Bewerbermarkt mit einer Ausschreibung genügend Kandidaten rekrutiert werden könnten? Ich kann viel eher nachvollziehen, wenn die direkte Suche und Ansprache dort genutzt werden, wo tatsächlich Fachkräftemangel herrscht: In den Erziehungs- und Pflegeberufen, bei Lehrern, Ärzten im Gesundheitsdienst, Handwerkern und im Verwaltungsdienst.
Können die Personalabteilungen des öffentlichen Dienstes Active Sourcing nicht auch selbst (besser und günstiger)? Davon gehe ich aus, denn die Kollegen kennen sowohl die Kultur, als auch Fachrichtung und die handelnden Personen genauer, als jeder externe Headhunter. Das ist ein echter Vorteil, um Kandidaten Einblicke zu bieten und so zu einem Wechsel zu motivieren.
Darf man das?
Natürlich hat ein längeres Anwerbegespräch von Kandidaten während deren Arbeitszeit rechtliche Grenzen. Und auch muss die Auswertung von Daten aus den sozialen Netzwerken anhand des Datenschutzes beurteilt werden. Dennoch: Die Einladung, sich auf eine offene Stelle zu bewerben, ist rechtlich möglich. Dies auch, weil das Prinzip der Bestenauslese damit nicht ausgehebelt wird. Eine erfolglose Stellenanzeige direkt vorab oder parallel kostenfrei auf der eigenen Homepage erfüllen gegebenenfalls bestehende interne Dienstvereinbarungen mit der Pflicht zur Ausschreibung. Auch ist es üblich, dass sich die angesprochenen Kandidaten einem Auswahlprozess stellen.
Aus meiner Erfahrung heraus ist das kulturelle Problem viel entscheidender. Die Bedenken von Bürgermeistern, Amtsleitungen oder der Politik angesichts kritischer Reaktion von Partnerorganisationen, die einen guten Mitarbeiter durch Active Sourcing verlieren, sind nachvollziehbar. Das muss man aber aushalten können! Wäre der alte Arbeitgeber wirklich so super, wäre der Kandidat nicht gewechselt.
Solange die Einstellung bei Führungskräften und Personalabteilung herrscht „Seien Sie froh, sich bei uns bewerben zu dürfen“, wird Active Sourcing nicht funktionieren. Es bedarf des richtigen Mindsets im Sinne eines echten Anwerbeprozess auf Augenhöhe.
Integration des Active Sourcing in den Recruitingprozess
Das Active Sourcing ist in verschiedenen Ausprägungen möglich. Das Spektrum reicht von der reinen Kandidatensuche in den sozialen Netzwerken, auf Blogs und (Fach)Messen mit einer Liste von potenziellen neuen Mitarbeitern als Ergebnis über die ergänzende erste Kontaktaufnahme bis hin zur Begleitung der angesprochenen Personen durch den gesamten Auswahlprozess und darüber hinaus im Sinne des Aufbaus eines Netzwerkes. Egal wie organisiert, lassen sich zwei Erfolgsfaktoren für erfolgreiches Active Sourcing definieren:
Solange die Einstellung bei Führungskräften und Personalabteilung herrscht „Seien Sie froh, sich bei uns bewerben zu dürfen“, wird Active Sourcing nicht funktionieren. Es bedarf erstens des richtigen Mindsets im Sinne eines echten Anwerbeprozess auf Augenhöhe. Damit zählt im Übrigen auch die Zufriedenheit des angeworbenen Kandidaten auf der neuen Stelle zu den Erfolgskriterien des Prozesses.
Brüche im Recruitingprozess vermeiden
Zweitens müssen alle Kontaktpunkte zwischen Personalabteilung und Kandidat im Personalgewinnungsprozess identifiziert und analysiert werden, um Brüche zu vermeiden. Hier sind vor allem die Schnittstellen zwischen Active Sourcing und herkömmlichen Prozesses von großer Bedeutung. Ist der Prozess wertschätzend genug oder hat er zu sehr Prüfungscharakter? Das klingt einfacher als gedacht, denn es kommt immer wieder vor, dass man einen angesprochenen Kandidaten die absurde Frage stellt „Warum haben Sie sich beworben?“.
Active Sourcing bedarf also immer der Überarbeitung der Personalgewinnungsprozesse. Dies bedeutet auch, dass der Kontakt zwischen Personaler und Kandidat viel enger ist, als gelegentliche Zwischenmitteilungen. Zum Vorstellungsgespräch wird die gesamte Familie eingeladen inklusive Programm mit Stadtrundfahrt, Vorstellung von Kindergarten und Schulen, Maklertermin und Abendessen mit der Amtsleitung. Sollte es doch zu einer Absage kommen, reicht auch das gängige, nichtsagende Standardformular natürlich nicht aus. Wertschätzung spricht sich schließlich herum und ist damit Basis für die nächste erfolgreiche Akquise.
Know-how in der Akquise und im Fachbereich
Eine Ansprache von Kandidaten ist im Grunde Kaltakquise. Ein deutliches Vertriebstalent des Active Sourcers ist also nicht nur von Vorteil, sondern unbedingtes Einstellungskriterium. Die Kenntnis des gesuchten Fachbereiches sowie die Fähigkeit, sich ein Netzwerk aufzubauen und zu pflegen, sind weitere Anforderungen. Konkrete Bezugnahme auf Kenntnisse, Berufserfahrung oder persönliche Stationen der Kandidaten sind nicht Kür, sondern erfolgskritisch. Massenmails oder standardisierte Texte fallen spätestens beim Active Sourcing also aus. Die Bereitschaft zu reisen und abends – wenn die Kandidaten Zeit für ein Gespräch haben – zu arbeiten, ist selbstverständlich.
Aktive Sourcing bedarf immer der Überarbeitung der Personalgewinnungsprozesse. Dies bedeutet auch, dass der Kontakt zwischen Personaler und Kandidat viel enger ist, als gelegentliche Zwischenmitteilungen.
Oft stellt sich die Frage: Sollte der Active Sourcer in einer Behörde eher die speziellen Rahmenbedingungen der Personalgewinnung des öffentlichen Dienstes beherrschen oder die oben genannten, eher verwaltungsuntypischen Skills mitbringen? Das muss jeder selber entscheiden, meine Empfehlung wäre letzteres. Genau diesen Weg ist die Stadt Mainz bereits gegangen und hat – als eine der ersten Kommunen Deutschlands – erfolgreich eine Personalerin für das intern verankerte Active Sourcing eingestellt. Bravo!
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